Referentenentwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften
Zusammenfassung:
Der Referentenentwurf regelt die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl jeweils durch autonome Erklärungen gegenüber dem Standesamt. Es tritt insbesondere an die Stelle des bisherigen Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (sog. Transsexuellengesetz, TSG)[1] und von § 45b Personenstandsgesetz (PStG) in seiner bisherigen Fassung.
Das für die Abgabe personenstandsrechtlicher Erklärungen weiterhin fortbestehende Erfordernis einer öffentlichen Beglaubigung ist richtig und uneingeschränkt zu begrüßen. Dies garantiert eine rechtssichere Zuordnung der rechtlichen Wirkung zur erklärenden Person und ermöglicht somit eine verlässliche privatautonome Entscheidung über Fragen des eigenen Personenstandes (A.I.). Die Form sollte folgerichtig auch für die Rücknahme von Erklärungen gelten (A.II.). Daneben sehen wir punktuellen Bedarf für Ergänzungen und Klarstellungen (A.III.–V.).
Die Vorschrift zur Änderung von Eintragungen in öffentlichen Registern in § 10 Abs. 1 SBGG-E hat im Wesentlichen klarstellende Funktion. Eine zusätzliche Löschung alter geänderter Angaben ist bei Registern mit Publizitätswirkung grundsätzlich nicht möglich (B.I.). Ob und ggf. welche notariellen Urkunden unter den Anwendungsbereich von § 10 Abs. 2 SBGG-E fallen, bleibt unklar. Das Verfahren zur Ausstellung einer neuen Ausfertigung oder Abschrift kann sich jedenfalls nur nach dem Beurkundungsgesetz richten. Schließlich ist klarzustellen, auf welchem Weg das Beurkundungsrecht ggf. die Ausstellung einer neuen Ausfertigung oder Abschrift erlaubt (B.II.).
Im Einzelnen:
A. Erklärungen zum Geschlechtseintrag und zu den Vornamen (§§ 2, 4 SBGG-E)
I. Öffentliche Beglaubigung der personenstandsrechtlichen Erklärungen
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SBGG-E kann jede Person, deren Geschlechtsidentität von ihrem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister abweicht, gegenüber dem Standesamt nach Maßgabe des § 45b PStG erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag geändert werden soll. Mit der Erklärung können auch ein neuer Vorname oder mehrere neue Vornamen bestimmt werden, § 2 Abs. 3 SBGG-E. Nach § 2 Abs. 4 SBGG-E kann eine Person durch Erklärung gegenüber dem Standesamt auch nur ihren Vornamen oder ihre Vornamen neu bestimmen, soweit diese ihrer Geschlechtsidentität nicht entsprechen. Die Erklärungen bedürfen nach § 45b Abs. 1 PStG-E jeweils der öffentlichen Beglaubigung. Für die Beglaubigung der Erklärungen sind neben den Notarinnen und Notaren (§§ 1, 20 Abs. 1 BNotO) auch die Standesbeamtinnen und Standesbeamten zuständig, § 45b Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 PStG-E. Dabei hat die Person jeweils zu versichern, dass ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist (§ 2 Abs. 2 und 4 SBGG-E).
Das Erfordernis der öffentlichen Beglaubigung der jeweiligen Erklärungen entspricht den üblichen Anforderungen im Personenstandsrecht und schützt durch eine eindeutige Zuordnung der Erklärung die erklärende Person bei der Ausübung ihrer Privatautonomie. Die öffentliche Beglaubigung dient der Identifikation und der Authentifikation. Durch sie wird öffentlich beurkundet, dass die Unterschrift von der anhand strenger verfahrensrechtlicher Vorgaben identifizierten und im Beglaubigungsvermerk angegebenen Person herrührt und dass diese Person ihre Unterschrift oder ihr Handzeichen persönlich vor der Amtsperson vollzogen oder anerkannt hat.[2] Daneben sorgt das Beglaubigungserfordernis auch dafür, dass sich die unterzeichnende Person über die rechtliche Bedeutung ihrer Erklärung bewusst wird, indem die Unterschrift von einer Amtsperson zu beglaubigen ist.[3]
Erklärungen zum Geschlechtseintrag und zu den Vornamen berühren die zentralsten Identifikationsmerkmale der erklärenden Person. Eine autonome Erklärung über die Änderung eines solchen personenstandsrechtlichen Merkmals kann nur von der jeweils selbst betroffenen Person ausgeübt werden.[4] Dies wird durch das Erfordernis der öffentlichen Beglaubigung sichergestellt. Denn die Urkundsperson hat sich nach § 40 Abs. 4, § 10 Abs. 1 und 2 BeurkG Gewissheit über die Person der Beteiligten zu verschaffen und dabei „äußerste Sorgfalt“ anzuwenden.[5] Die öffentliche Beglaubigung der Erklärungen nach § 2 SBGG-E ermöglicht es außerdem, eine fortlaufende, rechtssichere Zuordnung von Vermögenswerten und Rechtspositionen in amtlichen Registern wie Grundbuch oder Handelsregister zu gewährleisten und gleichzeitig dem berechtigten Interesse der betroffenen Personen Rechnung zu tragen, die Änderung ihres Geschlechtseintrags oder von Vornamen grundsätzlich nicht offenbaren zu müssen (hierzu sogleich unter B.I.).
Lediglich redaktionell weisen wir darauf hin, dass eine Verortung des Beglaubigungserfordernisses in § 45b Abs. 1 PStG-E nicht zwingend erscheint. Das PStG enthält im Wesentlichen verfahrensrechtliche Vorgaben. Systematisch erscheint es daher überzeugender, wenn sich das Formerfordernis direkt aus den jeweils betroffenen Regelungen des SBGG ergeben würde. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach der momentanen Fassung des Referentenentwurfs einzig § 2 Abs. 1 SBGG-E einen ausdrücklichen Verweis auf § 45b Abs. 1 PStG-E enthält. Ein solcher könnte zu Klarstellungszwecken auch in die Vorschrift zur isolierten Vornamensänderung in § 2 Abs. 4 Satz 1 SBGG-E aufgenommen werden.
II. Form der Rücknahme der personenstandsrechtlichen Erklärungen (§ 4 Satz 2 SBGG-E)
§ 4 SBGG-E sieht vor, dass die Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen erst drei Monate nach der Erklärung in das Personenstandsregister eingetragen und wirksam wird. Innerhalb dieser Frist kann die Person ihre Erklärung schriftlich gegenüber dem jeweiligen Standesamt zurücknehmen.
Das Vorsehen einer Rücknahme lediglich in Schriftform und damit ein Absenken des Schutzniveaus für die Rücknahmeerklärung überzeugt nicht. In vergleichbaren Fällen, in denen etwa familienrechtliche Erklärungen vor ihrer Wirksamkeit widerrufen werden können, ordnet der Gesetzgeber zum Schutz der erklärenden Person und des Rechtsverkehrs für den Widerruf die für die Erklärung erforderliche öffentliche Form an.[6] Auch im vorliegenden Fall sollte in § 4 Satz 2 SBGG-E für die Rücknahme als actus contrarius zur ursprünglichen personenstandsrechtlichen Erklärung die öffentliche Beglaubigung vorgesehen werden.
Wie bereits ausgeführt stellt das Erfordernis der öffentlichen Beglaubigung sicher, dass die personenstandsrechtlichen Erklärungen zum Geschlechtseintrag und zu den Vornamen von der erklärenden Person selbst herrühren. Auch die Rücknahme einer Erklärung über die Änderung eines personenstandsrechtlichen Merkmals betrifft zentralste Identifikationsmerkmale und ist Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. An die Rücknahme der Erklärung dürfen daher keine geringeren Schutzanforderungen gestellt werden als an die Erklärung selbst. Insbesondere muss sichergestellt sein, dass einer Person, die eine Erklärung nach § 2 SBGG-E abgegeben hat, nicht fälschlicherweise Rücknahmeerklärungen zugerechnet werden, die nicht von ihr herrühren. Schließlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Person, die eine Erklärung nach § 2 SBGG-E abgegeben hat, sich besonderem äußeren Druck ausgesetzt sieht, diese wieder zurückzunehmen. In diesem Fall kann das Erfordernis, eine solche Erklärung von einer Urkundsperson beglaubigen zu lassen, die freie Ausübung des jeweiligen Willens schützen. Wenn für die Urkundsperson offensichtlich erkennbar wird, dass die Rücknahmeerklärung durch Zwang oder Drohung zustande kommt, wird sie die öffentliche Beglaubigung der Rücknahmeerklärung ablehnen. Bei einer bloß schriftlichen Rücknahmeerklärung bleibt deren Zustandekommen völlig im Dunkeln.
Aus Sicht der Standesämter als für das Personenstandswesen zuständige Behörden ist ebenfalls eine rechtssichere Zuordnung der Rücknahmeerklärung durch öffentliche Beglaubigung erforderlich. Denn stammt eine Rücknahmeerklärung tatsächlich nicht von der erklärenden Person, besteht mit Ablauf von drei Monaten nach § 4 Satz 1 SBGG-E ein Anspruch auf Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen im Personenstandsregister. Zweifel an der Herkunft einer Rücknahmeerklärung müssen daher rechtssicher ausgeräumt sein.
Durch das Erfordernis einer öffentlichen Beglaubigung bleibt die Rücknahme der Erklärung, wie ausweislich der Begründung des Referentenentwurfs intendiert, einfach möglich.[7] Notarinnen und Notare stehen der rechtsuchenden Bevölkerung im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge als Urkundspersonen zur Verfügung und gewährleisten hierdurch stetig die Möglichkeit, Beurkundungen und Beglaubigungen vornehmen zu lassen. Personen, die eine Erklärung nach § 2 SBGG-E zurücknehmen wollen, stehen damit jederzeit – neben den Standesämtern – die notariellen Geschäftsstellen als Anlaufstellen für ihr Anliegen zur Verfügung. Da schon die Erklärung nach § 2 SBGG-E von einer Urkundsperson beglaubigt werden muss, steht die erklärende Person in den Fällen des § 4 SBGG-E ohnehin bereits im Kontakt mit einer Urkundsperson, die auch die Beglaubigung der Rücknahme unkompliziert vornehmen kann. Die von der Begründung des Referentenentwurfs[8] für die Rücknahme nach § 4 SBGG-E ins Auge gefassten Fälle der fehlenden Ernstlichkeit einer Erklärung nach § 2 SBGG-E dürften sich nach hiesiger Einschätzung ohnehin in Grenzen in halten. Denn durch das Erfordernis, die Erklärung nach § 2 SBGG-E öffentlich beglaubigen zu lassen, wird der erklärenden Person bereits die rechtliche Tragweite ihrer Erklärung verdeutlicht.
III. Höchstpersönlichkeit der Erklärungen
Erklärungen, die gegenüber dem Standesamt abzugeben sind, sind regelmäßig höchstpersönlicher Natur.[9] Das betrifft neben den Erklärungen zum Geschlechtseintrag und zu den Vornamen nach § 2 SBGG-E auch die Rücknahme der Erklärungen nach § 4 Satz 2 SBGG-E. Insoweit regen wir zwei Klarstellungen in der Entwurfsbegründung an.
Zum einen wird auf S. 35 ausgeführt, die Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister könne nicht durch einen Bevollmächtigten abgegeben werden. Insoweit sollten auch die Erklärungen über die Vornamen ergänzt werden, um Missverständnisse zu vermeiden.
Zum anderen wird auf S. 40 hinsichtlich der Rücknahme der Erklärungen nach § 4 Satz 2 SBGG-E ausgeführt, dass eine persönliche Erklärung nicht erforderlich sei. Die Entwurfsbegründung ist an dieser Stelle jedenfalls missverständlich. Da auch die Rücknahme von Erklärungen nach § 2 SBGG-E ihrer Natur nach höchstpersönlich ist, können auch Rücknahmeerklärungen nach § 4 Satz 2 SBGG-E grundsätzlich nicht durch eine rechtsgeschäftlich bevollmächtigte Person abgegeben werden.
IV. Wirkung der Erklärungen nach § 2 SBGG-E (§ 4 Satz 1 SBGG-E)
Nach § 4 Satz 1 SBGG-E werden die nach § 2 SBGG-E erklärten Änderungen des Geschlechtseintrags und der Vornamen erst nach drei Monaten in das Personenstandsregister eingetragen und wirksam. Die Eintragung der Änderungen in das Personenstandsregister hat demnach konstitutive Wirkung.[10]
Bezüglich der Änderung der Vornamen führt die vorliegende Begründung des Referentenentwurfs allerdings an anderer Stelle (S. 36 f.) ebenfalls aus, dass die Eintragung in das Personenstandsregister lediglich deklaratorisch erfolge. Die hieraus entstehenden Unsicherheiten sollten durch eine entsprechende Klarstellung beseitigt werden. Intendiert ist wohl auch für die Änderung der Vornamen eine konstitutive Eintragung im Personenstandsregister.
V. Inhaltliche Anforderungen an die abzugebenden Versicherungen
Der Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen sind Versicherungen der erklärenden Person beizufügen. Dabei muss unter anderem versichert werden, dass der erklärenden Person die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist, § 2 Abs. 2 Nr. 2 SBGG-E, § 2 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SBGG-E. Weitere inhaltliche Anforderungen an die abzugebende Versicherung werden nicht normiert.
Um den erklärenden Personen die rechtssichere Abgabe einer den rechtlichen Anforderungen genügenden Erklärung zu ermöglichen und den Standesämtern die Überprüfung der Voraussetzungen für die Änderung des Geschlechtseintrags bzw. der Vornamen abschließend zu ermöglichen, sollten die Anforderungen an die abzugebende Versicherung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 SBGG-E und § 2 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SBGG-E konkretisiert werden. Ausweislich der Entwurfsbegründung zählen zu den Folgen, derer sich die erklärende Person bewusst sein soll, die Sperrfrist gemäß § 5 SBGG-E, die Regelungen für den Spannungs- und Verteidigungsfall nach Art. 12a GG gemäß § 9 SBGG-E sowie Änderungen bezüglich des Eltern-Kind-Verhältnisses gemäß § 11 SBGG-E.[11] Es erscheint vorzugswürdig, diesen Vorschriftenkatalog zur Konkretisierung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 SBGG-E bzw. § 2 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SBGG-E aufzunehmen.
B. Änderung von Registern und Dokumenten (§ 10 SBGG-E)
I. Änderung von Registern (§ 10 Abs. 1 SBGG-E)
Sind der Geschlechtseintrag und die Vornamen einer Person im Personenstandsregister geändert worden, so kann diese nach § 10 Abs. 1 SBGG-E grundsätzlich verlangen, dass auch Einträge zu ihrem Geschlecht und ihren Vornamen in anderen amtlichen Registern geändert werden, wenn dem keine besonderen Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen.
Die Regelung konkretisiert insoweit das Offenbarungsverbot des § 13 Abs. 1 SBGG-E und hat im Wesentlichen klarstellende Funktion.[12] Ändern sich persönliche Daten der einzutragenden Personen, so sehen die verfahrensrechtlichen Vorschriften der für den Rechtsverkehr maßgeblichen Register mit Gutglaubenswirkung bereits jetzt entsprechende Anmeldetatbestände vor.[13]
Hiervon getrennt zu behandeln ist die Frage, ob auch eine Löschung der eingetragenen alten Vornamen oder der alten Geschlechtsangabe verlangt werden kann.[14] Ausgangspunkt ist das Offenbarungsverbot, das im vorliegenden Referentenentwurf nach § 13 SBGG-E geregelt ist. Danach dürfen nach einer Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen einer Person aufgrund von § 2 SBGG-E die bis zur Änderung eingetragenen Daten ohne Zustimmung der betroffenen Person grundsätzlich nicht offenbart werden, sofern nicht besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern. Bei der Anwendung dieses Offenbarungsverbots auf Eintragungen im Grundbuch, Handelsregister und in sonstigen amtlichen Registern, die mit öffentlichem Glauben ausgestattet sind, sind bestimmte Besonderheiten zu beachten.[15] Bei Änderung einer Eintragung in diesen Registern wird die nicht mehr gültige Eintragung grundsätzlich nicht entfernt, sondern etwa gerötet und bleibt damit weiter sichtbar (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 GBV, § 16 HRV). Dies ist aufgrund der Publizitätswirkung der Register notwendig, da sich der öffentliche Glaube nicht nur auf die Richtigkeit der aktuellen Eintragungen bezieht, sondern auch die Löschungen mit Publizitätswirkung ausgestattet sind.[16] Insbesondere muss für den Rechtsverkehr ersichtlich bleiben, ob eine Änderung des eingetragenen Namens mit einem Rechtsträgerwechsel einherging. Entsprechend geht auch die Begründung des Referentenentwurfs richtigerweise davon aus, dass sich aus dem Offenbarungsverbot kein Anspruch auf Löschung der früheren Vornamen im Handelsregister ergibt.[17] Dies gilt grundsätzlich für alle Justizregister, die mit gutem Glauben ausgestattet sind.[18] Soweit ersichtlich möchte der vorliegende Referentenentwurf hieran grundsätzlich nichts ändern. Dieser Entscheidung ist zuzustimmen.
Hinzuweisen ist insoweit auf die Entscheidung des BGH vom 7. März 2019.[19] Bei Eintragungen im Grundbuch käme zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person danach ein verfahrensrechtlicher Weg zur Umschreibung auf ein neues Registerblatt in Betracht. Dabei werden zunächst alle Änderungen in das bestehende Registerblatt eingetragen und das umzuschreibende Registerblatt sodann geschlossen. In das neue Registerblatt werden dann grundsätzlich nur die aktuellen Daten aufgenommen, sodass in dem neuen Registerblatt der alte Vorname nicht mehr erscheint.
II. Änderung von Dokumenten (§ 10 Abs. 2 SBGG-E)
Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 SBGG-E kann eine Person, deren Geschlechtseintrag bzw. deren Vornamen nach § 2 SBGG-E geändert wurden, auch verlangen, dass amtliche Dokumente neu ausgestellt werden, soweit diese Angaben zum Geschlecht und zu den Vornamen enthalten. Notarielle Urkunden dürften von § 10 Abs. 2 SBGG-E grundsätzlich nichterfasst sein (hierzu unter B.II.1.). Soweit nach der Vorstellung des Gesetzgebers dennoch auch bestimmte notarielle Urkunden vom Anspruch nach § 10 Abs. 2 SBGG-E erfasst sein sollen, müsste klargestellt werden, auf welchem Weg das Beurkundungsgesetz die neue Ausstellung der Urkunde mit den geänderten Daten erlauben soll (hierzu unter B.II.2.).
1. Anwendbarkeit auf notarielle Urkunden
§ 10 Abs. 2 Satz 2 SBGG-E listet exemplarisch Dokumente auf, auf die sich der Anspruch auf Neuausstellung erstrecken soll. Notarielle Urkunden werden dabei nicht erwähnt; lediglich ergänzend weisen wir darauf hin, dass es sich bei dem in § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SBGG-E verwendeten Begriff der „Besitzstandsurkunden“ – anders als bei den Personenstandsurkunden – um keinen geläufigen Rechtsbegriff handeln dürfte. Da der Begriff auch in der Entwurfsbegründung nicht weiter erläutert wird, bleibt er insoweit unklar.
Für eine Herausnahme notarieller Urkunden aus dem Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 SBGG-E spricht, dass bei notariellen Urkunden in vielen Fällen schon kein Bedürfnis auf Erteilung einer Ausfertigung oder Abschrift besteht, die die neuen Angaben der beteiligten Person enthalten. Die in § 10 Abs. 2 Satz 2 SBGG-E ausdrücklich aufgezählten Dokumente sowie die Entwurfsbegründung lassen darauf schließen, dass vor allem Dokumente in Bezug genommen werden sollen, die gegenüber Dritten für den Nachweis einer konkreten Tatsache benötigt werden.[20] Hierfür spricht auch, dass § 10 Abs. 2 SBGG-E der Verwirklichung des Offenbarungsverbots aus § 13 Abs. 1 SBGG-E dienen soll.[21] Notarielle Urkunden betreffen hingegen in der überwiegenden Zahl der Fälle die Vornahme und den Vollzug konkreter Rechtsgeschäfte, also punktueller Ereignisse. Der Rechtszustand, der durch diese Rechtsgeschäfte herbeigeführt wird, wird dem Rechtsverkehr in der Regel durch einen Auszug aus einem entsprechenden Register nachgewiesen, für die die Ausführungen unter B.I. gelten. Notarielle Urkunden sind wegen § 18 BNotO i.V.m. § 51 BeurkG grundsätzlich nur den Beteiligten und ihren Rechtsnachfolgern zugänglich. Für außenstehende Dritte ist das Einsichtsrecht in notarielle Urkunden stark eingeschränkt. Nach § 18a Abs. 1 BNotO wird nur Personen, die historische oder sonstige wissenschaftliche Forschung betreiben, Zugang zu Inhalten notarieller Urkunden gewährt, soweit dies für die Durchführung eines wissenschaftlichen Forschungsvorhabens erforderlich ist und seit dem Tag der Beurkundung mehr als 70 Jahre vergangen sind. Der Inhalt der Urkunden wird in diesen Fällen in aller Regel anonymisiert, sodass ein Konflikt mit dem Offenbarungsverbot nicht zu besorgen ist, § 18b Abs. 1 BNotO. Es spricht daher viel dafür, dass grundsätzlich weder die Urschrift noch die später erteilten Ausfertigungen oder die beglaubigten Abschriften notarieller Urkunden auf Antrag zu ändern sind.[22] Etwas anderes könnte allenfalls für Vollmachten oder vollstreckbare Ausfertigungen gelten, die im Rechtsverkehr einer dritten Person vorgelegt werden.[23]
2. Verfahren der „Neuausstellung“ notarieller Urkunden
Das Beurkundungsgesetz enthält spezielle Vorschriften für öffentliche Beurkundungen durch Notarinnen und Notare (§ 1 Abs. 1 BeurkG) sowie durch andere Urkundspersonen (§ 1 Abs. 2 BeurkG). Das Beurkundungsgesetz trifft dabei umfangreiche Regelungen zur Errichtung und zur Änderung von Urkunden sowie zur Erteilung von Ausfertigungen und Abschriften. Die strengen Vorgaben des hochspezialisierten Beurkundungsgesetzes sind dabei abschließend, da im Gegenzug an die formalisiert zustande gekommene Urkunde die Beweiskraft nach §§ 415, 418 ZPO knüpft und die Urkunde den vollen Beweis des durch die Urkundsperson beurkundeten Vorgangs begründet.[24] Soweit nach dem Willen des Gesetzgebers Urkunden im Sinne des Beurkundungsgesetzes in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 2 SBGG-E einbezogen sein sollten, muss sich das „Wie“ der erneuten Ausstellung der Urkunde nach den Vorgaben des Beurkundungsgesetzes richten. Dies sollte – sofern eine Erstreckung des § 10 Abs. 2 SBGG-E auch auf Urkunden im Sinne des Beurkundungsgesetzes intendiert ist – im Regierungsentwurf klargestellt werden.
Weiterhin müsste dann klargestellt werden, auf welchem verfahrensrechtlichen Weg das Beurkundungsgesetz es zulässt, eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der Urkunde erteilen zu können, die auf die neuen Vornamen bzw. den neuen Geschlechtseintrag der beteiligten Person lautet.
Einen Anspruch auf nachträgliche Änderung bereits erteilter Ausfertigungen und Abschriften sieht das Beurkundungsgesetz grundsätzlich nicht vor. Auch nachträgliche Änderungen an der Niederschrift sind grundsätzlich nicht im Beurkundungsgesetz vorgesehen. Beides dürfte von § 10 Abs. 2 SBGG-E auch nicht gewollt sein. §§ 44a, 44b BeurkG erlauben nachträgliche Änderungen an der Urschrift nur in Ausnahmefällen und in der Form von Nachtragsvermerken, die mit der Niederschrift zu verbinden sind. Bei der Erstellung von Nachtragsvermerken müssen dabei grundsätzlich die an der Niederschrift Beteiligten mitwirken, sofern es sich nicht um eine offensichtliche Unrichtigkeit (§ 44a Abs. 2 BeurkG) handelt. Werden auf diese Weise nach § 44a Abs. 2 BeurkG offensichtliche Unrichtigkeiten nach Abschluss der Niederschrift richtiggestellt, besteht die Möglichkeit, bei der Erteilung einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift eine Reinschrift zu erstellen, die den Nachtragsvermerk nicht mehr ausweist und stattdessen direkt den korrigierten Urkundentext wiedergibt.[25] Ein solches Vorgehen mag auch für den vorliegenden Fall als sachgerechtes Verfahren erscheinen.[26] Indes geht die vorliegende Entwurfsbegründung – mit guten Gründen – ausdrücklich davon aus, dass bei zeitlich nach der Ausstellung des Dokuments erfolgter Änderung des Geschlechtseintrags oder Vornamens kein Fall der offensichtlichen Unrichtigkeit im Zeitpunkt der Ausstellung des Dokuments vorliegt.[27] Eine (direkte oder analoge) Anwendung des § 44a Abs. 2 BeurkG zum Zweck der Erteilung einer Ausfertigung oder Abschrift, die auf den oder die neuen Vornamen bzw. den neuen Geschlechtseintrag lautet, scheidet daher aus. Damit dürfte nach derzeitiger Rechtslage keine Möglichkeit zur Ausstellung einer geänderten Ausfertigung oder Abschrift ohne nachträgliche Mitwirkung der Beteiligten bestehen.
Sofern beabsichtigt sein sollte, Urkunden im Sinne des Beurkundungsgesetzes in den Anwendungsbereich von § 10 Abs. 2 SBGG-E einzubeziehen, sollte also klar zum Ausdruck gebracht werden, dass Urschriften sowie bereits erteilte Ausfertigungen und Abschriften nicht mehr geändert werden können. Dem Anliegen der betroffenen Person wird aber genügt, wenn die nach der Änderung des Geschlechtseintrags und des oder der Vornamen erteilten Ausfertigungen und Abschriften die geänderten Angaben der betroffenen Person enthalten. Entsprechend der Regelung in § 44a Abs. 2 BeurkG sollte gewährleistet werden, dass eine nachträgliche Korrektur in Form eines Nachtragsvermerks allein durch die Urkundsperson erfolgen darf. Abschriften und Ausfertigungen können dann in der Form (neu-)ausgestellt werden, dass nur der oder die neuen Vornamen und der neue Geschlechtseintrag im Urkundstext erscheinen.[28] Darüber hinaus müsste der Kreis der Anspruchsberechtigten eingegrenzt werden. Nur betroffenen Personen, die nach §§ 51, 52 BeurkG auch einen Anspruch auf Erteilung einer (vollstreckbaren) Ausfertigung oder Abschrift haben, kann ein Anspruch auf eine entsprechend geänderte Ausfertigung oder Abschrift zustehen.
In diesem Zusammenhang wäre sodann auch klarzustellen, dass die Kosten der Neuausstellung abschließend im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) abschließend geregelt sind, sodass es auf § 10 Abs. 3 Satz 2 SBGG-E insoweit nicht ankommt.
[1] Gesetz vom 10. September 1980, BGBl. 1980 I 1654.
[2] Vgl. Einsele in: MüKoBGB, 9. Aufl. 2021, § 129 Rn. 1; Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, § 40 Rn. 2; Grziwotz in: Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 3. Aufl. 2018, § 40 Rn. 1; BGH, Urt. v. 4.4.1962 – V ZR 110/60, NJW 1962, 1149 (1150); LG Darmstadt, Beschl. v. 3.2.1998 – 23 T 6/98, MittBayNot 1998, 369; Boczek/Lührs, JuS 2020, 916 (918).
[3] Scheller in: BeckOGK, Stand 1.2.2022, § 129 BGB Rn. 9; Hertel in: Staudinger, BGB (2023), § 129 Rn. 30; Theilig in: BeckOGK, Stand 1.11.2022, § 40 BeurkG Rn. 5; Malzer, DNotZ 2000, 169 (179).
[4] Entsprechend handelt es sich nach S. 35 der Begründung des Referentenentwurfs materiellrechtlich um eine höchstpersönliche Erklärung.
[5] Vgl. BGH, DNotZ 56, 502 = BeckRS 1956, 31203636.
[6] Vgl. insbesondere BT-Drucks. 7/5087, S. 10 zum Erfordernis, die Widerrufserklärung des Kindes in die Annahme zu beurkunden (§ 1746 Abs. 2 Satz 1, 2 BGB). Gemäß § 1597 Abs. 3 Satz 1 BGB kann die Vaterschaftsanerkennung binnen eines Jahres widerrufen werden, wenn sie noch nicht wirksam geworden ist. Der Widerruf bedarf ebenso wie die ursprüngliche Vaterschaftsanerkennung der Beurkundung, § 1597 Abs. 3 Satz 2 BGB i.V.m. § 1597 Abs. 1 BGB. Nach § 1355 Abs. 4 Satz 5 BGB müssen Erklärungen zum Führen eines Doppelnamens durch einen Ehegatten entweder bei der Eheschließung gegenüber dem Standesamt abgegeben werden oder später in öffentlich beglaubigter Form. Der Widerruf dieser Erklärungen muss ebenfalls öffentlich beglaubigt werden, § 1355 Abs. 4 Satz 5 BGB.
[7] Vgl. S. 40 der Entwurfsbegründung.
[8] Vgl. S. 40 der Entwurfsbegründung.
[9] Vgl. S. 35 der Entwurfsbegründung; ebenso BT-Drucks. 19/4669, S. 10 f.; Reetz in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 27 Rn. 6; v. Sachsen Gessaphe in: MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, § 1355 Rn. 30.
[10] Vgl. dazu auch S. 40 der Entwurfsbegründung.
[11] Vgl. S. 35 der Entwurfsbegründung.
[12] Vgl. S. 50 der Entwurfsbegründung.
[13] Vgl. BGH, DNotZ 2015, 780 Rn. 16; BGH, DNotZ 2019, 863 Rn. 6.
[14] Vgl. S. 51 der Entwurfsbegründung; Schmidt-Räntsch, ZNotP 2020, 11 (13 f.); BGH DNotZ 2019, 863 Rn. 8ff.
[15] Vgl. Schmidt-Räntsch, ZNotP 2020, 11 (13 f.); Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 239.
[16] Vgl. BGH, DNotZ 2019, 863 Rn. 10.
[17] Vgl. S. 51 der Entwurfsbegründung.
[18] Vgl. Schmidt-Räntsch, ZNotP 2020, 11 (13 f.); zum Grundbuch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 239; BGH, DNotZ 2019, 863 Rn. 9.
[19] Vgl. BGH DNotZ 2019, 863.
[20] Vgl. S. 52 der Entwurfsbegründung.
[21] Vgl. S. 52 der Entwurfsbegründung.
[22] So auch Heinemann in: Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 3. Aufl. 2018, § 10 Rn. 9; Bord in: BeckOGK, 1.4.2023, § 9 BeurkG Rn. 26; Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, § 9 Rn. 12a.
[23] Litzenburger in: BeckOK BGB, 66. Ed. 1.5.2023, BeurkG § 10 Rn. 3.
[24] Limmer in: Frenz/Miermeister, BNotO, 5. Aufl. 2020, § 1 BeurkG Rn. 7; Kindler in BeckOK BeurkG, 8. Ed. 15.9.2022, § 1 Rn. 1 ff.
[25] Limmer in: Frenz/Miermeister, BNotO, 5. Aufl. 2020, § 44a BeurkG Rn. 15; Winkler, BeurkG, 20. Aufl. 2022, § 49 Rn. 7; Heinemann in: Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 3. Aufl. 2018, § 49 Rn. 8; Kanzleiter, DNotZ 1990, 478 (484).
[26] In Bezug auf das nach § 5 TSG geltende Offenbarungsverbot wird in der beurkundungsrechtlichen Literatur vereinzelt angenommen, dass in den Fällen von Vollmachten und vollstreckbaren Ausfertigungen eine Ausfertigung der Gerichtsentscheidung über die Geschlechtsanpassung inklusive Rechtskraftvermerk zur Urschrift zu nehmen wäre und sodann wohl entsprechend § 44a Abs. 2 BeurkG Ausfertigungen und Abschriften nur noch die neue Identität des Beteiligten enthalten dürfen, Litzenburger in: BeckOK BGB, 66. Ed. 1.5.2023, BeurkG § 10 Rn. 3.
[27] Vgl. S. 52 der Entwurfsbegründung.
[28] Zur Erteilung von Abschriften und Ausfertigungen nach Korrektur einer offensichtlichen Unrichtigkeit i.S.d. § 44a, DNotI-Report 2005, 113 (115).
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