Stellungnahme vom 02.10.2020

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts

Für die Gelegenheit, zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts Stellung zu nehmen, danken wir Ihnen. Wir nehmen diese Gelegenheit im Folgenden gerne wahr, beschränken uns hierbei aber im Wesentlichen auf die für die notarielle Praxis relevanten Gesichtspunkte.

Wir begrüßen das Ziel des Gesetzes, die Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen zu verbessern. Hierfür wird – in Umsetzung der Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie – ein außerhalb des Insolvenzverfahrens angesiedeltes neuartiges Planverfahren eingerichtet, welches deutlich an das Insolvenzplanverfahren angelehnt ist.

Es wäre – wie die Begründung selbst ausführt (s. S. 100) – dabei durchaus möglich gewesen, dieses Verfahren auch als Insolvenzplanverfahren auszugestalten. Die Entscheidung, ein hiervon losgelöstes, stark dem Insolvenzplanverfahren angenähertes eigenständiges Verfahren einzuführen, soll im Grundsatz nicht infrage gestellt werden. Allerdings möchten wir Folgendes anmerken:

I. Zu § 2 Abs. 1 StaRUG-E (drohende Zahlungsunfähigkeit als Anknüpfungspunkt)

Die Entscheidung, auch das Restrukturierungsverfahren an die drohende Zahlungsunfähigkeit anzuknüpfen, wird ausdrücklich begrüßt.[1] Dieses Kriterium ist ein durch die Rechtsprechung bereits hinreichend ausgestalteter,[2] fassbarer, klarer Maßstab für die Frage, wann in ein Restrukturierungsverfahren eingetreten wird.

Das Restrukturierungsverfahren greift einschneidend in Gläubigerrechte ein, indem etwa nach §§ 53 ff. StaRUG-E die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen ermöglicht wird. Weiter sind in §§ 27 f. StaRUG-E wesentlich geringere Mehrheiten für die Annahme eines Restrukturierungsplans notwendig als in §§ 244 ff. InsO. Dies berührt – ebenso wie die Einleitung eines Insolvenzverfahrens – die Gläubiger maßgeblich in ihrem Eigentumsrecht nach Art. 14 GG.[3] Daher ist neben der klaren Definition des Zeitpunkts der Verfahrensreife erforderlich, dass dieser Zeitpunkt nicht zu weit von der Insolvenzreife selbst entfernt ist.[4] Ein weit vor die Insolvenzreife vorverlagerter Zeitpunkt der Verfahrensreife wäre nur schwer fassbar und würde über Gebühr in die Rechte der Gläubiger eingreifen. Ein derart früherer Zeitpunkt wäre zu weiten Teilen spekulativ, zumal jedes Unternehmen einer gewissen Wahrscheinlichkeit unterliegt, in die Zahlungsunfähigkeit zu geraten.

Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen werden durch die im Entwurf vorgesehene Anknüpfung an das Kriterium der drohenden Zahlungsunfähigkeit gewährleistet, wonach in einem Prognosezeitraum von nunmehr zwei Jahren Zahlungsunfähigkeit eintreten muss.

Eine Anknüpfung an die drohende Zahlungsunfähigkeit ist auch richtlinienkonform. Die Richtlinie knüpft in Art. 4 an die „wahrscheinliche Zahlungsfähigkeit“ an. Die Ausfüllung dieses Begriffs ist nach Art. 2 Abs. 2 lit. b der Richtlinie dem jeweiligen nationalen Recht vorbehalten. In Erwägungsgrund 24 wird hierzu allerdings ausgeführt, dass unter „wahrscheinlicher Insolvenz“ ein Zeitpunkt zu verstehen ist, der vor der Insolvenzreife nach nationalem Recht liegt. Dieses „Abstandsgebot“ wird durch die Anknüpfung an die drohende Zahlungsunfähigkeit gewahrt. Denn zum einen gibt Art. 2 Abs. 2 lit. b der Richtlinie den Mitgliedstaaten einige Flexibilität. Zum anderen besteht, anders als bei den Insolvenzgründen der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung bei drohender Zahlungsunfähigkeit, keine Insolvenzantragspflicht, sondern nur ein Insolvenzantragsrecht, § 15a InsO. Das Insolvenzverfahren im Vorfeld der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ist also bereits jetzt – ebenso wie das neue Restrukturierungsverfahren – ein freiwilliges Verfahren. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist damit ein Vorfeldtatbestand zur eigentlichen Insolvenz, der gerade auch in § 270b Abs. 1 Satz 1 InsO als Aufgreifkriterium für die Einleitung des Schutzschirmverfahrens genannt wird.[5] Das in Erwägungsgrund 24 der Richtlinie dargelegte Abstandsgebot dient lediglich dazu, das Restrukturierungsverfahren zeitlich vor dem zwingend einzuleitenden Verfahren als freiwilliges, vorgelagertes Verfahren auszugestalten. Insoweit ist also den diesbezüglichen Ausführungen auf S. 101 ff. der Begründung beizupflichten.

II. Zu § 15 StaRUG-E (Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse)

Die an § 28 GBO angelehnte Formulierung von § 15 StaRUG-E ist – unter der Voraussetzung, dass die Änderung sachenrechtlicher Verhältnisse vom Gesetzgeber überhaupt gewollt ist – folgerichtig.

Der in der Begründung zu § 15 StaRUG-E enthaltenen Äußerung, die Entbehrlichkeit der notariellen Beurkundung bereits im Plan abgegebener Erklärungen führe zu einer Zeit- und Kostenersparnis, kann jedoch aus mehreren Gründen nicht beigetreten werden. Diese werden im Zusammenhang mit Gliederungspunkt IV. näher aufgeführt.

III. Zu §§ 53, 62 StaRUG-E; § 30g ZVG-E (Stabilisierung; Zwangsversteigerung)

Nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie ist sicherzustellen, dass eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen alle Arten von Forderungen einschließlich gesicherter Forderungen erfassen muss. Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten jedoch, bestimmte Forderungen oder Forderungskategorien hiervon auszuschließen, wenn das die Restrukturierung nicht gefährdet oder wenn die Gläubiger dadurch unangemessen beeinträchtigt wären.

In § 53 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG-E sind bisher – mit Ausnahme von Abs. 2 – alle Forderungen von der Möglichkeit umfasst, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu untersagen. Nr. 2 untersagt sodann für bewegliche Sachen die sonstige, nicht mit der Zwangsvollstreckung zusammenhängende Verwertung im Zusammenhang mit insolvenzrechtlichen Ab- oder Aussonderungsrechten.

Es wird dringend angeregt, in § 53 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG vormerkungsgesicherte Forderungen auszunehmen, sodass diese von Stabilisierungsmaßnahmen nicht erfasst sind. Das ist von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie ausdrücklich zugelassen. Diese Anregung begründen wir wie folgt:

  • Die Vormerkung ist ein wesentliches Sicherungsmittel, um bei der Abwicklung von Grundstückskaufverträgen ungesicherte Vorleistungen zu verhindern. Würden auch vormerkungsgesicherte Ansprüche von einem Moratorium erfasst, verzögerte dies den Vollzug eines Kaufvertrags um bis zu zwölf Monate. Dies schmälert die Verkehrsfähigkeit von Grundstücken in großem Maße. Das gilt umso mehr, als die Eintragung der Vormerkung in der Regel Fälligkeitsvoraussetzung für die Zahlung des Kaufpreises ist, sodass der durch ein Moratorium hinsichtlich des vormerkungsgesicherten Anspruchs ausgelöste Verzögerungsschaden zu einem Zeitpunkt eintreten kann, in dem die Gegenleistung schon erbracht wurde. Dies widerspricht diametral dem Charakter der Vormerkung als insolvenzfestes Sicherungsmittel, wie er aus § 106 InsO zum Ausdruck kommt. Das gilt umso mehr, als im Falle eines „echten“ Insolvenzverfahrens ein Vormerkungsgläubiger so zu stellen ist, als wenn kein Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre,[6] sodass auch das Vollstreckungsmoratorium des § 90 InsO nicht greifen dürfte. Vormerkungsgesicherte Gläubiger stünden im Restrukturierungsverfahren somit schlechter als im Insolvenzverfahren.
  • Rechte, die im Grundbuch gesichert sind, sieht unsere Rechtsordnung als besonders schützenswert an. Zum einen hat die Vormerkung gem. § 106 InsO besondere Vorrechte im Rahmen der Insolvenz. Dies gilt freilich teilweise auch für gewisse Rechte an beweglichen Sachen. Hinzu kommt jedoch, dass die Eintragung im Grundbuch besonders strengen Voraussetzungen unterliegt, u.a. dem Bewilligungsgrundsatz nach § 19 GBO, dem Nachweisgrundsatz nach § 29 GBO oder dem Prinzip der Vier-Augen-Kontrolle durch Notar und Grundbuchamt, das u.a. in § 15 Abs. 3 GBO zum Ausdruck kommt. Ein Moratorium wäre mit dieser Sonderstellung nicht vereinbar.

Zudem plädieren wir dafür, Forderungen aus Grundpfandrechten und aus Reallasten sowie durch Grundpfandrechte und Reallasten gesicherte Forderungen von § 53 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG auszunehmen:

  • Grundschuldgläubiger unterliegen durch die sechsmonatige Kündigungsfrist des § 1193 Abs. 1 BGB ohnehin einer Art „Moratorium“. Der Mehrwert eines zusätzlichen Moratoriums im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens ist daher je nach Einzelfall ggf. gering. Ein zusätzliches Moratorium im Rahmen des Re-strukturierungsverfahrens könnte die Zwangsvollstreckung aus einer Grundschuld über Gebühr gefährden. Zumindest sollte klargestellt werden, dass die Kündigungsfrist des § 1193 BGB und die Moratoriumsfrist parallel laufen können.
  • Der hohe Sicherungsgrad grundbuchrechtlich abgesicherter Forderungen führt dazu, dass Grundbuchgläubiger ihre Forderungen ohnehin durchsetzen können. Vor dem Hintergrund des Eigentumsrechts der Gläubiger ist die Aussetzung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen insoweit unverhältnismäßig.
  • Auch Grundpfandrechte und Reallasten sieht unsere Rechtsordnung gem. § 49 InsO als besonders schützenswert an.

Alternativ dazu könnte zumindest geregelt werden, dass die Belange von im Grundbuch gesicherten Gläubigern bei der Anordnung eines Moratoriums nach § 53 StaRUG besondere Berücksichtigung finden müssen. Dies ist nämlich bisher weder bei § 53 StaRUG-E noch bei den Beendigungsgründen des § 63 StaRUG der Fall.

Zumindest wird angeregt, in § 30g ZVG-E eine Regelung aufzunehmen, wonach im Rahmen der Zwangsversteigerung die Belange der Gläubiger besondere Berücksichtigung finden müssen. Dies sieht nach aktueller Rechtslage auch § 30d Abs. 1 Satz 2 ZVG für den Fall eines Insolvenzverfahrens, insbesondere eines Insolvenzplanverfahrens, vor.

IV. Zu §§ 72, 19, 22 StaRUG-E (Sonstige Wirkungen des Restrukturierungsplans; Form von Planannahme und Planabstimmung)

§ 72 StaRUG-E begegnet erheblichen Bedenken, die großenteils mit den Bedenken zum bereits jetzt bestehenden, weitgehend wortlautgleichen § 254a InsO übereinstimmen.[7]

1. Systemfremdheit

Die in § 254a InsO und in § 72 StaRUG-E geregelte Formfiktion ist in ihrer Ausgestaltung singulär und dem deutschen Rechtssystem insgesamt systemfremd. In der InsO sind – außer der gerichtlichen Bestätigung – keine weiteren Formvorschriften für den Insolvenzplan selbst geregelt. Nur das im Vorfeld zu beachtende Verfahren ist näher geregelt, so etwa die Zustimmung durch eine bestimmte Gläubigermehrheit in § 244 InsO sowie Anhörungsrechte Beteiligter in § 248a Abs. 2 InsO. Der Insolvenzplan selbst wird jedoch in der Regel privatschriftlich durch den Insolvenzverwalter unterschrieben.[8] Damit stellt der Insolvenzplan, wenn er Willenserklärungen Beteiligter enthält, eine Art „Tatsachenzeugnis“ des Insolvenzverwalters über deren abgegebene Erklärungen ab. Im StaRUG-E ist für die Annahme des Restrukturierungsplans ebenfalls keine Form vorgeschrieben, vielmehr kann die Schuldnerin selbst die Form für die Annahme bestimmen, § 19 Abs. 4 StaRUG-E. Hinzu kommt, dass gem. § 22 Abs. 2 StaRUG-E auch eine „elektronische Teilnahme“ an der Abstimmungsversammlung ermöglicht wird – ohne das diesbezügliche Verfahren näher zu regeln.

Dass der Restrukturierungsplan gem. § 72 StaRUG-E die notarielle Beurkundung ersetzen soll, ist – ebenso wie bei § 254a InsO – nicht einsichtig und stark kritikwürdig. Gegenüber der Beurkundung nach §§ 6 ff. BeurkG weist dieses Verfahren deutliche Defizite auf. Dies beginnt damit, dass keine besonderen Identifizierungspflichten hinsichtlich der Beteiligten bestehen. Dies wäre im Rahmen einer nicht näher bestimmten elektronischen Teilnahme der Planbetroffenen oftmals auch gar nicht leistbar. Eine zuverlässige Identifizierung der Beteiligten ist aber für einen rechtssicheren und ordnungsgemäßen Rechtsverkehr elementar, insbesondere was dingliche Rechtsgeschäfte angeht, weil diese die Zuordnung von Rechten an Rechtssubjekten direkt verändern. Nur eine sichere Identifikation – einschließlich der Berücksichtigung eventueller Vollmachtskonstruk-tionen – lässt eine zuverlässige Zurechnung der Erklärungen von Beteiligten an bestimmte Rechtssubjekte zu, führt zu einer erhöhten Beweisbarkeit und dient nicht zuletzt der Geldwäscheprävention.

Weiter sind die Beteiligten im Restrukturierungsverfahren, anders als in § 13 BeurkG, nicht gehalten, die Urkunde zu unterschreiben. Schließlich existiert beim Restrukturierungsverfahren im Gegensatz zum notariellen Verfahren auch kein neutraler, unpartei-ischer Berater der Beteiligten, der deren Interessen in angemessenen Ausgleich bringt, für materielle Richtigkeit der Rechtsgeschäfte sorgt und benachteiligte Beteiligte schützt. Dass dieses Verfahren die Beurkundung nach §§ 6 ff. BeurkG ersetzen soll, ist systemfremd und überzeugt daher nicht. Insbesondere kann die Ersetzung beurkundungsbedürftiger Erklärungen durch Erklärungen im Restrukturierungsplan Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen.

2. Nachteilige Auswirkungen auf den Grundbuch- und Registerverkehr

Dies gilt erst recht deshalb, weil der Insolvenz- bzw. Restrukturierungsplan auch als Grundlage für Register- und Grundbucheintragungen dienen soll. Grundbuch und Register in Deutschland sind mit öffentlichem Glauben ausgestattet. Dies erfordert ein besonders hohes Niveau an Richtigkeit der zur Anmeldung eingereichten Erklärungen. Ein Restrukturierungsplan wird diesem hohen Niveau nicht gerecht. Bereits aufgrund fehlender Identifizierungspflichten und weil keine materielle Richtigkeitsgewähr durch einen neutralen Sachwalter erfolgt, sind im Rahmen des Grundbuch- und Registerverkehrs deutliche Verwerfungen zu erwarten. Die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans, wie sie § 72 StaRUG-E für den Formersatz fordert, ist kein gleichwertiger Ersatz für eine notarielle Beurkundungsverhandlung. Denn das Restrukturierungsgericht hat nach § 67 StaRUG-E nur einen Numerus Clausus an Versagungsgründen zu beachten, während der Notar die Gewähr für die materielle Richtigkeit der Erklärung zu übernehmen hat. Im Grundbuch- und Registerverkehr prüft der Notar außerdem die entsprechenden Vorlagen gem. § 15 Abs. 3 GBO und § 378 Abs. 3 FamFG auf Eintragungsfähigkeit, was zu einer deutlichen Entlastung der Grundbuchämter und Registergerichte führt.

3. Nachteilige Auswirkungen auf dingliche Zuordnungen

Bei dinglichen Erklärungen im Insolvenz- bzw. Restrukturierungsplan besteht die Gefahr, dass – wie unten näher ausgeführt – irreversible Nachteile eintreten, wenn der Gegenstand der dinglichen Erklärungen unrichtig bezeichnet wird. Demgegenüber ist es ratsam, die dingliche Seite des Insolvenz- bzw. Restrukturierungsplans von Notaren als erfahrenen Spezialisten ausführen zu lassen. Im Rahmen des Insolvenz- bzw. Restrukturierungsplans wird das Augenmerk in der Regel auf wirtschaftliche und nicht auf rechtliche Gesichtspunkte gelegt. Eine gerichtliche Bestätigung kann dies ebenfalls nicht leisten, schon weil gem. § 67 StaRUG-E lediglich ein Numerus Clausus an Versagungsgründen besteht.

Insbesondere sind mit § 72 StaRUG-E (ebenso wie mit § 254a InsO) folgende Risiken verbunden:[9]

  • Die Verfügungsgegenstände müssen nach dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genau bezeichnet werden, sonst ist die Übertragung nichtig.
  • Im Fall eines debt equity swap muss klar sein, welche Gläubigerforderungen davon erfasst sind.
  • Bei unklarer Bezeichnung der vom Restrukturierungsplan erfassten Vermögensbestandteile kann dies gravierende Probleme bei der Umschreibung von Vollstreckungstiteln und Grundpfandrechten nach sich ziehen.
  • Im Falle einer Ausgliederung (etwa auf eine bad bank) muss klar sein, welche Forderungen hiervon erfasst sind.

Der Evaluierungsbericht zum ESUG verhält sich zu § 254a InsO insoweit nicht. Vielmehr wurde eine Frage nach positiven oder negativen Auswirkungen des § 254a InsO nicht gestellt.

Aus dem Evaluierungsbericht lässt sich allerdings herauslesen, dass sich Maßnahmen, welche unter § 254a InsO fallen, keiner besonderen Beliebtheit in der Praxis erfreuen. So wird ausdrücklich dargelegt, dass von der Möglichkeit, über einen Insolvenzplan in die Rechtsstellung von Gesellschaftern einzugreifen, in eher geringem Maße Gebrauch gemacht wurde; zudem wurde auch die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital in eher geringem Maße genutzt.[10] Die Hauptanwendungsgebiete von § 254a InsO, also Kapitalmaßnahmen und insbesondere debt equity swaps, wurden in der Praxis ebenfalls kaum genutzt.

Nach alldem regen wir an, den Regelungsgehalt sowohl von § 72 StaRUG als auch von § 254a InsO zumindest dahingehend einzuschränken, dass lediglich schuldrechtliche Erklärungen im Plan von der formersetzenden Funktion umfasst sind. Die dinglichen Erklärungen sollten hingegen der notariellen Beurkundung vorbehalten sein.[11]

V. Zu § 925 BGB-E (Auflassung)

Dass der Restrukturierungsplan in § 925 Abs. 1 Satz 3 BGB-E aufgenommen ist, erscheint aus hiesiger Sicht – sollte § 72 StaRUG-E entgegen unserer vorstehenden Ausführungen nicht noch eine Änderung erfahren – hingegen folgerichtig.

VI. Zu §§ 18, 19 InsO-E (Prognosezeiträume bei drohender Zahlungsunfähigkeit und bei Überschuldung)

Die geplante Einführung von gesetzlichen Regelzeiträumen für die Prognose der drohenden Zahlungsunfähigkeit bzw. der Fortführungschancen bei der Überschuldung ist zu begrüßen; führt sie doch – zumindest im zweiten Jahr der Betrachtung – zu einer weitgehenden Entkoppelung der drohenden Zahlungsunfähigkeit vom Insolvenzgrund der Überschuldung.

Abschließend sei noch auf die Entscheidung eingegangen, im Gesetzentwurf das generische Femininum zu verwenden. Nach unserer Einschätzung schießt die Verwendung des generischen Femininums über das Ziel hinaus, eine geschlechtergerechte Sprache zu erreichen. Es ist nicht Aufgabe der Gesetzgebungssprache, eine im allgemeinen Sprachgebrauch (noch) nicht verankerte grammatikalische Sonderkonstruktion zu manifestieren.

Wenn die Nachteile verhindert werden sollen, die das bisher verwendete generische Maskulinum ggf. mit sich bringt, wäre es trotz der damit verbundenen schlechteren Lesbarkeit sachgerechter, sowohl die weibliche als auch die männliche Form zu verwenden. Zumindest aber sollte im Rahmen der Begründung noch festgestellt werden, dass – auch an Stellen, an denen dies nicht durch eine Legaldefinition abgebildet ist – feminine Begriffe auch maskuline Betroffene umfassen, um eventuellen Auslegungsschwierigkeiten zu begegnen. Ferner wird das generische Femininum insoweit nicht konsequent durchgehalten, als weiterhin etwa von „Gläubigerinteressen“, „Gesellschafterversammlung“ etc. die Rede ist.

 

[1] Ebenso – zur Frage der Richtlinienumsetzung – Dahl/Linnenbrink, NZI-Beilage 2019, 45, 46.

[2] Vgl. etwa BGH, BeckRS 2015, 06445; BGH, NZI 2010, 698; BGH, NZI 2014, 259; BGH, NZI 2013, 129.

[3] Vgl. etwa Gundlach/Frenzel/Strandmann, NZI 2008, 461 ff.

[4] Ebenso Dahl/Linenbrink, NZI-Beilage 2019, 45, 46; Kern, NZI-Beilage 2019, 18.

[5] Freitag, ZIP 2019, 541, 546.

[6] Vgl. etwa Balthasar, in: Nerlich/Römermann, InsO, 41. EL 2018, § 106 InsO, Rn. 13.

[7] Vgl. dazu bereits die Stellungnahme der Bundesnotarkammer zum Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 14.09.2010, die diesem Schreiben als Anlage beigefügt ist.

[8] Vgl. etwa Breuer, in: Breuer, Insolvenzrechts-Formularbuch, 3. Aufl. 2007, D.2.

[9] Vgl. hierzu insbesondere Bormann, NZI 2011, 892, 895.

[10] So ausdrücklich die Evaluierung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7. Dezember 2011, https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/Artikel/101018_Gesamtbericht_Evaluierung_ESUG.pdf;jsessionid=1145A163FAB68B37517B8ACC821502FC.2_cid324?__blob=publicationFile&v=2 [zuletzt aufgerufen am 28.09.2020], S. 25.

[11] So bereits die Stellungnahme der Bundesnotarkammer zum Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 14.09.2010, die diesem Schreiben als Anlage beigefügt ist.




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