Stellungnahme vom 29.11.2024

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung aufsichtsrechtlicher Verfahren des Rechts der rechtsberatenden Berufe sowie zur Änderung weiterer Vorschriften

Zusammenfassung:

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung aufsichtsrechtlicher Verfahren des Rechts der rechtsberatenden Berufe sowie zur Änderung weiterer Vorschriften enthält verschiedene Änderungen im Berufsrecht der rechtsberatenden Berufe. Die Stellungnahme der Bundesnotarkammer beschränkt sich auf die darin enthaltenen Regelungen, die einen Bezug zum notariellen Berufsrecht aufweisen.

Der Referentenentwurf erscheint insoweit insgesamt gelungen. Hinsichtlich der Neuregelung der Verwahrung von und der Einsichtnahme in notarielle Urkunden und Verzeichnisse, die über 100 Jahre alt sind, regen wir einzelne Anpassungen an (A.). Hinsichtlich der in § 21 NotAktVV-E vorgesehenen Anpassung des Wortlauts kommt eine Klarstellung dahingehend in Betracht, dass auch weiterhin in das Verwahrungsverzeichnis nur Wertgegenstände einzutragen sind, die nach § 23 BNotO in amtliche Verwahrung genommen werden (B.). Mit Blick auf die technische Behandlung von Berufsausübungsgesellschaften und die elektronische Notarvertreterbestellung regen wir eine Anpassung des für die Führung des Notarverzeichnisses maßgeblichen § 78l BNotO an (C.). Hinsichtlich der vorgesehenen Anpassung in § 207a Abs. 1 Nr. 3 BRAO ergibt sich nur eine punktuelle Anmerkung (D.).

Im Einzelnen:

A. Verwahrung von und Einsichtnahme in über 100 Jahre alte notarielle Urkunden und Verzeichnisse

Die vorgesehenen Änderungen hinsichtlich der Verwahrung von notariellen Urkunden und Verzeichnissen, die über 100 Jahre alt sind, verfolgen das Ziel, die Aufbewahrung dieser Dokumente grundsätzlich auch dann in die Verantwortung der Landesarchive zu übergeben, wenn die entsprechenden Urkunden und Verzeichnisse vor dem 1. Januar 1950 erstellt wurden. In der Folge soll die Einsichtnahme in diese von den Landesarchiven verwahrten Urkunden und Verzeichnisse künftig nach den Archivgesetzen der Länder erfolgen. Gegen die vorgeschlagenen Regelungen bestehen aus Sicht der Bundesnotarkammer keine Bedenken. Insbesondere ist durch die vorgesehene Ausgestaltung von § 120 Abs. 1 Satz 3 BNotO-E sichergestellt, dass die Belange der Rechtspflege gewahrt sind. Kleinere Anpassungen scheinen nur mit Blick auf die nach § 120 Abs. 1 Satz 5 BNotO-E bestehende Übergangszeit bis zum 1. Januar 2029 erforderlich.

I. Angebot zur Übernahme der betroffenen Urkunden und Verzeichnisse

Die in § 51 NotAktVV-E vorgesehene 100-jährige Aufbewahrungsfrist auch für Urkunden, die vor dem 1. Januar 1950 errichtet wurden, soll am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Die Pflicht, die betroffenen Unterlagen dem zuständigen öffentlichen Archiv zur Übernahme anzubieten, besteht nach § 120 Abs. 1 Satz 5 BNotO-E erst zum 1. Januar 2029. Hierdurch soll eine hinreichende Übergangsfrist geschaffen werden, um die betroffenen Unterlagen herauszusuchen, Vereinbarungen zwischen den Landesjustiz- und Landesarchivverwaltungen zu treffen und erforderlichenfalls auch archivrechtliche Bestimmungen anzupassen (S. 133 des Referentenentwurfs).

Sofern § 120 Abs. 1 Satz 5 BNotO-E dahingehend verstanden werden soll, dass die Übergabe der über 100 Jahre alten Urkunden den jeweils zuständigen öffentlichen Archiven erstmalig zum Stichtag des 1. Januar 2029 angeboten werden darf, sollte auch das Inkrafttreten der in § 51 NotAktVV-E vorgesehenen Anpassung der Aufbewahrungsfrist für den 1. Januar 2029 vorgesehen werden. Andernfalls würde im Übergangszeitraum der bislang nicht gesetzlich vorgesehene Widerspruch bestehen, dass die Notarinnen und Notare Akten und Verzeichnisse aufbewahren würden, obwohl deren gesetzliche Aufbewahrungsfrist bereits abgelaufen ist. Ein Gleichlauf des Inkrafttretens des § 51 NotAktVV-E mit dem in § 120 Abs. 1 Satz 5 BNotO-E vorgesehenen Datum würde hierdurch entstehende Unsicherheiten vermeiden.

Sofern § 120 Abs. 1 Satz 5 BNotO-E hingegen dahingehend verstanden werden soll, dass das Angebot der Übergabe der über 100 Jahre alten Urkunden an die jeweils zuständigen öffentlichen Archive spätestens zum 1. Januar 2029 erfolgen muss, wäre in dem Übergangszeitraum bis zum 1. Januar 2029 ein vorheriges Angebot der Übernahme der Akten und Verzeichnisse, deren Aufbewahrungsfrist bis dahin abgelaufen ist, an die jeweils zuständigen öffentlichen Archive nach § 120 Abs. 1 Satz 1 BNotO denkbar. Dies käme bspw. in Frage, wenn die vom Entwurf antizipierten Schritte – Heraussuchen der betroffenen Unterlagen, Vereinbarungen zwischen den Landesjustiz- und Landesarchivverwaltungen und ggf. erforderliche Anpassung der archivrechtlichen Bestimmungen – bereits vor dem 1. Januar 2029 vollzogen werden können und wäre zur Vermeidung von Belastungsspitzen bei den Notarinnen und Notaren sowie in der Verwaltung dienlich, die andernfalls zum 1. Januar 2029 drohen würden. Wenn solche Angebote zur Übernahme der Akten und Verzeichnisse während der laufenden Übergangszeit vom Gesetzesentwurf umfasst sein sollen, müsste zur Vermeidung unnötiger Bürokratie noch vorgesehen werden, dass in diesen Fällen bei einer Ablehnung der Übernahme durch die Archivbehörden auch die Vernichtung der Akten und Verzeichnisse, deren Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist (bzw. das in § 120 Abs. 1 Satz 3 BNotO-E vorgesehene Verfahren) bereits vor dem 1. Januar 2029 erfolgen kann.

II. Einsichtnahme in die betroffenen Urkunden und Verzeichnisse bis zum 1. Januar 2029

Durch die Änderung des § 18a BNotO soll sich auch die Einsichtnahme in über 100-jährige Akten und Verzeichnisse, soweit diese durch die Landesarchive aufbewahrt werden, künftig nach den Archivgesetzen der Länder richten (S. 126f. des Referentenentwurfs). Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Wenn auf solche Akten und Verzeichnisse, die von den Landesarchiven aufbewahrt werden, das archivrechtliche Einsichtsrecht Anwendung findet, kann der angestrebte Zugang für Verwaltung und Heimatforscher erreicht werden. Gleichzeitig kann vermieden werden, dass die jeweilige verwahrende Stelle hinsichtlich des Einsichtsrechts innerhalb des von ihr verwahrten Bestandes zwischen Dokumenten unterscheiden muss, bei denen sich das Einsichtsrecht nach den §§ 18a ff. BNotO richtet und solchen, bei denen Archivrecht Anwendung findet. Eine solche Unterscheidung würde sowohl bei den Notarinnen und Notare wie auch bei der Verwaltung zu einem erheblichen und vermeidbaren bürokratischen Mehraufwand führen.

Indem § 18a Abs. 1 Satz 2 BNotO-E vorsieht, dass sich der Zugang zu den Inhalten über 100-jähriger notarieller Urkunden und Verzeichnisse generell nach den archivrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Landes richtet, entsteht das Risiko eines solchen Mehraufwandes, wenn bspw. ein Einsichtnahmeersuchen hinsichtlich einer Urkunde vorliegt, die zwar bereits über 100 Jahre alt ist, die aber noch nicht von dem jeweils zuständigen Archiv übernommen wurde. Die Anwendung von Archivrecht auf notariell zu verwahrende Urkunden würde neben dem bürokratischen Mehraufwand zudem zu einer Rechtszersplitterung führen, die in dieser Weise im notariellen Berufsrecht, das im Grundsatz bundeseinheitlich geregelt ist, bislang aus guten Gründen nicht vorkommt. Die Archivgesetze der Länder weisen teil erhebliche Unterschiede auf in Bezug auf die Einsichtsvoraussetzungen sowie auf Sperr- und Schutzfristen. Auch das Landesarchivgebührenrecht ist nicht auf die Verwahrung durch Notarinnen und Notare zugeschnitten. Dies könnte dadurch vermieden werden, dass § 18a Abs. 1 Nr. 2 BNotO weiterhin auf Urkunden und Verzeichnisse abstellt, die älter als 70 Jahre sind und zusätzlich verlangt, dass sich das entsprechende Dokument noch in notarieller Verwahrung befindet.

B. Klarstellung in § 21 NotAktVV-E

Die Verwahrungsvorschrift des § 23 BNotO wird in dem vorliegenden Referentenentwurf sprachlich angepasst, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung verbunden sein soll (S. 128 des Referentenentwurfs). Bei der entsprechenden Änderung des § 21 NotAktVV-E handelt es sich um eine Folgeänderung, mit der ebenfalls keine inhaltliche Änderung verbunden sein soll (S. 133 des Referentenentwurfs).

Anders als bislang soll in § 21 NotAktVV-E kein Verweis auf § 23 BNotO mehr enthalten sein, sondern generell auf Verwahrungsmassen abgestellt werden, die zur Verwahrung entgegengenommen werden. Sprachlich kann der neu gefasste § 21 NotAktVV-E ggf. dahingehend missverstanden werden, dass auch nach § 24 BNotO in Verwahrung genommene Gegenstände, die keine Wertgegenstände im Sinne des § 23 BNotO sind, in das das Verwahrungsverzeichnis aufzunehmen wären. Dies betrifft etwa entgegengenommene USB-Sticks und Schriftstücke, aber auch zur treuhänderischen Verwahrung entgegengenommene Löschungsunterlagen bei Grundschulden (Sander, in: BeckOK BNotO, 10. Ed. 1.8.2024, § 24 Rn. 42).

Da eine Erweiterung der in das Verwahrungsverzeichnis aufzunehmenden Gegenstände weder intendiert noch erforderlich ist, könnte hierauf in der Begründung zu § 21 NotAktVV-E gesondert hingewiesen werden.

C. Änderung von § 78l BNotO

Um den Verwaltungsaufwand bei der Betreuung von Berufsausübungsgemeinschaften zu verkleinern und um die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, die Notarvertreterbestellung weiter zu digitalisieren, erscheinen zwei Anpassungen in § 78l Abs. 3 BNotO sinnvoll.

I. Einfachere Verwaltung von Berufsausübungsgemeinschaften

Für verschiedene Verwaltungsaufgaben der Notarkammern sowie der Bundesnotarkammer ist die Information erforderlich, ob sich eine Notarin oder ein Notar nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BNotO bzw. nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BNotO zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden hat. Im Notarverzeichnis wird dies bislang nicht erfasst. Die Zugehörigkeit der Notarinnen und Notare zu einer Berufsausübungsgemeinschaft wird daher bislang jährlich von der Bundesnotarkammer bei den Notarinnen und Notaren einzeln abgefragt, die Namen, Zusammensetzung und Anschrift der Berufsausübungsgemeinschaft an die Bundesnotarkammer zurückmelden.

Um diesen Aufwand künftig zu vermeiden, könnte § 78l Abs. 3 BNotO dahingehend erweitert werden, dass auch die Zugehörigkeit einer Notarin oder eines Notars zu einer Berufsausübungsgemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 1, Abs. 2 BNotO sowie die Daten der Berufsausübungsgemeinschaft im Notarverzeichnis erfasst werden.

II. Weitere Digitalisierung der Notarvertreterbestellung

Die Bestellung einer Notarvertreterin oder eines Notarvertreters kann gemäß § 40 Abs. 1, § 64c BNotO an ein besonderes elektronisches Notarpostfach sowie gemäß § 64a BNotO i.V.m. § 3a Abs. 1, Abs. 2 VwVfG per E-Mail versendet werden. Damit die Aufsichtsbehörde die Vertreterbestellung auf diesem Wege bekanntgeben kann, muss sie wissen, an welches Postfach oder an welche E-Mail-Adresse sie diese versenden kann. Die hierfür maßgeblichen Informationen werden bislang nicht im Notarverzeichnis vorgehalten.

Um die weitere Digitalisierung der Notarvertreterbestellung zu ermöglichen, könnte § 78l Abs. 3 BNotO dahingehend erweitert werden, dass neben den Telekommunikationsdaten, die der Notar oder Notariatsverwalter mitgeteilt hat (§ 78l Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BNotO) auch das besondere elektronische Notarpostfach oder die E-Mail-Adresse einzutragen sind, die die Notarvertreterin oder der Notarvertreter mitgeteilt hat.

D. Änderung von § 207a Abs. 1 Nr. 3 BRAO

Die vorgesehene Änderung von § 207a Abs. 1 Nr. 3 BRAO soll Problemen der Verwaltung bei der Zulassung anwaltlicher Berufsausübungsgesellschaften begegnen, die ihren Sitz außerhalb der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums haben (S. 58 und 101 des Referentenentwurfs). Die vorgesehene Änderung hat weder Auswirkungen auf inländische Notarinnen und Notare noch führt sie zu Befugnissen ausländischer Notarinnen und Notare in Deutschland (S. 102 des Referentenentwurfs).

Unabhängig davon, ob für die in § 207a Abs. 1 Nr. 3 BRAO-E vorgesehene Ergänzung ein praktischer Bedarf besteht, sollte zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die in § 59c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BRAO vorgesehene Einschränkung, wonach die Verbindung zur Berufsausübung mit der Stellung der deutschen Rechtsanwältin oder des deutschen Rechtsanwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege vereinbar sein muss und das Vertrauen in die anwaltliche Unabhängigkeit nicht gefährden darf, auch in § 207a Abs. 1 Nr. 3 BRAO-E vorgesehen werden.




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