Stellungnahme vom 13.01.2021

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG)

Vielen Dank für die Übersendung des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) und die Gelegenheit zur Stellungnahme, die wir gerne wahrnehmen.

Die Bundesnotarkammer begrüßt den vorliegenden Entwurf des DiRUG ausdrücklich und sieht darin einen rundum gelungenen Beitrag zur Digitalisierung in der Justiz. Insbesondere verdeutlicht der Entwurf, dass auch komplizierte hoheitliche Verfahren mit höchsten Sicherheitsanforderungen digitalisiert werden können, ohne die bewährten Verfahrensstandards aufzuweichen oder Einbußen bei den gerade in unserer Rechtsordnung vielfältigen materiell-rechtlichen Gestaltungsoptionen des Gesellschaftsrechts hinzunehmen.

Wir werden uns in dieser Stellungnahme auf die Themen mit notariellem Bezug beschränken und dabei zunächst auf wesentliche Grundentscheidungen des Entwurfs eingehen (A.), uns anschließend mit einigen Einzelfragen des Entwurfs auseinandersetzen (B.) und abschließend ergänzende Vorschläge unterbreiten (C.).

A. Grundentscheidungen

I. Notarielles Online-Verfahren

Die Bundesnotarkammer begrüßt die Einführung eines notariellen Online-Verfahrens für GmbH-Gründungen und Handelsregisteranmeldungen.

Die Digitalisierungsrichtlinie[1] ermöglicht es den Mitgliedstaaten ausdrücklich, bei der Ausgestaltung des digitalen Gründungsverfahrens Notarinnen und Notare umfassend einzubinden. Denn auch der europäische Gesetzgeber hat die Vorzüge des bewährten Systems der vorsorgenden Rechtspflege – insbesondere das eingespielte Zusammenwirken von Notarinnen und Notaren mit Registergerichten – erkannt.

Auch den Regierungsparteien war und ist es ein zentrales Anliegen, die Sicherheit und Qualität öffentlicher Register bei der Einführung des Online-Verfahrens zu bewahren und zu schützen; so heißt es bereits im Koalitionsvertrag: „Bei Onlineregistrierungen von Gesellschaften setzen wir uns – auch auf europäischer Ebene – für effektive präventive Kontrollen und zuverlässige Identitätsprüfungen ein, um die Richtigkeit der Eintragungen und den Vertrauensschutz öffentlicher Register zu gewährleisten; einfache Online-Anmeldungen lehnen wir ab“.[2]

Durch die Regelungen des Referentenentwurfs werden diese Ziele konsequent umgesetzt und mit den Vorgaben aus der Digitalisierungsrichtlinie in Einklang gebracht. Zugleich wird ein modernes, sicheres und bürgernahes notarielles Online-Verfahren geschaffen.

Notarinnen und Notare sind unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes und üben in dieser Funktion eine präventive Rechtskontrolle aus. Dies dient dem Schutz unerfahrener, ungewandter Beteiligter vor rechtlicher Benachteiligung und gewährleistet Rechts- und Beweissicherheit zum Zweck späterer Streitvermeidung. Die präventive Rechtskontrolle der Notarinnen und Notare hat gegenüber der richterlichen Streitentscheidung eine echte Komplementärfunktion. Gerade im Gesellschaftsrecht mit seinen zahlreichen und rechtlich komplexen Gestaltungsmöglichkeiten und seiner hohen Streitanfälligkeit muss gewährleistet sein, dass die gewählten Regelungen uneingeschränkt wirksam sind und dem Willen der Beteiligten entsprechen.

Durch den Referentenentwurf wird das bewährte Beurkundungsverfahren konsequent in die digitale Welt transferiert. Die Videokonferenz mit dem Notar stellt sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger dieselbe fachliche Beratung nebst Belehrungen und Hinweisen erhalten wie im analogen Verfahren. Die sichere notarielle Identifizierung mittels eID und Lichtbild (dazu nachfolgend unter II.) trägt maßgeblich zur Bekämpfung von Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Insolvenzstraftaten sowie banden- und gewerbsmäßigen Betrug bei und stellt sicher, dass die in den öffentlichen Registern enthaltenen Daten valide sind. Schließlich unterzeichnen alle Beteiligten die elektronische Urkunde durch qualifizierte elektronische Signaturen des höchsten Sicherheitsstandards (dazu nachfolgend unter III.), die ihnen von der Bundesnotarkammer zur Verfügung gestellt werden.

II. Sichere Identifizierung

Besonders positiv hervorzuheben ist die im Referentenentwurf vorgesehene sichere Identifizierung aller Beteiligten, indem Notarinnen und Notare das Lichtbild aus dem Chip des Personalausweises auslesen.

Als Trägerinnen und Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 BNotO) nehmen Notarinnen und Notare originäre Staatsaufgaben wahr und handeln damit stets hoheitlich. So führt auch das Bundesverfassungsgericht in seiner ständigen Rechtsprechung aus, dass „der Notar […] wegen der von ihm zu erfüllenden Aufgaben der vorsorgenden Rechtspflege, die originäre Staatsaufgaben sind, dem Richter nahe [stehe]“.[3] Notarinnen und Notare nehmen damit – gewissermaßen als „Richter im Vorfeld“ – Aufgaben wahr, die der Gesetzgeber auch den staatlichen Gerichten vorbehalten könnte.[4]

Notarinnen und Notare sind nach § 10 Absatz 2 BeurkG verpflichtet, die Identität der Beteiligten festzustellen. Es ist folglich eine Amtspflicht der Notarinnen und Notare, sich durch ihre persönliche Wahrnehmung von der Identität eines jeden Beteiligten zu überzeugen. Notarinnen und Notare bestätigen in ihren Urkunden amtlich, dass es sich bei den handelnden Personen tatsächlich um diese handelt. Gleiches gilt für die Feststellung der Geschäftsfähigkeit der Beteiligten sowie für die Sicherstellung deren freier Willensbildung. Die nähere Ausgestaltung des Identifizierungsverfahrens obliegt der Notarin oder dem Notar als „Herren“ des Verfahrens, ähnlich der freien Beweiswürdigung durch den Richter. Die Notarin oder der Notar hat bei der Identifizierung besondere Sorgfalt (§ 26 Absatz 1 DONot), nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs[5] sogar „äußerste Sorgfalt“, anzuwenden.

Der amtlichen Feststellung der Notarinnen oder Notare über die Identität der Beteiligten kommt im Rechtsverkehr eine ganz besondere Bedeutung zu. Sie wird zum Teil der Urkunde und begründet nach § 415 ZPO den vollen Beweis vor Gericht. Dies bedeutet, dass die in der notariellen Urkunde enthaltene Identitätsfeststellung der freien richterlichen Beweiswürdigung entzogen ist und damit vom Richter grundsätzlich als wahr hingenommen werden muss. Dieser Umstand hat besondere Bedeutung bei Urkunden, die der Vorlage bei staatlichen Registern, z. B. dem Handelsregister, dienen. Denn die notarielle Identitätsfeststellung in der jeweiligen Urkunde und in den öffentlich beglaubigten Anmeldungen wird im Rahmen des Eintragungsverfahrens von den Registergerichten ohne weitere Prüfung übernommen (vgl. § 12 Absatz 1 HGB). Die Registergerichte haben insbesondere keine Möglichkeit, eine eigene Identitätsfeststellung vorzunehmen. Sind Tatsachen einmal im Handelsregister eingetragen, genießen sie nach § 15 HGB öffentlichen Glauben, d. h. sie gelten im Rechtsverkehr grundsätzlich als richtig.

Eine fehlerhafte Identifizierung kann enorme Schäden nicht nur für die unmittelbar Beteiligten, sondern auch für die Allgemeinheit nach sich ziehen. So müssen Gesellschafterinnen und Gesellschafter sicher sein können, dass ihre Mitgesellschafterinnen und Mitgesellschafter auch tatsächlich die Personen sind, für die sie sich ausgeben. Insbesondere bei der Beteiligung von juristischen Personen und Personengesellschaften als Gesellschafterinnen muss feststehen, dass die handelnde Person auch tatsächlich vertretungsbefugt ist. Dies kann aber nur gelingen, wenn deren Identität zweifelsfrei durch die Notarin oder den Notar überprüft und mit einem Handelsregisterauszug abgeglichen werden kann. Gleiches gilt für Handelsregisteranmeldungen, bei denen eine fehlerhafte Identifizierung zu fehlerhaften Eintragungen im Handelsregister führen kann, was aufgrund des öffentlichen Glaubens des Handelsregisters gem. § 15 HGB schwerwiegende Schäden für die betroffenen Gesellschaften und Personen nach sich ziehen kann. Das Phänomen des Identitätsdiebstahls im Zusammenhang mit Registereintragungen ist in anderen Jurisdiktionen ohne hoheitliche Identifizierung (z. B. England[6]) hinlänglich bekannt.

Aber auch für den Rechtsverkehr und die Allgemeinheit würde das Fehlen einer sicheren Identifizierungsmöglichkeit durch die Notarinnen und Notare schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Ein Beispiel hierfür ist die Gründung einer Gesellschaft unter falschem Namen, die aufgrund der Gutglaubenswirkung des Handelsregisters effizient als Plattform kriminellen Handelns, etwa für Zwecke der Geldwäsche, der Steuerhinterziehung, für Insolvenzstraftaten sowie für banden- und gewerbsmäßigen Betrug missbraucht werden kann. Dadurch würden zum einen die derzeitigen Bemühungen zur effektiven Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, wie z. B. die Einführung des Transparenzregisters oder die erweiterten Untersuchungs- und Meldepflichten durch Notarinnen und Notare, konterkariert. Zum anderen würden Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner der GmbH, insbesondere Verbraucherinnen und Verbraucher, erheblich gefährdet, könnten sie sich doch der Identität der hinter der GmbH stehenden und für diese handelnden Personen nicht mehr sicher sein.

Nur durch Identifizierung mithilfe des aus dem Chip des Personalausweises ausgelesenen Lichtbilds kann auch im Online-Verfahren ein dem derzeitigen Präsenzverfahren ähnliches Sicherheitsniveau erreicht werden. Notarinnen und Notare können so in der Beurkundungs-Videokonferenz neben dem Abfragen der eID auch das Lichtbild der Beteiligten elektronisch aus deren Ausweisen auslesen und anschließend das ausgelesene Lichtbild mit dem Erscheinungsbild der Beteiligten abgleichen. Nur so kann verlässlich eine missbräuchliche Weitergabe der eID (verdeckte Stellvertretung) sicher ausgeschlossen werden.

Das sogenannte Video-Ident-Verfahren, bei dem im Wesentlichen ein Lichtbildausweis in die Kamera gehalten wird, ist deutlich manipulationsanfälliger und damit kein geeigneter Ersatz für das elektronische Auslesen des Lichtbildes. Die Verwendung von gefälschten Ausweisdokumenten in einer Videokonferenz ist im Video-Ident-Verfahren nur schwer erkennbar. So hat die Bundesregierung im Rahmen einer Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag eingeräumt, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) „im Rahmen seiner Zuständigkeit als Sicherheitsbehörde mögliche technische Manipulationen des Video-Ident-Verfahrens analysiert und Angriffsmöglichkeiten aufgezeigt [hat]“.[7] Das Video-Ident-Verfahren sei daher als „Brückentechnologie[8] anzusehen und spätestens im Jahr 2020 neu durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu evaluieren.

Die Notarin oder der Notar hat in der Videokonferenz, anders als im Präsenzverfahren, nicht die Möglichkeit, die Haptik des Ausweisdokuments zu prüfen und dieses einer UV-Licht-Prüfung zu unterziehen oder gar einen Dokumentenprüfer einzusetzen. Fälschungen des äußerlich aufgebrachten Lichtbilds wären, insbesondere bei einigen ausländischen Ausweisdokumenten, kaum zu erkennen.

Durch die Einführung allein des Video-Ident-Verfahrens anstelle des Auslesens des Lichtbildes würde im Vergleich zur reinen eID ohne jedweden Lichtbildabgleich nur der erforderliche, aber immer noch mit vergleichsweise einfachen Mitteln zu bewältigende Manipulationsaufwand steigen. Es wäre daher zu erwarten, dass insbesondere im Bereich der organisierten Kriminalität bzw. der Clan-Kriminalität durch Nutzung einer ausländischen eID in Kombination mit einem fälschungsanfälligen ausländischen Lichtbildausweis unter falschem Namen Gesellschaften gegründet würden, die dann mit dem öffentlichen Glauben des Handelsregisters ausgestattet im großen Stil Immobiliengeschäfte tätigen könnten. Dies würde die Anstrengungen der Bundesregierung im Hinblick auf eine effektive Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Geldwäsche und Steuerhinterziehung zurückwerfen und die in der jüngsten GwG-Novelle beschlossenen Maßnahmen weitgehend neutralisieren. Die Auswirkungen dürften sich insbesondere auf dem Immobilienmarkt zeigen.

III. Rechtssichere elektronische notarielle Urkunde

Schließlich begrüßt die Bundesnotarkammer auch die Entscheidung des Referentenentwurfs zugunsten einer originär elektronischen notariellen Urkunde, die von allen Beteiligten und der Notarin oder dem Notar mit einer qualifizierten elektronischen Signatur signiert und anschließend im Elektronischen Urkundenarchiv der Bundesnotarkammer sicher abgelegt wird.

Die Regelungen im Referentenentwurf sind eine konsequente Fortentwicklung des § 39a BeurkG[9] und der durch das Gesetz zur Neuregelung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des Elektronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotarkammer eingeführten Regelungen. So tritt zukünftig neben die elektronische Fassung der Urschrift, die ab dem 1. Januar 2022 von Papierurkunden zu fertigen und in der elektronischen Urkundensammlung zu verwahren ist, die (rein) elektronische Urschrift, die nach § 40a Absatz 3 BeurkG-E definiert ist als die in der elektronischen Urkundensammlung verwahrte elektronische Urkunde. Angesichts der beliebigen Vervielfältigbarkeit elektronischer Dokumente ist eine solche Fiktion konsequent und richtig, um das bewährte Zusammenspiel von Urschrift, Ausfertigung und (beglaubigter) Abschrift im Rechtsverkehr für digitale Dokumente fortzuentwickeln.

IV. Weiterentwicklung des Amtsbereichsprinzips

Der Referentenentwurf nimmt auch eine konsequente Weiterentwicklung des Amtsbereichsprinzips in Bezug auf notarielle Online-Verfahren vor, was wir ebenfalls sehr begrüßen.

Im geltenden Präsenzverfahren soll die Notarin oder der Notar ihre/seine Amtstätigkeit nur innerhalb ihres/seines Amtsbereichs ausüben, sofern nicht besondere berechtigte Interessen der Rechtsuchenden ein Tätigwerden außerhalb des Amtsbereichs gebieten (§ 10a Absatz 2 BNotO). Diese Regelung dient Gemeinwohlzwecken, da sie unentbehrlich ist, um die einzelnen Notarstellen lebensfähig und möglichst gleichbleibend leistungsfähig zu erhalten und das Notariat insgesamt bedarfsgerecht und flächendeckend zu organisieren.[10] Sie gewährleistet damit die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Amtsgeschäften durch leistungsfähige Notarinnen und Notare.[11]

Örtliche Zuständigkeiten der Notarinnen und Notare bestehen hingegen nach geltender Rechtslage nicht. In der Praxis gewährleistet jedoch die räumliche Distanz, dass das Geschäftsaufkommen so verteilt wird, dass auch im ländlichen Raum lebensfähige Notarstellen bestehen können und die flächendeckende Versorgung durch Notarinnen und Notare gesichert ist.

Hinsichtlich des neu eingeführten Online-Verfahrens würde das Fehlen jeglicher Zuständigkeitsregelungen dazu führen, dass bundesweit jede Notarin oder jeder Notar zuständig wäre. Die Beteiligten des Online-Verfahrens könnten demnach aus sämtlichen bundesweit ca. 7.000 Notarinnen und Notaren auswählen mit der Besonderheit, dass sie diese dazu nicht örtlich aufsuchen müssten.

Im Ergebnis dürfte dies zu einer erheblichen Konzentration von Amtsgeschäften im Bereich der Online-Verfahren bei einigen großen, städtisch geprägten Notarstellen mit „Spezialisierung“ im Bereich Gesellschaftsrecht führen. Insbesondere ländlich geprägte Einzelämter könnten gegenüber großstädtischen Sozietäten nicht durchgehend bestehen. Abhängig von den zu erwartenden Nutzungszahlen der gesellschaftsrechtlichen Online-Verfahren würde dies tendenziell zu einer gewissen Verlagerung von Beurkundungsvorgängen vom Land in die Städte führen, mit den entsprechenden Auswirkungen auf das Urkundenaufkommen der Notarinnen und Notare und die daran anknüpfende Bedürfnisprüfung der Länder. Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Amtsgeschäften wäre gefährdet.

Ferner führte dies zu einer bisher so nicht bestehenden direkten „Konkurrenz“ zwischen allen deutschen Notarinnen und Notaren, die mit dem Charakter des Notaramts bereits im Grundsatz nicht vereinbar ist. Denn Notarinnen und Notare sind unabhängige Trägerinnen und Träger eines öffentlichen Amtes, zur Neutralität und zur Kollegialität verpflichtet; sie dürfen aus gutem Grund nur sehr zurückhaltend in der Öffentlichkeit werbend auftreten.

Durch die vorgeschlagenen Regelungen in § 10a Absatz 3 BNotO-E und § 11 Absatz 3 BNotO-E wird diesem Risiko wirksam begegnet. Die vorgeschlagene Lösung einer örtlichen Zuständigkeit der Notare, anknüpfend an den Sitz der Gesellschaft oder Genossenschaft, den Wohnsitz der Einzelkauffrau bzw. des Einzelkaufmanns oder den Wohnsitz eines Gesellschafters der betroffenen Gesellschaft im Amtsbereich des Notars, verpflichtet Gesellschaften ohne Bezug zu einem anderen notariellen Amtsbereich dazu, eine lokale Notarin oder einen lokalen Notar für das Online-Verfahren auszuwählen. Da die Betreuung durch eine lokale Notarin oder einen lokalen Notar ohnehin auch im Präsenzverfahren heute schon der Regelfall sein dürfte und die vorgeschlagene Alternativanknüpfung an die Gesellschaft oder die Gesellschafter hinreichend Flexibilität bietet, erscheint die aus der Regelung resultierende Beeinträchtigung der Wahlmöglichkeiten der Beteiligten sehr gering. Das bisherige Präsenzverfahren steht zudem weiterhin unverändert neben dem Online-Verfahren zur Verfügung und ermöglicht es den Beteiligten bei entsprechendem Wunsch, eine abweichende Notarauswahl zu treffen.

B. Einzelfragen

I. 16b BeurkG-E

§ 16b Absatz 4 Satz 5 BeurkG-E sieht vor, dass die elektronische Niederschrift mit einer Bestätigung der Notareigenschaft durch die zuständige Stelle verbunden sein muss. Diese an § 39a Absatz 2 Satz 1 BeurkG angelehnte Regelung würde in der Praxis bedeuten, dass bei Urkundspersonen, bei denen die Amtseigenschaft nicht im Signaturzertifikat von deren qualifizierter elektronischer Signatur enthalten ist (z. B. Notarvertreterinnen und Notarvertreter), eine elektronische beglaubigte Abschrift dieser Bestätigung (z. B. Vertreterbestellungsbeschluss des Landgerichtspräsidenten) mit der elektronischen Niederschrift verbinden müssten. Dies geschieht in der Praxis derzeit durch einen qualifiziert elektronisch signierten ZIP-Container, der neben dem von einer Notarvertreterin oder einem Notarvertreter qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument auch eine von einer anderen Notarin oder einem anderen Notar erstellte elektronisch beglaubigte Abschrift der Bestätigung enthält.

Die nun vorgeschlagene Regelung würde bedeuten, dass ohne die Beifügung einer solchen Bestätigung keine wirksame elektronische Urkunde entstehen kann. Dieser Umstand geht über die heutige, im Präsenzverfahren geltende Gesetzeslage hinaus. Denn gem. §§ 8ff. BeurkG ist für die Wirksamkeit einer Niederschrift eine Bestätigung der Notareigenschaft durch die zuständige Stelle nicht erforderlich. Auch ist für die Wirksamkeit einer Niederschrift nach den §§ 8ff. BeurkG das Anbringen eines Siegels nicht erforderlich. Für diese Ungleichbehandlung von Niederschrift und elektronischer Niederschrift gibt es unseres Erachtens keine Rechtfertigung.

Um allerdings im Rechtsverkehr die Erkennbarkeit einer elektronischen Niederschrift zu erleichtern, schlagen wir vor, in § 16b Absatz 3 BeurkG-E folgenden an § 13 Absatz 3 Satz 3 BeurkG angelehnten Satz hinzuzufügen:

Der Notar soll seinem Namen seine Amtsbezeichnung beifügen“.

II. § 16c BeurkG-E

Gemäß § 16c Nr. 2 lit. c) BeurkG-E muss das verwendete elektronische Identifizierungsmittel „das elektronische Auslesen der gespeicherten Personenidentifizierungsdaten einschließlich eines amtlichen digitalen Lichtbildes des Inhabers zur Ermöglichung eines Lichtbildabgleichs durch den Notar“ erlauben. Insoweit schlagen wir vor, den Passus

der gespeicherten Personenidentifizierungsdaten einschließlich“

ersatzlos zu streichen.

Der Passus ist unseres Erachtens an dieser Stelle nicht erforderlich, da die Personenidentifizierungsdaten bereits Teil des elektronischen Identifizierungsmittels nach lit. a) sind und die entsprechende Erwähnung in lit. c) somit keinen eigenen Regelungsgehalt hat und gegebenenfalls bei Rechtsanwendern zu Unklarheiten führen könnte.

III. § 16d BeurkG-E

§ 16d BeurkG-E ordnet an, dass vorgelegte Vollmachten und Ausweise über die Berechtigung eines gesetzlichen Vertreters der elektronischen Niederschrift als ein mit einem einfachen elektronischen Zeugnis (§ 39a BeurkG) versehenes Dokument beigefügt werden. Diese Regelung ist rechtsdogmatisch auch überzeugend.

Der Referentenentwurf äußert sich jedoch nicht zu der Frage, wie das „Beifügen“ dieser Dokumente technisch abzubilden ist. § 56 Absatz 3 BeurkG-E dürfte keine Anwendung finden, da er unmittelbar nur für das Beifügen von Unterlagen und anderen Urschriften zur elektronischen Urschrift im Sinne des § 45 Absatz 3 BeurkG-E gilt. Auch die §§ 44a und 44b BeurkG dürften nicht unmittelbar zur Anwendung kommen.

Es ist jedoch technisch nicht ohne weiteres möglich, ein bereits signiertes Dokument in ein anderes Dokument zu integrieren, ohne dass dessen Signatur beeinträchtigt wird. Demnach lässt sich die derzeitige Beurkundungspraxis im analogen Verfahren nicht uneingeschränkt auf die digitale Weilt übertragen: Die Notarin oder der Notar könnten nicht ohne weiteres ein gem. § 39a Absatz 1 Satz 2 BeurkG mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenes einfaches elektronisches Zeugnis erstellen und es in die gem. § 16b Absatz 1 BeurkG-E zu errichtende und nach § 16b Absatz 4 BeurkG-E ebenfalls zu signierende elektronische Niederschrift integrieren, ohne dass die Signatur des einfachen elektronischen Zeugnisses ungültig würde.

Aus technischer Sicht kommen für dieses Problem insbesondere folgende zwei Lösungen in Frage:

  • Eine Möglichkeit wäre, dass die Notarin oder der Notar eine elektronische beglaubigte Abschrift der Nachweisurkunde gem. § 39a BeurkG erstellt und dieses elektronische Dokument zusammen mit der elektronischen Urschrift in der Elektronischen Urkundensammlung verwahrt wird. Dazu besteht eine jüngst durch das Urkundenarchivgesetz[12] geschaffene Regelung in § 78h Absatz 3 Satz 1 BNotO, die mit § 44b Absatz 1 Satz 3 BeurkG korrespondiert.

Diese technische Vorgehensweise würde sich zwar nahtlos in die bestehende Regelungssystematik einfügen, da sie z. B. gem. §§ 44a Absatz 2 Satz 5 und 44b Absatz 1 Satz 2 BeurkG-E auch bei Nachtragsvermerken zur Anwendung kommt. Sie würde jedoch dazu führen, dass in den Fällen des § 16d BeurkG-E die notarielle elektronische Urkunde von Anfang an auf mehrere Dateien verteilt würde, die jeweils einzeln von der Notarin oder dem Notar zu signieren wären. Dies würde nicht nur durch die erforderlichen zusätzlichen Signaturvorgänge, sondern auch durch zusätzliche Signaturprüfungen bei der Erteilung von Ausfertigungen und beglaubigten Abschriften gem. § 49 Absatz 2 Satz 3 und § 39a Absatz 2 BeurkG-E einen zusätzlichen Aufwand für die Notarin oder den Notar bedeuten.

  • Daneben besteht die Möglichkeit, in den Fällen des § 16d BeurkG-E, also für das Beifügen von Nachweisen für die Vertretungsberechtigung zu einer elektronischen Niederschrift, auf eine zusätzliche qualifizierte elektronische Signatur für das einfache elektronische Zeugnis zu verzichten, sofern der notarielle Vermerk im Sinne des § 39 BeurkG von der nach § 16b Absatz 4 BeurkG-E ohnehin anzubringenden qualifizierten elektronischen Signatur der Notarin oder des Notars umfasst ist.

Die Notarin oder der Notar würde in diesem Fall etwaige in Papierform vorliegende Nachweise für die Vertretungsberechtigung in die elektronische Form übertragen und ihnen einen Vermerk im Sinne des § 39 BeurkG beifügen. Dieses Dokument würde derart in die elektronische Niederschrift integriert werden, dass am Ende lediglich ein Dokument entsteht, das nach § 16b Absatz 4 BeurkG-E von der Notarin oder dem Notar mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wird. Durch diese Signatur werden Integrität und Authentizität des gesamten Dokuments, einschließlich des Nachweises der Vertretungsberechtigung nebst notariellem Vermerk, geschützt, so dass ein Nachteil zu dem alternativen, vorstehend beschriebenen technischen Vorgehen nicht besteht. Der Vorteil dieser Alternative besteht darin, dass nur eine Datei entsteht, die auch nur einmal durch die Notarin oder den Notar elektronisch zu signieren ist und bei der Erteilung von Ausfertigungen und beglaubigten Abschriften gem. §§ 49 Absatz 2 Satz 3 und 39a Absatz 2 BeurkG-E nur eine Signaturprüfung erforderlich macht.

Wir schlagen vor, beide vorgenannten Lösungsmöglichkeiten zuzulassen. Denn aus beurkundungsrechtlicher Sicht sind bei beiden Vorgehensweisen die Integrität und Authentizität der Dokumente sichergestellt, da jeweils sämtliche Bestandteile der elektronischen Niederschrift nebst beigefügten Nachweisen von einer qualifizierten elektronischen Signatur der Notarin oder des Notars umfasst werden. Es wäre demnach der Notarin oder dem Notar überlassen, für welche Vorgehensweise sie/er sich entscheidet. Je nach Organisation des Beurkundungsverfahrens und des Büroablaufs kann die eine oder andere Variante vorteilhaft sein.

Zudem schlagen wir vor, den im Referentenentwurf verwendeten Begriff des „einfachen elektronischen Zeugnisses“ aus Vereinheitlichungsgründen durch den Begriff „elektronisch beglaubigte Abschrift“ zu ersetzen, wie er auch in § 34 Absatz 2 NotAktVV zur Anwendung kommt. Auch regen wir eine Klarstellung an, dass § 12 Satz 2 BeurkG nicht durch § 16d BeurG-E verdrängt wird und auch im Online-Verfahren anwendbar ist.

Entsprechend könnte § 16d BeurkG-E wie folgt gefasst werden:

§ 16d
Nachweise für die Vertretungsberechtigung bei elektronischen Niederschriften

Vorgelegte Vollmachten und Ausweise über die Berechtigung eines gesetzlichen Vertreters sollen der elektronischen Niederschrift als elektronisch beglaubigte Abschrift (§ 39a) beigefügt werden. Sofern die elektronische Niederschrift und die elektronisch beglaubigte Abschrift in einem Dokument enthalten sind, ist nur eine qualifizierte elektronische Signatur des Notars erforderlich. Im Übrigen ist die elektronisch beglaubigte Abschrift zusammen mit der elektronischen Urschrift in der elektronischen Urkundensammlung zu verwahren. § 12 Satz 2 bleibt unberührt.“

IV. § 16d BeurkG-E in Verbindung mit § 172 BGB

§ 16d BeurkG-E sieht vor, dass Nachweisurkunden der Notarin oder dem Notar vorgelegt werden und von dieser/diesem dann in elektronischer Form der elektronischen Niederschrift beigefügt werden. Dabei stellt sich die Frage, ob das Vorlegen einer Vollmacht bei der Notarin oder dem Notar genügt, um die Rechtsscheinhaftung des § 172 BGB zu bewirken. Denn § 172 BGB setzt voraus, dass die Vollmachtsurkunde dem gutgläubigen Geschäftsgegner vor oder bei Abschluss des Vertretergeschäfts vorgelegt wird.[13]

Die Begründung zum Referentenentwurf[14] geht davon aus, dass die materiell-rechtliche Wirksamkeit sichergestellt sei, wenn die Vollmachtsurkunde „vorgelegt wird“, was die Notarin oder der Notar zu verlangen habe. Wie bereits ausgeführt stellt sich jedoch die Frage, ob dies ein „Vorlegen“ im Sinne des § 172 BGB ist und damit die Rechtsscheinhaftung auslöst.

Nach der wohl herrschenden Meinung kommt es darauf an, dass der Geschäftspartner die Möglichkeit erhält, vom Inhalt der Vollmachtsurkunde tatsächlich Kenntnis zu nehmen.[15] Vorlage in diesem Sinne bedeutet die Möglichkeit der „unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung“.[16] Diese unmittelbare Wahrnehmung ist dem Dritten jedoch bei einer Online-Beurkundung nicht möglich, lediglich die Notarin oder der Notar kann die Ausfertigung unmittelbar wahrnehmen.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs genügt jedoch, wenn ein Beteiligter bei der Beurkundung nicht zugegen ist, dass die Notarin oder der Notar den Umstand des Vorliegens der Vollmacht ausdrücklich in die Urkunde aufnimmt und deren Ausfertigung zusammen mit einer beglaubigten Abschrift der Vollmacht den Beteiligten zuleitet.[17] Dies begründe eine Rechtsscheinhaftung analog §§ 171, 172 BGB, da in der Bestätigung, dass die Vollmacht vorgelegen habe, eine Tatsachenbeurkundung im Sinne des § 36 BeurkG zu sehen sei, auf die die Beteiligten in gleichem Maße vertrauen könnten. Der BGH betont jedoch, dass die Beteiligten in diesem Fall erst dann geschützt seien, wenn ihnen die Ausfertigung der beurkundeten Erklärung zugehe. Wird die Vollmacht also zwischen Beurkundung und Zugang widerrufen, ist der Geschäftsgegner nicht geschützt.[18] In der Literatur wird – teilweise unreflektiert – davon ausgegangen, dass diese Rechtsprechung nur bei „Grundstücksgeschäften“[19] oder nur bei einseitigen Erklärungen[20] anwendbar sei. Eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs lässt sich jedoch unseres Erachtens nur schwer begründen, so dass man wohl von einer allgemeinen Geltung und Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung ausgehen kann.

Demnach halten wir es zwar für wahrscheinlich, dass die im Referentenentwurf vorgeschlagene Lösung auch die Rechtsscheinhaftung nach § 172 BGB (analog) auszulösen vermag, allerdings nur unter der Einschränkung, dass die Wirkung des § 172 BGB (analog) erst mit Zugang der Ausfertigung der beurkundeten Erklärung samt Abschrift der Vollmacht beim Beteiligten eintritt. Dies führte zu dem wenig zufriedenstellenden Ergebnis, dass es in Online-Verfahren mit Bevollmächtigen zukünftig zwingend einer Ausfertigung in Papierform bedürfte, um alle Beteiligten umfassend zu schützen. Das gilt umso mehr, als bei GmbH-Gründungen in der derzeitigen notariellen Praxis mangels praktischen Bedarfs im Regelfall keine Ausfertigungen ausgegeben werden. Das Online-Verfahren würde demnach im Ergebnis dazu führen, dass wieder mehr Papierdokumente erzeugt und versandt werden müssten, was nicht nur dem Sinn und Zweck des Referentenentwurfs, sondern auch der Digitalisierungsrichtlinie zuwiderliefe. Schließlich verbleibt ein schwer kalkulierbares Restrisiko, dass die Rechtsprechung die Rechtsscheinhaftung bei Online-Verfahren ablehnt.

Wir schlagen daher vor, eine gesetzliche Fiktion aufzunehmen, die es der Notarin oder dem Notar erlaubt, die Vollmacht für alle Beteiligten entgegenzunehmen. Demnach könnte an § 16d BeurkG-E ein weiterer Satz wie folgt aufgenommen werden:

„Der Notar gilt als ermächtigt, die Vollmachtsurkunde für alle Beteiligten entgegenzunehmen.“

Daneben sollte in die Gesetzesbegründung aufgenommen werden, dass diese Norm auf die Rechtsscheinhaftung nach § 172 BGB abzielt und der Gesetzgeber davon ausgeht, dass diese in den Fällen des § 16d BeurkG-E nunmehr gegeben ist. Alternativ kommt selbstverständlich auch eine Klarstellung in § 172 BGB in Betracht, derer es unseres Erachtens allerdings nicht zwingend bedarf.

V. § 16e BeurkG-E

§ 16e Absatz 2 BeurkG-E ordnet an, dass die Niederschrift und die elektronische Niederschrift „gemeinsam“ zu verwahren seien. Diese Formulierung könnte insoweit für Unsicherheit sorgen, als § 56 Absatz 2 BeurkG, § 78h Absatz 3 BNotO und § 35 Absatz 2 NotAktVV[21] jeweils davon sprechen, dass elektronische Dokumente im elektronischen Urkundenarchiv bzw. der elektronischen Urkundensammlung „zusammen“ verwahrt werden. Wir regen insoweit an, die Terminologie zu vereinheitlichen und § 16e Absatz 2 BeurkG wie folgt zu fassen:

Beide Niederschriften sind zusammen zu verwahren.

VI. § 40a Absatz 2 BeurkG-E

Bei der Beglaubigung von Unterschriften und Abschriften ist für den Beweiswert der öffentlichen Urkunde in Gestalt des Beglaubigungsvermerks von entscheidender Bedeutung, dass manipulationssicher feststeht, worauf dieser sich gegenständlich bezieht. Bei einer herkömmlichen Unterschriftsbeglaubigung auf Papier wird dieser Bezug dadurch hergestellt, dass der Beglaubigungsvermerk entweder auf das gleiche Blatt mit der betreffenden Unterschrift (und der von ihr gedeckten Erklärung) gesetzt wird, oder dadurch, dass die unterschriebene Erklärung an das Blatt angesiegelt und angenäht wird, sodass ohne Zerstörung von Nähung oder Siegelung keine Manipulation möglich ist. Diese Notwendigkeit einer solchen sicheren Verbindung ist so selbstverständlich, dass das Beurkundungsgesetz dazu keine ausdrückliche Regelung enthält. Die ganz herrschende Meinung hält aber § 44 BeurkG für (entsprechend) anwendbar. [22]

§ 39a und § 40a Absatz 2 BeurkG-E enthalten jedoch keine Regelung zur Sicherstellung des Beweiszusammenhangs von elektronischen Dokumenten. Dadurch entsteht eine Regelungslücke, die anders als in der Papierwelt auch nicht durch eine jahrzehntelange Praxis oder Analogien zu anderen Regelungen geschlossen werden kann. Denn bei der Beglaubigung eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen elektronischen Dokuments ist keinesfalls selbstverständlich, wie der Beglaubigungsvermerk nach § 40a Absatz 2 BeurkG-E mit dem zu beglaubigenden elektronischen Dokument beweissicher verbunden werden soll. Das Beurkundungsgesetz kennt bisher auch keine Vorschrift, die eine vergleichbare Situation hinreichend eindeutig regelt und entsprechend herangezogen werden könnte.

Dieselbe Problemlage besteht dem Grunde nach auch bisher schon bei der Erstellung eines einfachen elektronischen Vermerks nach § 39a BeurkG. Denn auch hier schweigt das Gesetz zu der Frage, wie der Beglaubigungsvermerk mit dem zu beglaubigenden Dokument verbunden werden soll. In der Praxis bereitet dieser Umstand nur deshalb bisher keine Schwierigkeiten, weil es technisch einfach möglich ist, das zu beglaubigende Dokument vor der Beglaubigung so zu ändern, dass es auch den Beglaubigungsvermerk enthält. Dadurch signiert die Notarin oder der Notar im Ergebnis nur ein Dokument, das sowohl das zu beglaubigende Dokument als auch den notariellen Beglaubigungsvermerk enthält. Die Frage der Verbindung der beiden Elemente stellt sich daher in der Praxis nicht.

Dementsprechend dürften zukünftig auch die Fälle des § 40a Absatz 1 Satz 1 Alternative 2 BeurkG-E in der Praxis keine Schwierigkeiten bereiten. Denn bei der Nutzung des Videokommunikationssystems der Bundesnotarkammer ist es möglich, den Beglaubigungsvermerk bereits von Anfang an in das zu beglaubigende Dokument zu integrieren, da dieses Dokument erst im Online-Verfahren durch die Beteiligten und die Notarin oder den Notar elektronisch signiert wird. Die Verbindung zwischen Beglaubigungsvermerk und zu beglaubigendem Dokument ist durch diese Vorgehensweise wiederum unproblematisch, da beide Bestandteile in einem Dokument enthalten sind, das insgesamt von der qualifizierten elektronischen Signatur der Notarin oder des Notars umfasst wird.

Technisch problematisch sind hingegen die Fälle des § 40a Absatz 1 Satz 1 Alternative 1 BeurkG-E. Denn die Frage der Verbindung von zu beglaubigendem Dokument und Beglaubigungsvermerk wird dann drängend, wenn ein bereits von einem Beteiligten qualifiziert elektronisch signiertes Dokument der Notarin oder dem Notar zur öffentlichen Beglaubigung vorgelegt wird. In diesen Fällen ist es nicht mehr möglich, das zu beglaubigende Dokument durch Einfügung des Beglaubigungsvermerks zu ändern, da dadurch die bereits bestehende qualifizierte elektronische Signatur der oder des Beteiligten ungültig würde.

Die Lösung dieses Problems sollte unseres Erachtens nicht der allmählichen Klärung durch Rechtsprechung und Literatur überlassen werden, da es sich um eine wesentliche Voraussetzung für die Beweissicherheit von notariellen elektronischen Dokumenten handelt. Ohne die manipulationssichere Nachprüfbarkeit, ob ein bestimmtes vorliegendes Dokument samt privater qualifizierter elektronischer Signatur auch tatsächlich das Dokument ist, auf das sich der Beglaubigungsvermerk samt qualifizierter elektronischer Signatur der Notarin oder des Notars bezieht, ist die Beglaubigung zum Beweis im Rechtsverkehr unbrauchbar. Wir regen daher an, eine gesetzliche Regelung aufzunehmen, um Rechtssicherheit zu schaffen.

Elektronische Dokumente und qualifizierte elektronische Signaturen sind letztlich bloße Information, reine Daten. Der Bezug zwischen elektronisch vorliegenden Daten lässt sich durch kryptographische Verfahren technisch sicher nachweisen, indem digitale Fingerabdrücke, sogenannte „Hash-Werte“, der entsprechenden Datenpakete gebildet werden. Eine Regelung sollte diese kryptographischen Möglichkeiten nutzen, im Übrigen aber weitestgehend technikoffen sein, um mit der rasanten Entwicklung in diesem Bereich Schritt halten zu können. Daneben sollte auch die vorgenannte Möglichkeit, den Beglaubigungsvermerk in das zu beglaubigende Dokument einzufügen, weiterhin möglich bleiben. Denn es erscheint durchaus absehbar, dass dies zukünftig auch bei bereits signierten Dokumenten formatübergreifend möglich sein könnte.

Wir schlagen vor diesem Hintergrund vor, dem § 40a Absatz 2 BeurkG-E folgenden Satz hinzuzufügen:

Sofern der Gegenstand der Beglaubigung und der Beglaubigungsvermerk nicht in demselben elektronischen Dokument enthalten sind, ist durch kryptographische Verfahren nach dem Stand der Technik ein Bezug herzustellen.

Eine solche Bestimmung würde eine Vielzahl unterschiedlicher technischer Lösungen ermöglichen und würde das Regelungsziel – Beweissicherheit des Bezugs zwischen Beglaubigung und Beglaubigungsgegenstand – vollständig erfüllen.

Dogmatisch denkbar wäre auch, eine solche Bestimmung in § 39a BeurkG aufzunehmen.

VII. § 40a Absatz 3 BeurkG-E

§ 40a Absatz 3 BeurkG-E verweist auf § 39a Absatz 3 BeurkG. Durch den Änderungsbefehl in Artikel 4 Nr. 3 lit. c) wird der bisherige Absatz 3 jedoch zu Absatz 2. Diese Änderung müsste in § 40a Absatz 3 BeurkG-E noch nachvollzogen werden.

VIII. PAuswG

Der Referentenentwurf geht ausweislich der Änderungen in § 21 PAuswG-E davon aus, dass die Bundesnotarkammer Diensteanbieterin im Sinne des § 2 Absatz 3 PAuswG ist. Diese Ansicht teilen wir nicht. Wie aus § 78p Absatz 1 BNotO-E hervorgeht, betreibt die Bundesnotarkammer das System lediglich, um den Notarinnen und Notaren die Online-Beurkundungstätigkeit zu ermöglichen. Die Bundesnotarkammer nimmt damit nicht selbst „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ im Sinne des § 2 Absatz 3 PAuswG wahr, sondern handelt als Identifizierungsdiensteanbieterin im Sinne des § 2 Absatz 3a PAuswG für die Notarinnen und Notare.

Der Referentenentwurf berücksichtigt bei den Regelungen zum Personalausweisgesetz ferner nicht, dass der Betrieb eines Videokommunikationssystems nach § 78 Absatz 1 Satz 2 Nr. 10 BNotO-E – einschließlich der Möglichkeit, eine Identifizierung mit Lichtbildabgleich zu ermöglichen – Pflichtaufgabe der Bundesnotarkammer ist. Dieser Umstand ist nicht mit dem Erfordernis einer weiteren Prüfung durch das Bundesverwaltungsamt zur Erlangung einer Berechtigung zur Vornahme der Identifizierung in Einklang zu bringen. Eine Prüfung nach § 21b Absatz 2 PAuswG ist vielmehr nicht erforderlich, da die Bundesnotarkammer die erhobenen Daten ausschließlich über das Videokommunikationssystem nach § 78p BNotO-E erhebt und versendet. Die Bundesnotarkammer handelt insoweit in mittelbarer Staatsverwaltung. Das Videokommunikationssystem unterliegt nach § 78p Absatz 3 BNotO-E in Verbindung mit der noch zu erlassenden Rechtsverordnung strengen Anforderungen, die jederzeit durch die zuständigen Stellen des Bundes überwacht werden können. Eine zusätzliche Prüfung durch das Bundesverwaltungsamt nach § 21b Absatz 2 PAuswG wäre demnach bloße Förmelei und unnötiger Verwaltungsaufwand. Vielmehr sollte der Bundesnotarkammer zwingend und von Amts wegen ein Berechtigungszertifikat nach § 2 Absatz 4 PAuswG erteilt werden.

Dementsprechend regen wir an, § 20 Absatz 6 PAuswG-E wie folgt zu fassen:

(6) Die Bundesnotarkammer ist berechtigt, als Identifizierungsdiensteanbieter für die Notare zum Zweck der Vornahme von Urkundstätigkeiten nach den §§ 16a bis 16e und § 40a des Beurkundungsgesetzes mit Zustimmung des Ausweisinhabers einen elektronischen Identitätsnachweis nach § 18 durchzuführen und die betreffenden Daten an die Notare zu übermitteln. Dabei darf über die Daten nach § 18 Absatz 3 Satz 2 hinaus auch das im elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium des Ausweises gespeicherte Lichtbild über das von ihr betriebene Videokommunikationssystems nach § 78p der Bundesnotarordnung an die Notare übermittelt werden. § 19a bleibt unberührt.

Daneben regen wir anstelle des vorgeschlagenen § 21 Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 2 PAuswG-E folgenden neuen Absatz 3 in § 21b PAuswG an:

(3) Der Bundesnotarkammer ist für ihre Tätigkeit nach § 20 Absatz 6 eine Berechtigung zu erteilen.

IX. § 2 Absatz 3 Satz 1 GmbHG-E

§ 2 Absatz 3 GmbHG-E sieht vor, dass auch „im Rahmen der Gründung der Gesellschaft“ gefasste Beschlüsse der Gesellschafterinnen und Gesellschafter nach den     §§ 16a ff. BeurkG-E online mittels Videokommunikation beurkundet werden können. Aus der Begründung[23] zu dieser Regelung ergibt sich, dass dadurch vor allem die erstmalige Bestellung einer Geschäftsführerin oder eines Geschäftsführers nebst einer Beschlussfassung zu deren/dessen Vertretungsbefugnis und ggf. einer Befreiung von § 181 BGB erfasst werden soll, die in der derzeitigen notariellen Praxis regelmäßig in der Gründungsurkunde enthalten ist.

Wir regen an, diese Öffnung für Gesellschafterbeschlüsse restriktiver zu fassen, um einem Missbrauch dieser Klausel für andere Beschlüsse vorzubeugen. Nach dem derzeitigen Vorschlag ist unklar, ob unter § 2 Absatz 3 Satz 1 GmbHG-E auch andere, formbedürftige Gesellschafterbeschlüsse wie z. B. Kapitalerhöhungs- oder Umwandlungsbeschlüsse fallen, solange sie „im Rahmen der Gründung“ also insbesondere direkt in der Gründungsurkunde gefasst werden.

Ausweislich der Begründung zu § 16a BeurkG-E[24] soll § 2 Absatz 3 Satz 2 GmbHG-E nur solche Beschlüsse umfassen, deren Beurkundungserfordernis sich nicht aus einer anderen Formvorschrift ergibt. Insoweit besteht unseres Erachtens allerdings ein gewisses Risiko, dass die Vorschrift des § 2 Absatz 3 Satz 1 GmbHG-E darüber hinausgeht, da tatbestandlich nur die Fassung des Beschlusses „im Rahmen der Gründung“ verlangt wird.

Um insoweit eine Klarstellung zu erreichen, regen wir folgende Fassung des § 2 Absatz 3 Satz 1 GmbHG-E an:

Die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags sowie im Rahmen der Gründung der Gesellschaft gefasste Beschlüsse der Gesellschafter nach § 6 Absatz 3 Satz 2 können im Fall einer Gründung ohne Sacheinlagen auch mittels Videokommunikation gemäß den §§ 16a bis 16e des Beurkundungsgesetzes erfolgen.

X. § 2 Absatz 3 Satz 2 GmbHG-E

Gemäß § 2 Absatz 3 Satz 2 GmbHG-E soll für eine GmbH-Gründung im notariellen Online-Verfahren „für die Unterzeichnung eine qualifizierte elektronische Signatur sämtlicher Gesellschafter“ genügen.

Diese Regelung steht allerdings im Widerspruch zu § 16e BeurkG-E, der auch eine gemischte Beurkundung zulässt, bei der eine/ein oder mehrere Gesellschafterinnen bzw. Gesellschafter handschriftlich unterzeichnen und andere qualifiziert elektronisch signieren. Wir schlagen daher vor, die Worte „sämtlicher Gesellschafter“ durch

der mittels Videokommunikation an der Beurkundung teilnehmenden Gesellschafter

zu ersetzen.

C. Ergänzende Vorschläge

I. Erweiterung des Online-Verfahrens auf Beglaubigungen von Handelsregisteranmeldungen bei Personenhandelsgesellschaften

Der Anwendungsbereich des notariellen Online-Verfahrens soll gem. § 10 Absatz 1 Satz 2 HGB-E nur für Handelsregisteranmeldungen durch Einzelkaufleute, Kapitalgesellschaften und Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften eröffnet sein. Wie auch in der Begründung richtig wiedergegeben, handelt es sich dabei um die Mindestumsetzung der DigRL und der SDG-VO.

Aus unserer Sicht würde es insoweit Sinn ergeben, über eine überschießende Umsetzung nachzudenken und die Öffnung des Online-Verfahrens auch für Anmeldungen von Personenhandelsgesellschaften in Erwägung zu ziehen. Denn es ist zu erwarten, dass die Differenzierung des Referentenentwurfs zwischen Kapitalgesellschaften und Einzelkaufleuten auf der einen und Personenhandelsgesellschaften auf der anderen Seite in der Praxis als willkürlich und unzweckmäßig empfunden wird und zu Unverständnis auf Seiten der rechtssuchenden Bevölkerung führen dürfte. Insbesondere bei der Gründung der beliebten Rechtsform der GmbH & Co. KG wäre es den Beteiligten kaum vermittelbar, warum die Gründung der GmbH nebst Anmeldung online möglich ist, während die Anmeldung der KG weiterhin einen Präsenztermin erfordert.

II. Anpassung der NotAktVV

Abschließend regen wir an, auch die Regelungen der Verordnung über die Führung notarieller Akten und Verzeichnisse (NotAktVV) anzupassen und insbesondere die durch das DiRUG-E neu geschaffene elektronische Urkunde in das bestehende System einzufügen. Insoweit stehen wir für eine Abstimmung sehr gerne zur Verfügung.

 

[1] Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht, ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 80.

[2] Zeile 6157 ff. des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD vom 12. März 2018, abrufbar unter: www.bundesregierung.de/breg-de/themen/koalitionsvertrag-zwischen-cdu-csu-und-spd-195906.

[3] BVerfGE 17, 371 (376ff.); 73, 280 (294); 131, 130 (133ff.).

[4] Vgl. BVerfGE 73, 280 (293f.).

[5]  BGH v. 20.03.1956 - Az. III ZR 11/55, DNotZ 1956, 502.

[6] Vgl. hierzu etwa den öffentlichen Warnhinweis des britischen Companies House, dass die dort enthaltenen Informationen ungeprüft sind und daher falsch sein können: resources.companieshouse.gov.uk/serviceInformation.shtml.

[7] Vgl. BT-Drs. 19/11443, S. 2.

[8] Vgl. BT-Drs. 19/11443, S. 4.

[9] Soweit diese Stellungnahme auf das BeurkG verweist, ist damit das Beurkundungsgesetz in seiner ab dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung gemeint.

[10] BT-Drs. 11/8307; Görk, in: BeckOK BNotO, 3. Edition, § 10a, Rdn. 2.

[11] BVerfG vom 9. 8. 2000 - 1 BvR 647/98, DNotZ 2000, 787, 790 f.

[12] Gesetz zur Neuregelung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des Elektronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotarkammer v. 1.06.2017, BGBl. I 2017, S. 1396.

[13] Vgl. BGH v. 27. 5. 2008 - XI ZR 149/07, NJW 2008, 3356; Schubert, in MüKoBGB, 8. Aufl. 2018, § 172, Rdn. 20.

[14] S. 117f.

[15] Schubert, in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2018, § 172 Rdn. 20; Leptien, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 1999, § 172 Rdn. 4 jeweils m. w. N.

[16] Maier-Reimer/Finkenauer, in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020. § 172 Rdn. 6 m. w. N.

[17] BGH v. 15.10.1987 - III ZR 235/86, NJW 1988, 698; BGH v. 28. 3. 2006 - XI ZR 239/04, NJW 2006, 2118.

[18] BGH v. 15.10.1987 - III ZR 235/86, NJW 1988, 698.

[19] So Weinland, in: jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 172 BGB, Stand: 01.05.2020, Rdn. 12.

[20] So Maier-Reimer/Finkenauer in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020. § 172, Rdn. 6.

[21] Soweit diese Stellungnahme auf das NotAktVV verweist, ist damit die Verordnung über die Führung notarieller Akten und Verzeichnissein in ihrer ab dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung gemeint.

[22] Vgl. Preuß in: Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG und Dienstordnung, 8. Aufl. 2020, § 44 BeurkG Rdn. 2; Regler in: Beck OGK, Stand: 01.10.2020, § 44 BeurkG Rdn. 8; Limmer in: Frenz/Miermeister, BNotO, 5. Aufl. 2020, § 44 BeurkG Rdn. 2 jeweils m. w. N.

[23] S. 161 des Referentenentwurfs.

[24] S. 108 des Referentenentwurfs.




< zurück
XS
SM
MD
LG