Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie
Zusammenfassung:
Die Bundesnotarkammer begrüßt das Ziel des Referentenentwurfs, die Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (ABl. EU, L 321 vom 12.12.2019, S. 1; L 20 vom 24.1.2020, S. 24, im Folgenden: „UmwRL“) unter Wahrung der bewährten Grundsätze und der bewährten Systematik des deutschen Umwandlungsrechts umzusetzen, und hält den Entwurf vor diesem Hintergrund insgesamt für gelungen. Der Referentenentwurf überführt die unionsrechtlichen Vorgaben nahtlos in die Dogmatik und Systematik des Umwandlungsgesetzes. Redundanzen werden – anders als bei der zugrunde liegenden Richtlinie – durch geschickte Verweisung vermieden.
Der Referentenentwurf nimmt bei für Konzernstrukturen vorgesehenen Ausnahmen mit Blick auf den Beschluss der Anteilseigner richtigerweise Abstand von einer überschießenden Umsetzung (A. I.). Für eine Ausweitung der Ausnahmen von der Berichts- und Prüfpflicht bei rein innerstaatlichen Konzernsachverhalten besteht dagegen kein zwingendes praktisches Bedürfnis (A. II.). Im Übrigen scheut der Entwurf eine richtlinienüberschießende Umsetzung nicht, soweit sich die entsprechende Regelung in die Systematik des Umwandlungsrechts einfügt und eine gleichartige Ausgestaltung in Hinblick auf rein innerstaatliche und grenzüberschreitende Sachverhalte sinnvoll erscheint (B. und C.). Zu kritisieren ist, dass der Referentenentwurf von einer Regelung der grenzüberschreitenden Umwandlung von Personengesellschaften Abstand nimmt (D.).
Schließlich regen wir einzelne Änderungen insbesondere zur Durchführung des registerrechtlichen Verfahrens (F. und G.) sowie in redaktioneller Hinsicht (H.) an.
Im Einzelnen:
A. Ausweitung der Ausnahmen in Konzernstrukturen
I. Zustimmungsbeschluss der Anteilseigner
Zunächst ist zu begrüßen, dass der Referentenentwurf die unionsrechtlich für grenzüberschreitende Verschmelzungen vorgegebene Regelung des Art. 132 Abs. 1 zweiter Spiegelstrich der Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts in der durch die Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 geänderten Fassung (im Folgenden: „GesRRL“) nicht überschießend umsetzt, sondern sich auf § 312 Abs. 2 i.V. mit § 307 Abs. 3 UmwG‑E beschränkt. Dies bedeutet, dass ein Verschmelzungsbeschluss der Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft nur bei grenzüberschreitenden Umwandlungen und nur in den Konzernkonstellationen des § 307 Abs. 3 UmwG-E entbehrlich ist.
Damit entscheidet sich der Entwurf gegen eine Ausweitung dieses von der Richtlinie vorgegebenen Konzernprivilegs auf rein innerstaatliche Sachverhalte. Dies ist deshalb stimmig, weil das Konzernprivileg eigentlich den Strukturprinzipien des deutschen Gesellschaftsrechts widerspricht: Umwandlungsrechtliche Maßnahmen stellen keine bloßen Geschäftsleitungsmaßnahmen dar, sondern bedürfen als Strukturmaßnahmen grundsätzlich der Zustimmung der Anteilseignerinnen und Anteilseigner.1 Lediglich die Vollziehung der jeweiligen Beschlüsse fällt in den Kompetenzbereich des Vertretungsorgans. Dies gilt erst recht für grenzüberschreitende Umwandlungsvorhaben.
Zusätzlich werden durch das Beschlusserfordernis nicht nur die Rechte der Anteilseignerinnen und Anteilseigner, sondern auch die der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einschließlich ihrer Vertretungen sichergestellt. Denn ohne Beschlussfassung entfallen zwei wichtige Möglichkeiten zur Einbringung der Interessen der Arbeitnehmerschaft: Zum einen wird dem Betriebsrat mangels einer beschlussfassenden Versammlung der Anteilsinhaber ein Forum genommen, das sich kritisch mit etwaigen Bedenken des Betriebsrats auseinandersetzt und die Wirksamkeit des Verschmelzungsvertrages durch Nichtfassung des Beschlusses verhindern kann. Dem Betriebsrat verbliebe lediglich die – weniger effektive – Möglichkeit, das Vertretungsorgan von einer Vollziehung der Umwandlung durch Einreichung der Unterlagen beim Registergericht abzuhalten. Zum anderen entfällt bei Aktiengesellschaften eine Befassung der Hauptversammlung, an der bei unternehmerisch mitbestimmten Gesellschaften im deutschen Aktienrecht der Aufsichtsrat nach § 118 Abs. 3 Satz 1 AktG teilnimmt und auf der er die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des übertragenden Unternehmens wahren kann.
Schließlich wird durch einen Umwandlungsbeschluss auch das Vertretungsorgan der übertragenden Gesellschaft entlastet (vgl. § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG).
Mithin liegt das Beschlusserfordernis im jeweiligen Interesse der Anteilseignerinnen und Anteilseigner, der Arbeitnehmerschaft und des Vertretungsorgans, weshalb es zu begrüßen ist, dass der Referentenentwurf hieran weitestmöglich festhält.
II. Prüf- und Berichtspflichten
§ 309 Abs. 6, § 324 Abs. 2, § 337 Abs. 3 UmwG‑E erklären – mittels eines Verweises insbesondere auf § 8 Abs. 3 und § 307 Abs. 3 Nr. 2 UmwG-E – einen Umwandlungsbericht in gewissen Konzernkonstellationen für entbehrlich. § 311 Abs. 2, § 325 und § 338 Abs. 2 UmwG-E regeln dasselbe über entsprechende Verweise für die Umwandlungsprüfung. Dabei handelt es sich um eine Umsetzung der in Art. 124 Abs. 4, Abs. 8 und Art. 132 Abs. 1 sowie Art. 125 Abs. 4 GesRRL vorgesehenen Ausnahmetatbestände. Der Referentenentwurf macht einerseits von den Mitgliedstaatenoptionen in Art. 124 Abs. 4 Satz 2 und Art. 125 Abs. 4 UAbs. 2 GesRRL Gebrauch, welche weitere Ausnahmen von den Berichts- und Prüfpflichten für Gesellschaften mit nur einem Gesellschafter vorsehen, und setzt diese andererseits in § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1b und 2 UmwG‑E richtlinienüberschießend um.
Aus unserer Sicht bedarf es allerdings weder der Inanspruchnahme der jeweiligen Mitgliedstaatenoption noch einer richtlinienüberschießenden Erweiterung der Ausnahmetatbestände. Hierdurch entfallen nämlich künftig in weiteren bestimmten innerstaatlichen Konzernsachverhalten der Umwandlungsbericht bzw. die Umwandlungsprüfung ipso iure, sodass nicht mehr – wie bislang – ausdrücklich und in notarieller Form darauf verzichtet werden muss. Insoweit sprechen wir uns weiterhin für eine notariell beurkundete Verzichtserklärung aus. Die notarielle Beurkundung der Verzichtserklärung ermöglicht eine Warnung vor den Folgen dieses Verzichts, die auch in Konzernkonstellationen von Bedeutung sein kann.2 Da diese Verzichtserklärungen in der Regel mit dem Verschmelzungsvertrag bzw. dem Zustimmungsbeschluss mitbeurkundet werden, dürften die praktischen Auswirkungen der hier vorgesehenen Regelungen aber ohnehin gering sein.3
Zu begrüßen ist jedoch, dass § 309 Abs. 6 Satz 3 und 4, § 324 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie § 337 Abs. 3 Satz 2 und 3 UmwG‑E berücksichtigen, dass Art. 132 Abs. 1 GesRRL einer teleologischen Reduktion bedarf: Der Umwandlungsbericht ist nur bei einer arbeitnehmerlosen Gesellschaft vollständig entbehrlich. Bei Vorhandensein von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist dagegen ein für diese bestimmter Bericht vorzulegen.4
B. Erweiterung des Anwendungsbereichs des Spruchverfahrens auf Anteilseignerinnen und Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers
Die Öffnung des Spruchverfahrens gemäß §§ 14 und 15 UmwG‑E auch für die Anteilseignerinnen und Anteilseigner des übernehmenden Rechtsträgers sowie die zugehörigen Anpassungen des Gesetzes über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren (SpruchG) sind praxisgerecht5 und daher zu begrüßen. Angesichts der in diesen Fällen rein wirtschaftlichen Interessen der Anteilseignerinnen und Anteilseigner wäre es nicht zielführend, wenn der Umwandlungsvorgang insoweit suspendiert werden könnte. Ein nachgelagerter Rechtsschutz ist in diesen Fällen sachgerecht und auch ausreichend.
Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen lässt sich – anders als bei rein nationalen Umwandlungen durch § 2 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 1 SpruchG, § 20 Abs. 1 FamFG – vor dem Hintergrund des Art. 126a Abs. 6 UAbs. 1 Satz 2 GesRRL hier nur schwerlich vermeiden, da bei Zuständigkeit unterschiedlicher nationaler Gerichte keine grenzüberschreitende Verfahrensbindung mit Erga-omnes-Wirkung besteht.6 Das Zusammenarbeitsgebot des § 6c Abs. 2 SpruchG-E verringert dieses Risiko jedoch.7
C. Gewährung zusätzlicher Aktien anstelle einer baren Zuzahlung
§§ 72a, 72b UmwG‑E ermöglichen der AG, KGaA sowie SE künftig auch bei rein nationalen Umwandlungsmaßnahmen, den Anteilseignerinnen und Anteilseignern im Falle eines nicht angemessenen Umtauschverhältnisses anstelle einer baren Zuzahlung zusätzliche Aktien zu gewähren. Die erforderlichen Anteile können durch Sachkapitalerhöhung unter Einbringung des Anspruchs der Anteilseigner auf Gewährung zusätzlicher Aktien geschaffen werden. Der Referentenentwurf wird hier einem bereits länger bestehenden praktischen Bedürfnis gerecht.8
Die konkrete Umsetzung ist aus unserer Sicht gelungen. Bei der Durchführung der Sachkapitalerhöhung werden das Prinzip der Kapitalaufbringung und damit der Schutz der Gesellschaftsgläubiger gewahrt, da § 72b Abs. 2 Satz 2 UmwG‑E eine Prüfung des einzubringenden Anspruchs nach § 183 Abs. 3 AktG gerade nicht ausschließt.9 Der Schutz der Anteilseignerinnen und Anteilseigner ist gewährleistet, da gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 UmwG‑E bereits im Verschmelzungsvertrag festzusetzen ist, in welcher Form ein Ausgleich zu erfolgen hat, und die Unsicherheit etwaiger Wertänderungen zulasten der Gesellschaft geht. Schließlich bleibt die Möglichkeit der Gewährung zusätzlicher Anteile zu Recht auf die Rechtsformen AG, KGaA und SE beschränkt, während eine derartige Regelung für die GmbH aufgrund der dort typischerweise herrschenden personalistischen Struktur zu Recht nicht eingeführt wird.10
D. Anwendungsbereich der Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung, zur Spaltung sowie zum grenzüberschreitenden Formwechsel
Gemäß §§ 306, 321, 334 UmwG‑E beschränkt sich der Anwendungsbereich für die Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung, zur Spaltung sowie zum grenzüberschreitenden Formwechsel – insoweit parallel zur UmwRL – auf die Rechtsformen der AG, KGaA sowie der GmbH. Andere Gesellschaftsformen wie insbesondere Personengesellschaften sind nicht erfasst, wodurch es künftig zu einem gespaltenen Regelungsregime kommen wird (mit Ausnahme der von § 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG‑E erfassten grenzüberschreitenden Hineinverschmelzung auf eine Personengesellschaft).
Nach der Rechtsprechung des EuGH muss jeder Gesellschaftsform die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Umwandlung zustehen, wenn die jeweilige nationale Rechtsordnung insoweit Umwandlungsmaßnahmen in rein innerstaatlichen Sachverhaltskonstellationen erlaubt.11 In Ermangelung gesetzlicher Regelungen richtet sich die Durchführung für die vom Referentenentwurf nicht erfassten Gesellschaften folglich nach der primärrechtlich statuierten Niederlassungsfreiheit und den hieraus von der Rechtsprechung abgeleiteten Vorgaben.12 Dies dürfte in verfahrensrechtlicher Sicht zu nicht unerheblichen Unsicherheiten führen, wie dies bisher unter anderem bei einem grenzüberschreitenden Formwechsel der Fall war.13 Aus systematischer wie aus praktischer Sicht wäre insoweit eine richtlinienüberschießende Umsetzung wünschenswert. Zuzugeben ist allerdings, dass nur eine Anpassung der Gesellschaftsrechtsrichtlinie die bezweckte Rechtssicherheit vollends herbeiführen können wird, da das Zusammenwirken zwischen in- und ausländischen Behörden, insbesondere mit Blick auf das zweistufige Registerverfahren, eine Harmonisierung der Anforderungen in den einzelnen Mitgliedstaaten erfordert.14
E. Anwendbarkeit nationaler Formvorschriften bei Annahme des Barabfindungsangebotes
Dogmatisch folgerichtig und daher ausdrücklich zu begrüßen ist der – insoweit klarstellende15 – Verweis in § 313 Abs. 3 Satz 4, § 327 Satz 1 und § 340 Abs. 3 Satz 4 UmwG‑E auf § 15 Abs. 4 GmbHG.
Nach überwiegender Auffassung ist für die Form der Annahmeerklärung eines Anteilserwerbs im Rahmen der Barabfindung – mangels umwandlungsrechtlicher Spezialregelung – das Recht der jeweiligen Gesellschaftsform maßgeblich, sodass im Falle der Beteiligung einer GmbH § 15 Abs. 4 GmbHG Anwendung findet.16 Die Klarstellung des Gesetzgebers beugt etwaigen Missverständnissen vor, insbesondere mit Blick auf den dinglichen Rechtsübergang, der sich bei der grenzüberschreitenden Umwandlung gemäß § 313 Abs. 4, § 327 Satz 1, § 340 Abs. 4 UmwG‑E ipso iure vollzieht und nicht – wie bei innerstaatlichen Umwandlungen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, § 31 Satz 1 UmwG – aufgrund eigenständigen dinglichen Rechtsgeschäfts. Die Anwendung des § 15 Abs. 4 GmbHG ist zum einen dogmatisch zutreffend, weil der dingliche Rechtsübergang vom schuldrechtlichen Geschäft zu unterscheiden ist. Zum anderen ist die Anwendung auch sachlich gerechtfertigt, da auch im Rahmen der Annahmeerklärung die Formzwecke der Beweiserleichterung, Richtigkeitsgewähr sowie des Übereilungsschutzes die notarielle Beurkundung erfordern.17 Die Umsetzung steht gemäß Erwägungsgrund 18 Satz 4 und 5 UmwRL im Einklang mit der Gesellschaftsrechtsrichtlinie.
F. Registerrechtliches Verfahren
I. Missbrauchsprüfung im Verfahren zur Erteilung der Vorabbescheinigung
Das Registergericht ist gemäß § 316 Abs. 3 UmwG‑E bei Anhaltspunkten für eine Umwandlung zu missbräuchlichen Zwecken angehalten, diesen nachzugehen. Umgekehrt bedarf es in Ermangelung entsprechender Anhaltspunkte keiner weiteren Sachverhaltsermittlungen.18 Da eine Umwandlung zu missbräuchlichen Zwecken nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich den Ausnahmefall bilden dürfte, ist diese Konzeption sachgerecht.19 Anderenfalls wäre zu befürchten, dass zeit- und kostenintensive Sachverständigengutachten gemäß § 317 Satz 1 Nr. 4, § 329 Satz 1, § 344 Satz 1 Nr. 4 UmwG‑E dem Umwandlungsvorhaben entgegenstehen könnten.20
Der Begriff der „missbräuchlichen Zwecke“ ist unionsrechtlich autonom auszulegen. Dieser wurde allerdings vom EuGH bislang wenig konturiert.21 Gemäß Erwägungsgrund 36 der
UmwRL sollen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter anderem mindestens Merkmale der Niederlassung im Zuzugsstaat einschließlich des Zwecks des Vorhabens, der Branche, der Investition, des Nettoumsatzes und des Gewinns oder Verlusts, der Zahl der Arbeitnehmer, der Zusammensetzung der Bilanz, des Steuersitzes, der Vermögenswerte und ihrer Belegenheit, der Anlagen, der wirtschaftlichen Eigentümer sowie der Geschäftsrisiken einbezogen werden. Der Mindestkatalog, der dem Registergericht vom Unionsgesetzgeber insoweit an die Hand gegeben wird, ist sowohl umfangreich als auch terminologisch weit und lässt ohne nähere Ausdifferenzierung eine Überfrachtung befürchten.22 Die Entwurfsbegründung liefert anhand einer nicht abschließenden Aufzählung entsprechende Auslegungshinweise; so dürften etwa ein Entzug oder eine Umgehung von Arbeitnehmerrechten unter den Missbrauchsbegriff fallen.23
Obgleich eine Konkretisierung letztlich der Rechtsprechung des EuGH obliegt,24 regen wir aus Gründen der Rechtssicherheit für den Rechtsverkehr wie auch für die Prüfung durch das Registergericht an, unmittelbar in § 316 Abs. 3 UmwG‑E einschlägige Regelbeispiele zu ergänzen, die für oder gegen das Vorliegen missbräuchlicher Zwecke sprechen, insbesondere die bisher in der Entwurfsbegründung aufgeführten Sachverhalte. Ferner regen wir an, die in Erwägungsgrund 36 genannten, im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigenden Aspekte in der Entwurfsbegründung näher zu erläutern.
II. Durchsetzung des Anspruchs auf Sicherheitsleistung bei dem Registergericht
Der Anspruch auf Sicherheitsleistung ist prozessual gemäß § 314, § 328, § 341 Abs. 1 UmwG‑E künftig ausschließlich bei dem Registergericht des Wegzugsstaates geltend zu machen. Diesem obliegt damit immanent auch die Prüfung der Angemessenheit der im Umwandlungsplan dargebotenen Sicherheiten.25 Der – im Gegensatz zu rein nationalen Umwandlungsvorhaben – vorgelagerte Schutz ist grundsätzlich nachvollziehbar, da Gläubiger ihren Anspruch auf Leistung einer angemessenen Sicherheit sonst ggf. im Ausland geltend machen müssten.26 Hinsichtlich der durch die Verfahrenskonzentration bezweckten Beschleunigung bestehen allerdings Bedenken.
Diese führt nämlich zu einer umfassenden Verlagerung von Aufgaben, die bisher der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorbehalten waren, auf das Registergericht.27 Das lässt eine Überlastung des Registergerichts und in der Folge eine Verzögerung des Vollzugs des grenzüberschreitenden Umwandlungsvorhabens befürchten, sodass sich die ausschließliche Zuständigkeit des Registergerichts letztlich kontraproduktiv auswirken könnte, insbesondere in Anbetracht der (daneben vorzunehmenden) umfangreichen Missbrauchsprüfung.28 Das Gericht hat bei einem entsprechenden Antrag mindestens eines Gläubigers bereits vor Ausstellung der Umwandlungsbescheinigung den Anspruch auf Sicherheitsleistung einschließlich der Angemessenheit zu beurteilen. Mit Blick auf § 316 Abs. 2 Satz 3 UmwG‑E könnte bereits ein einzelner Gläubiger das Umwandlungsvorhaben – in Anbetracht eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens – für einen längeren Zeitraum lähmen oder gar vereiteln.29 Aufgrund des Art. 126b Abs. 1 UAbs. 1 und 3 GesRRL verbleibt dem Umsetzungsgesetz hier zwar lediglich ein sehr eingeschränkter Handlungsspielraum. Gleichzeitig dürfte Art. 126b Abs. 1 UAbs. 2 GesRRL aber eine Verfahrenskonzentration bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht erfordern, da sich diese Vorschrift darauf beschränkt, dass der Anspruch auf angemessene Sicherheitsleistung bei der zuständigen Verwaltungs- oder Justizbehörde beantragt werden kann, mithin ein effektiver Rechtsschutz zu gewährleisten ist.30
Wir regen daher eine moderate Anpassung der § 314, § 328, § 341 Abs. 1 UmwG‑E sowohl zur Vermeidung einer Überlastung des Registergerichts als auch zum Schutz der Gesellschaften vor einzelnen „räuberischen Gläubigern“ an. Hierfür kämen verschiedene Ansätze in Betracht.
Zunächst wäre es möglich, an dem bereits nach den derzeitigen Vorschriften bestehenden vorgelagerten Rechtsschutz festzuhalten und diesen auf die weiteren grenzüberschreitenden Umwandlungsvarianten zu erstrecken.31 Gemäß § 122k Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 4 UmwG‑E haben die Mitglieder des Vertretungsorgans gegenüber dem Registergericht eine (gemäß § 314a UmwG bzw. § 348 Nr. 1 UmwG‑E strafbewehrte) Versicherung abzugeben, dass allen anspruchsberechtigten Gläubigerinnen und Gläubigern eine angemessene Sicherheit geleistet wurde. Vor Abgabe einer entsprechenden Versicherung darf die Vorabbescheinigung bereits de lege lata nicht ausgestellt werden, § 122k Abs. 2 Satz 2 UmwG‑E.32 Eine Abgabe der Versicherung dürfte wiederum in aller Regel ausscheiden, solange Ansprüche einzelner Gläubigerinnen und Gläubiger rechtshängig sind.33 Dies könnte einen effektiven vorgelagerten Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger gewährleisten, ohne die Registergerichte mit zusätzlichen Aufgaben im Rahmen des ohnehin umfangreichen Verfahrens zu überfrachten. Gleichzeitig könnte die Regelung des § 945 ZPO dabei offensichtlich unberechtigten Ansprüchen entgegenwirken.34
Alternativ – insbesondere soweit an dem Gedanken der Verfahrenskonzentration festgehalten werden soll – könnte § 314 UmwG‑E um eine an § 16 Abs. 3 UmwG angelehnte Verfahrensvorschrift ergänzt werden.35 So bestünde jedenfalls bei evidenten Sachverhalten eine sach- und interessengerechte Handhabung für das befasste Registergericht. Zugleich hält sich die hiermit verbundene Einschränkung im Rahmen, sodass den Interessen der Gläubigerinnen und Gläubiger dennoch ein „angemessenes Schutzsystem“ i.S. der Art. 86j Abs. 1 UAbs. 1, Art. 126b Abs. 1 UAbs. 1, Art. 160j Abs. 1 UAbs. 1 GesRRL zur Verfügung steht.
III. Informationsrechte des Registergerichts
Das mit dem Verfahren zur Erteilung der Vorabbescheinigung betraute Registergericht kann gemäß § 317 Satz 1 Nr. 2, § 329 Satz 1, § 344 Satz 1 Nr. 2 UmwG‑E Informationen und Unterlagen von öffentlichen inländischen Stellen verlangen, soweit dies für die Prüfung nach §§ 316, 343 UmwG‑E erforderlich ist.
Im Grundsatz sind die im Entwurf vorgesehenen Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung zweckmäßig. Allerdings stößt der weite Anwendungsbereich der § 317 Satz 1 Nr. 2, § 329 Satz 1, § 344 Satz 1 Nr. 2 UmwG‑E auf Bedenken, da weder durch den Wortlaut noch durch die Entwurfsbegründung ausgeschlossen ist, dass Notarinnen und Notare unter den Begriff der „inländischen öffentlichen Stelle“ zu subsumieren sind. Dies stünde jedoch in erheblichem Widerspruch zur hohen Bedeutung der notariellen Verschwiegenheitspflicht nach § 18 BNotO, die eine „notarielle Kardinalpflicht“ darstellt und die Grundlage für eine vertrauliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürgern bildet.36
Die Entwurfsbegründung stellt zwar klar, dass das Verlangen nicht grenzenlos ist und diesem „überwiegende Vertraulichkeitsinteressen“ entgegenstehen können;37 eine Konkretisierung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs unterbleibt indes. Angesichts der Bedeutung der notariellen Verschwiegenheitspflicht regen wir jedenfalls für die Entwurfsbegründung eine ausdrückliche Klarstellung dahin gehend an, dass die notarielle Verschwiegenheitspflicht einer Weitergabe von Informationen und Unterlagen entgegensteht.
G. Ausweitung des Anwendungsbereichs der Beglaubigung mittels Videokommunikation
Art. 86o Abs. 3, Art. 128 Abs. 3 und Art. 160o Abs. 3 GesRRL fordern, dass die Anträge an die zuständige Stelle nach dem jeweiligen Absatz 1 vollständig online ohne persönliches Erscheinen eingereicht werden können. Ob mit der Formulierung „zuständige Stelle“ insoweit lediglich das Registergericht gemeint ist, sodass diese Voraussetzungen aufgrund der seit 1. Januar 2007 ausschließlich elektronischen Kommunikation zwischen Notarin bzw. Notar und Registergericht bereits vorlägen, oder ob damit auch die Notarin bzw. der Notar gemeint ist, mit der Folge, dass die Vorschriften eine entsprechende Einbeziehung in das notarielle Online-Verfahren erfordern, ist nicht vollständig geklärt.38 Registeranmeldungen stellen jedenfalls einen für ein notarielles Verfahren mittels Videokommunikation geeigneten Verfahrensgegenstand dar,39 sodass auch die letztgenannte Auffassung realisiert werden kann. Folgerichtig bezieht § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 HGB-E diese Gegenstände in den Anwendungsbereich des Videokommunikationssystems mit ein.
Falls der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie40 in seiner derzeitigen Entwurfsfassung in Kraft tritt, bedürfte § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB abweichend von dem Vorschlag des Referentenentwurfs keiner Änderung, da dann sämtliche Handelsregisteranmeldungen per Videokommunikation durchgeführt werden können.
H. Redaktionelle Änderungsvorschläge
Schließlich möchten wir noch auf geringfügige redaktionelle Aspekte hinweisen:
- Auf S. 7 fehlt unter dem Anwendungsbefehl Nummer 13 die Anordnung, dass der bisherige Satz 2 zu Satz 3 wird.
- Auf S. 30 wird bei § 329 Satz 1 UmwG‑E auf § 317 Abs. 1 […] UmwG‑E Bezug genommen. § 317 UmwG‑E weist allerdings nur Sätze auf.
- Auf S. 39 dürfte unter Nummer 60 „§ 348“ und unter Nummer 66 „§ 355“ gemeint sein.
- Auf S. 79 der Entwurfsbegründung dürfte unter Nummer 56 anstelle von „Vorschriften für grenzüberschreitende Spaltungen zur Aufnahme“ „Vorschriften für grenzüberschreitende Spaltungen zur Neugründung“ gemeint sein.
- Im Sinne einer „Verschlankung“ des Gesetzes könnte der Entwurf noch weitergehend von der Verweisungstechnik Gebrauch machen. Dies betrifft insbesondere nahezu identischen Normen wie § 317 und § 344 UmwG‑E.
1 Rieckers/Cloppenburg in: BeckOGK-UmwG, Stand: 1.4.2022, § 13 Rn. 2; Heidinger in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 13 UmwG Rn. 1; Entwurfsbegründung, S. 89.
2 Winter in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG, 9. Aufl. 2020, § 8 Rn. 38; Gehling in: Semler/Stengel/Leonard, UmwG, 5. Aufl. 2021, § 8 Rn. 71.
3 Mayer in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Stand: 1.1.2020, § 8 UmwG Rn. 59.
4 Stelmaszczyk/Potyka in: Herrler, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl. 2021, § 15 Rn. 184.
5 Schmidt, NZG 2022, 579, 584; Habersack, ZHR (186) 2022, 1, 5 m.w.N.
6 Vgl. hierzu ausführlich Noack/Habrich, AG 2019, 908, 910 ff.; Stelmaszczyk, ZIP 2019, 2437, 2442.
7 Schmidt, NZG 2022, 579, 585.
8 Schmidt, NZG 2022, 579, 584; Habersack, ZHR (186) 2022, 1, 5 jeweils m.w.N.
9 Vgl. dazu bereits Luy, NJW 2019, 1905, 1909.
10 Entwurfsbegründung, S. 62.
11 EuGH, DNotZ 2006, 210; Bormann/Stelmaszczyk, ZIP 2019, 353, 354; Bormann/Stelmaszczyk, ZIP 2019, 300, 302; Brehm/Schümmer, NZG 2020, 538, 539.
12 Vgl. dazu EuGH, DNotZ 2006, 210; Schmidt, NZG 2022, 579, 580.
13 Wicke, DStR 2018, 2642; Fink/Chilevych, NZG 2020, 544.
14 Bormann/Stelmaszczyk, ZIP 2019, 353, 354 f.; Schmidt, NZG 2022, 579, 580; Luy, NJW 2019, 1905, 1909; Wicke, DStR 2018, 2642, 2643.
15 Luy, NJW 2019, 1905, 1908.
16 Zur nationalen Regelung des § 31 UmwG Luy, GmbHR 2019, 1105, 1107 f.; Kalss in: Semler/Stengel/Leonard, UmwG, 5. Aufl. 2021, § 31 Rn. 5; C. Müller in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 31 UmwG Rn. 2; zur Anwendbarkeit mit Blick auf die Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie Noack, AG 2018, 780, 783.
17 So bereits Entwurfsbegründung, S. 89; vgl. zu den Formzwecken des § 15 Abs. 4 GmbHG im Übrigen Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 15 Rn. 12.
18 Entwurfsbegründung, S. 99.
19 So bereits zum UmwRL Teichmann, NZG 2019, 241, 248.
20 Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, im Erscheinen, Umwandlungsrecht aktuell Abschnitt A. I. 1. d) cc).
21 Bormann/Stelmaszczyk, ZIP 2019, 353, 360; Schollmeyer, NZG 2018, 977, 978.
22 Luy, NJW 2019, 1905, 1907.
23 Entwurfsbegründung, S. 101.
24 Schmidt, NZG 2022, 635, 640.
25 Entwurfsbegründung, S. 91.
26 Kogge in: MünchHdb-GesR, 5. Aufl. 2018, Band 8, § 13 Rn. 248.
27 Entwurfsbegründung, S. 94.
28 Zur Missbrauchsprüfung Luy, NJW 2019, 1905, 1907.
29 Eingehend zur Problematik Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, im Erscheinen, Umwandlungsrecht aktuell Abschnitt A. I. 1. d) bb).
30 So wohl auch Schollmeyer, ZGR 2020, 62, 74 f.
31 Stelmaszczyk, notar 2021, 147, 158; Stelmaszczyk, Der Konzern 2021, 48, 61.
32 Stelmaszczyk, Der Konzern 2021, 48, 63.
33 So ausdrücklich auch die Entwurfsbegründung, S. 91 f.; ferner Schollmeyer, ZGR 2020, 62, 78.
34 Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, im Erscheinen, Umwandlungsrecht aktuell Abschnitt A. I. 1. d) bb).
35 Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 501, 508.
36 Vgl. dazu exemplarisch BVerfG, DNotZ 2012, 597; BGH, DNotZ 2014, 837; vgl. außerdem Bremkamp in: Frenz/Miermeister, BNotO, 5. Aufl. 2020, § 18 Rn. 1; Diehn in: Diehn, BNotO, 2. Aufl. 2019, § 18 Rn. 1.
37 Entwurfsbegründung, S. 101.
38 Luy, NJW 2019, 1905, 1908.
39 Stellungnahme der Bundesnotarkammer zum DiREG, S. 5, abrufbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2022/Downloads/0404_Stellungnahme_BNotK_DiREG.pdf;jsessionid=DDC6C2DD70A74323C250D1A5C898A56B.1_cid343?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt aufgerufen am 12.5.2022.
40 BT-Drucks. 20/1672.
< zurück
Downloads
- Stellungnahme vom 17.05.2022 193 KB