Pflicht zur Führung von Insiderlisten und weitere Pflichten nach der Marktmissbrauchsverordnung (MAR)
Art. 18 der Marktmissbrauchsverordnung[1] (engl. Market Abuse Regulation oder kurz „MAR“) verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen die im Auftrag oder für Rechnung eines Emittenten handelnden Personen zur Führung von Insiderlisten. Nach Ansicht der Bundesnotarkammer kann eine solche Pflicht für Notarinnen und Notare nur dann bestehen, wenn sie außerhalb ihres öffentlichen Amtes und damit nicht hoheitlich handeln. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen („BaFin“) sieht Notarinnen und Notare hingegen bei Tätigkeiten für Emittenten stets als Verpflichtete an.
Zur Vermeidung eines möglichen Bußgeldes empfiehlt es sich daher, bei Tätigkeiten für vom Anwendungsbereich der MAR erfasste Gesellschaften (insbesondere börsennotierte Unternehmen) und Zugang zu Insiderinformationen eine Insiderliste zu führen. Eine Vorlage für eine solche Insiderliste kann im internen Bereich der Internetseite der Bundesnotarkammer heruntergeladen werden.[2]
In diesem Rundschreiben werden nach einer kurzen Darstellung der Grundlagen zur MAR (unter Abschnitt I.) die Pflichten im Zusammenhang mit Insiderlisten im Einzelnen dargestellt und praktische Empfehlungen zu deren Gestaltung gegeben (unter Abschnitt II.). Abschließend wird auf die allgemein geltenden Insiderverbote hingewiesen (unter Abschnitt III.).
Eine ausführliche Darstellung der Pflichten nach der MAR und praktische Hilfestellungen können auch dem Emittentenleitfaden Modul C der BaFin[3] entnommen werden.
Im Einzelnen:
I. Grundlagen zur MAR
Ziel der MAR ist es, einen gemeinsamen Rechtsrahmen für Insidergeschäfte, die Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) sowie für Maßnahmen zur Verhinderung von Marktmissbrauch zu schaffen, um die Integrität der Finanzmärkte der Europäischen Union sicherzustellen und den Anlegerschutz und das Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte zu stärken (Art. 1 MAR). Die MAR regelt hierzu bestimmte Pflichten im Zusammenhang mit Insiderinformationen, die für Emittenten, deren Dienstleister und sonstige Personen gelten.
1. Begriff des Emittenten
Emittenten sind juristische Personen, die Finanzinstrumente emittieren oder deren Emission vorschlagen (Art. 3 Nr. 21 MAR).
Finanzinstrumente sind vor allem[4] Aktien, aber auch Anleihen, Swaps, Futures und Emissionszertifikate. Aus diesem Grund können auch andere Unternehmen als Aktiengesellschaften Emittenten sein.
Vom Anwendungsbereich der MAR ist ein Emittent insbesondere[5] erfasst, wenn seine Finanzinstrumente
- zum Handel auf einem geregelten Markt[6] zugelassen sind oder für diese ein Antrag auf Zulassung gestellt wurde (z. B. Frankfurter Wertpapierbörse),
- in einem multilateralen Handelssystem (engl. Multilateral Trading Facility, „MTF“)[7] gehandelt werden, zum Handeln in einem MTF zugelassen sind oder für diese ein Antrag auf Zulassung zum Handel in einem MTF gestellt wurde (z. B. die Scale der Frankfurter Wertpapierbörse oder m:access der Börse München), oder
- in einem organisierten Handelssystem (engl. Organized Trading Facility, “OTF“)[8] gehandelt werden (z. B. broker crossing systems, swap execution facilites).[9]
Damit werden nach der MAR, anders als nach früherem Recht, nicht nur Unternehmen erfasst, die eine Zulassung ihrer Finanzinstrumente zum Handel am regulierten Markt haben, sondern auch solche, deren Finanzinstrumente – mit Zustimmung des Unternehmens[10] – lediglich im Freiverkehr gehandelt werden.
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde („ESMA“) stellt auf ihrer Internetseite ein Verzeichnis der relevanten Märkte und Handelssysteme in der EU zur Verfügung.[11]
2. Begriff der Insiderinformation
Bezugspunkt und Auslöser sowohl der Pflicht zur Führung von Insiderlisten als auch der Insiderverbote ist das Vorliegen einer Insiderinformation. Darunter versteht man präzise, nicht öffentlich bekannte Informationen mit Bezug zu einem oder mehreren Emittenten oder Finanzinstrumenten, die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs dieser Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen (Art. 7 Abs. 1 lit. a MAR).
a) Präzise Information
Eine Information ist gemäß Art. 7 Abs. 2 MAR präzise, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die entweder bereits gegeben sind oder bei denen man vernünftigerweise erwarten kann, dass sie in Zukunft gegeben sein werden. Außerdem zählt hierzu ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder von dem man vernünftigerweise erwarten kann, dass es in Zukunft eintreten wird. Darüber hinaus müssen diese Informationen spezifisch genug sein, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse der Finanzinstrumente zuzulassen.
b) Nicht öffentlich bekannte Information
Das Tatbestandsmerkmal „nicht öffentlich bekannt“ ist negativ abzugrenzen: Öffentlich bekannt ist die Information, wenn sie einem breiten Anlegerpublikum und damit einer unbestimmten Zahl von Personen zugänglich gemacht wurde, etwa durch ein allgemein zugängliches elektronisches Informationsverbreitungssystem. Dabei genügt es nicht, wenn die Information lediglich im Handelsregister abrufbar ist oder anlässlich einer Hauptversammlung bekannt gegeben wurde.[12]
c) Bezug zu Emittent/Finanzinstrument
Die Information muss direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen. Die preisbeeinflussenden Umstände müssen daher nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sein oder unmittelbar den Emittenten oder das Finanzinstrument betreffen. Auch den Emittenten nur mittelbar betreffende Umstände können Insiderinformationen sein.[13]
d) Erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial
Eine Insiderinformation liegt nur dann vor, wenn die der Information zugrunde liegenden Umstände geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Finanzinstrumente des Emittenten bzw. von Derivaten auf diese Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Hierbei ist auf einen verständigen Anleger abzustellen. Ausreichend ist, wenn aus Sicht eines solchen Anlegers, der zum Zeitpunkt seines Handelns alle verfügbaren Informationen kennt, wahrscheinlich erscheint, dass es zu einer erheblichen Kursbeeinflussung kommen kann. Die Voraussetzung der Erheblichkeit soll sicherstellen, dass nicht jeder Umstand, der zu einer geringfügigen Kursbewegung führen kann, als Insiderinformation zu bewerten ist.[14]
e) Zwischenschritte als Insiderinformation; Beispiele für potenzielle Insiderinformationen
Bei gestreckten Sachverhalten kann nicht nur das Endereignis selbst eine Insiderinformationen darstellen, vielmehr gilt dies auch für bestimmte Zwischenschritte, die mit der Herbeiführung oder Hervorbringung dieses zukünftigen Umstands oder Ereignisses verbunden sind (Art. 7 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 MAR). Hat etwa ein Unternehmen die feste Absicht gefasst, ein anderes Unternehmen zu übernehmen, kann bereits dies ein insiderrechtlich relevanter Zwischenschritt sein, vorausgesetzt, die Information hat erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial (was umso eher anzunehmen ist, je gewichtiger und wahrscheinlicher das Endergebnis ist).
Im Hinblick auf die notarielle Praxis können etwa die nachfolgend genannten Umstände/Ereignisse potenzielle Insiderinformationen darstellen:[15]
- Veränderungen in der Führungsebene des Emittenten, insbesondere die überraschende Abberufung des Vorstandsvorsitzenden,
- bedeutende Umwandlungsmaßnahmen,
- bedeutende Kapitalmaßnahmen,
- der Kauf/Verkauf bedeutender Vermögenswerte (z. B. einer Immobilie oder Tochtergesellschaft),
- der Abschluss von Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträgen.
Entscheidend sind aber stets die Umstände des konkreten Einzelfalles, insbesondere für die Frage des erheblichen Kursbeeinflussungspotenzials der Information.
II. Pflicht zur Führung von Insiderlisten (Art. 18 MAR)
Nach Art. 18 MAR sind alle im Auftrag oder für Rechnung eines Emittenten handelnden Personen („Dienstleister“) verpflichtet, unter bestimmten Voraussetzungen Insiderlisten zu erstellen sowie diese aktuell zu halten und der zuständigen Behörde auf Ersuchen zur Verfügung zu stellen. Dies dient der Überwachung des Flusses von Insiderinformationen und soll der BaFin ermöglichen, Verstöße gegen Insiderverbote aufzuklären. Daneben sind auch die Emittenten selbst zum Führen von Insiderlisten verpflichtet. Diese Pflichten bestehen nebeneinander. Es ist daher für den Dienstleister unerheblich, wenn er (und ggf. auch seine Beschäftigten) bereits auf der Insiderliste des Emittenten geführt werden.
1. Notarinnen und Notare als Dienstleister im Sinne des Art. 18 MAR
Weder die MAR noch andere Sekundärrechtsakte treffen weiterführende Aussagen zu der Frage, wie das Kriterium des Handelns im Auftrag oder für Rechnung zu verstehen sind. Die BaFin nennt in ihrem Emittentenleitfaden Notare neben Rechtsanwälten, Steuerberatern und Insolvenzverwaltern als typische Dienstleister des Emittenten, die zur Führung einer eigenen Insiderliste verpflichtet sind, wenn „sie im Auftrag oder für Rechnung eines Emittenten handeln“.[16] Damit werden letztlich nur die Voraussetzungen des Art. 18 MAR wiedergegeben. Eine entsprechende Nachfrage der Bundesnotarkammer hat die BaFin jedoch dahingehend beantwortet, dass notarielle Tätigkeiten für Emittenten stets in deren Auftrag oder für deren Rechnung erfolgen sollen. Dabei wird im Wesentlichen mit der Schutzwürdigkeit der Insiderinformation argumentiert, die auch in der Sphäre der Notarinnen und Notare sichergestellt werden müsse.
Die Bundesnotarkammer teilt diese Ansicht ausdrücklich nicht. Notarinnen und Notare haben ein öffentliches Amt inne (§ 1 BNotO). Sie üben staatsnahe, hoheitliche Funktionen im Rahmen der vorsorgenden Rechtspflege aus, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts originäre Staatsaufgaben sind.[17] Sie sind nicht Vertreter einer Partei, sondern unabhängige und unparteiische Betreuer der Beteiligten (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO). Sie handeln daher gerade nicht im Auftrag oder für Rechnung eines Beteiligten, sondern hoheitlich. Die BaFin erkennt für Gerichte, Staatsanwaltschaften, Polizei und sonstige Behörden an, dass diese hoheitlich und daher nicht im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handeln, weshalb sie auch nicht zum Kreis der in Art. 18 MAR genannten Listenführungspflichtigen gehören.[18] Hierzu steht eine Auslegung, die Notarinnen und Notare stets als Dienstleister einstuft, im Widerspruch und verkennt die Grundlagen der deutschen Notariatsverfassung. Auch zur Vorgängervorschrift des § 15b WpHG a. F. war es herrschende Meinung – die auch von der BaFin geteilt wurde –, dass Notarinnen und Notare keine Dienstleister sind, soweit sie hoheitlich tätig werden.[19] Die Vorschrift ging bereits auf unionsrechtliche Vorgaben zurück.[20] Mit der Harmonisierung durch Art. 18 MAR war keine inhaltliche Änderung des Anwendungsbereichs der Vorschrift verbunden. Vor diesem Hintergrund sind sachliche Gründe, Notarinnen und Notare anders zu behandeln als ebenfalls hoheitlich handelnde Stellen, wie Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizei, nicht ersichtlich.
Nach Ansicht der Bundesnotarkammer sprechen daher gute Argumente dafür, dass Notarinnen und Notare auch nach neuer Rechtslage nur dann zur Führung von Insiderlisten verpflichtet sind, wenn sie ausnahmsweise außerhalb ihres öffentlichen Amtes und damit nicht hoheitlich handeln.
Da ein Verstoß gegen die Pflichten nach Art. 18 MAR jedoch bußgeldbewehrt ist[21] und die BaFin die für die Verfolgung zuständige Verwaltungsbehörde ist[22], empfiehlt es sich aber jedenfalls aus Gründen der Vorsicht, bei Tätigkeiten für Emittenten stets die Pflichten nach Art. 18 MAR zu beachten.
2. Überblick der Pflichten nach Art. 18 MAR
Die Dienstleister sind nach Art. 18 Abs. 1 MAR verpflichtet,
- eine Liste aller Personen aufzustellen, die Zugang zu Insiderinformationen haben, wenn diese Personen für sie auf Grundlage eines Arbeitsvertrags oder anderweitig Aufgaben wahrnehmen, durch die sie Zugang zu Insiderinformationen haben („Insiderliste“),
- die Insiderliste zu aktualisieren sowie
- der BaFin auf deren Ersuchen zur Verfügung zu stellen.
Die Insiderliste ist elektronisch zu führen und mindestens fünf Jahre aufzubewahren (Art. 18 Abs. 5 MAR).
Die in den Insiderlisten aufgeführten Personen müssen über die rechtlichen Pflichten, die sich aus dem Zugang zu den jeweiligen Insiderinformationen ergeben (insbesondere die Insiderverbote), sowie über die Rechtsfolgen von Verstößen aufgeklärt werden (Art. 18 Abs. 2 MAR). Es genügt hierbei eine einmalige Aufklärung. Für die erforderliche Belehrung stellt die Bundesnotarkammer einen Vordruck bereit.[23] Es empfiehlt sich, die unterschriebene Belehrung in der Generalakte aufzubewahren.
3. Hinweise zur Gestaltung der Insiderliste
Eine Vorlage für eine Insiderliste kann als Excel-Dokument im internen Bereich der Internetseite der Bundesnotarkammer heruntergeladen werden.[24] Kommerzielle Anbieter bieten spezielle Software für die Erstellung der Insiderliste an.
a) Aufzunehmende Personen
In die Insiderliste hat der Listenführungsverpflichtete die Beschäftigten und Dienstleister aufzuführen, soweit sie bestimmungsgemäß Zugang zu der Insiderinformation haben. Personen, die lediglich zufällig oder bei Gelegenheit Kenntnis von der Information erlangen, sind nicht aufzuführen (z. B. IT-Mitarbeiter), es sei denn, dem Listenführungsverpflichteten wird dies bekannt.[25] Aufzunehmen sind immer nur natürliche Personen.
Nicht erforderlich für die Aufnahme in die Liste ist, dass die betreffenden Personen bereits tatsächlich Zugang zu bestimmten Insiderinformationen gehabt haben. Vielmehr reicht es aus, wenn die Personen gemäß ihrer Aufgabenbeschreibung in der konkreten Situation mit Insiderinformationen in Kontakt kommen können.[26]
Ein Widerspruchsrecht der betroffenen Personen gegen ihre Aufnahme besteht nicht. Sie sollten jedoch über ihre Aufnahme informiert werden. Dies kann auch dadurch erfolgen, dass die betroffenen Personen selbst ihre Daten in die Insiderliste eintragen. Dies dürfte sich ohnehin empfehlen, um die Richtigkeit der Angaben zu gewährleisten.
b) Inhalt und Aufbau der Insiderliste
Der Mindestinhalt der Insiderliste ist nach Art. 18 Abs. 3 MAR: (i) Identität der in die Liste Aufgenommenen, (ii) Aufnahmegrund, (iii) Zeitpunkt des Zugangs zu der Insiderinformation und (iv) Datum der Erstellung der Insiderliste.
Die Durchführungsverordnung EU 2016/347[27] („DVO“) erweitert und konkretisiert diese Vorgaben und gibt das Format der Insiderliste vor. Sie enthält in Anhang I eine Vorlage. Die Insiderliste muss elektronisch entsprechend dieser Vorlage geführt werden (Art. 2 Abs. 3 DVO).
Die erforderlichen Angaben sollten überwiegend selbsterklärend sein, weshalb nur auf Folgendes hingewiesen wird: Uhrzeiten sind in dem Uhrzeitformat der koordinierten Weltzeit (UTC) anzugeben. Dies führt in Deutschland zu einer notwendigen Subtraktion von zwei Stunden während der Sommerzeit und einer Stunde in der Winterzeit. Bei „Funktion und Grund für die Einstufung als Insider“ kann beispielsweise eingetragen werden: „Angestellte/r; Mitarbeit am Mandat“. Eine nationale Identifikationsnummer gibt es für deutsche Staatsbürger nicht, weshalb die Angabe für diese entfällt.[28]
Die Insiderliste ist in separate Abschnitte zu gliedern, wobei jeder Insiderinformation ein eigener Abschnitt zuzuordnen ist, der nur Angaben zu den natürlichen Personen enthält, die Zugang zu der für diesen Abschnitt relevanten Insiderinformation haben. Ein Abschnitt könnte beispielsweise bezeichnet werden mit: „Abschnitt in Bezug auf Unternehmenskauf A-AG ./. B-AG“. Bei Feststellung neuer Insiderinformationen ist ein neuer Abschnitt hinzuzufügen. Es ist hierbei möglich, eine Insiderliste mit verschiedenen Abschnitten (also ein Dokument untergliedert in verschiedene Bereiche) zu führen oder für jeden Abschnitt ein eigenes Dokument anzulegen. Ersteres bietet sich an, wenn die Insiderliste in der Generalakte, Letzteres, wenn der jeweilige Abschnitt der Insiderliste mit der zugehörigen Nebenakte (elektronisch) verwahrt werden soll.
c) Aktualisierung der Insiderliste
Die Insiderliste muss gemäß Art. 18 Abs. 4 MAR unverzüglich aktualisiert werden, wenn
- sich der Grund für die Erfassung einer Person ändert,
- eine neue Person Zugang zu den jeweiligen Insiderinformationen erlangt, oder
- wenn eine benannte Person keinen Zugang mehr zu den jeweiligen Insiderinformationen hat.
Die Aktualisierung hat unter Nennung des Datums und der Uhrzeit der Änderung zu erfolgen.
Die Pflicht zur Aktualisierung der Insiderliste endet, wenn keine Insiderinformation mehr vorliegt. Das ist der Fall, wenn die Information veröffentlicht worden ist oder sich die Insiderinformation bzw. das Projekt vorzeitig erledigt hat. In diesem Fall ist das Datum der Veröffentlichung der Ad-Hoc-Mitteilung bzw. das Datum des Endes des Projektes anzugeben. Bei einzelnen Mitarbeitern endet die Aktualisierungspflicht mit dem Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Unternehmen. In die Liste ist das Ausscheidedatum einzutragen. Urlaubs- oder kurzzeitige krankheitsbedingte Abwesenheiten der in der Liste aufgenommen Personen sind kein Grund für die Aktualisierung.[29]
Über die Vorgaben des Art. 18 MAR hinaus sollte – im Sinne einer Korrektur, aber nicht einer Aktualisierung – die Insiderliste auch dann geändert werden, wenn sich bestimmte personenbezogene Daten ändern, wie beispielsweise ein Familienname oder eine private Adresse oder Telefonnummer.[30]
4. Weitere Hinweise
Die Insiderliste ist so aufzubewahren und zu führen, dass ihre vertrauliche Handhabung sichergestellt ist (Art. 2 Abs. 4 lit. a DVO). Daher ist der Zugang auf eindeutig festgelegte Personen zu beschränken, für die dieser Zugang aufgrund des Charakters ihrer Funktion oder ihrer Position notwendig ist.[31] Dies wird im Regelfall nur auf die Notarin bzw. den Notar selbst zutreffen. Zur Sicherstellung der Zugangsbeschränkung empfiehlt es sich, die Datei mit einem Passwort zu schützen.
Die Listenführungspflichtigen müssen die Liste auf Anfrage der BaFin vorlegen. Die Vorlage erfolgt unter Verwendung der von der BaFin festgelegten und auf ihrer Website veröffentlichten elektronischen Hilfsmittel; dies ist derzeit die Übermittlung per SecureMail.[32]
Die Insiderliste ist mindestens fünf Jahre aufzubewahren (Art. 18 Abs. 5). Mit jeder Aktualisierung beginnt diese Frist für den entsprechenden Datensatz neu zu laufen.[33] Es muss dabei ein jederzeitiger Zugriff auch auf frühere Fassungen für fünf Jahre möglich sein (Art. 2 Abs. 4 DVO). Daraus folgt, dass bei jeder Aktualisierung eine neue Version (etwa mit Angabe des Datums der Aktualisierung) abgespeichert werden muss, wenn die Liste als Word- oder Excel-Datei geführt wird.
Nach Ablauf der nach der MAR vorgegebenen Mindestaufbewahrungsfrist von fünf Jahren sind die Daten laut BaFin aus datenschutzrechtlichen Gründen zwingend zu vernichten.[34] Richtigerweise sollten jedoch anderweitige gesetzliche Aufbewahrungsfristen unberührt bleiben. Als Teil der Nebenakte kann der jeweilige Abschnitt der Insiderliste daher auch über fünf Jahre hinaus aufbewahrt werden.
III. Insiderverbote
Nach Art. 14 MAR sind
- das Tätigen von Insidergeschäften,
- die Empfehlung von und das Verleiten Dritter zu Insidergeschäften sowie
- die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen
verboten. Ein Verstoß gegen diese Verbote stellt eine Straftat dar (§ 119 Abs. 3 WpHG). Es handelt sich hierbei um Jedermannsdelikte, weshalb insoweit die Frage der Einstufung als Dienstleister (siehe oben unter Abschnitt II.1.) unerheblich ist.[35] Ziel der Insiderverbote ist es, ungerechtfertigte Vorteile des Insiders zum Nachteil Dritter, die die Insiderinformationen nicht kennen, zu verhindern.
Insidergeschäfte sind der (direkte oder indirekte) Erwerb oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene oder fremde Rechnung unter Nutzung einer Insiderinformation (Art. 8 MAR). Solche Geschäfte dürfen Notarinnen und Notare weder selbst vornehmen noch andere dazu anhalten. Da der Erwerb oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten durch eine Person, die Kenntnis von einer Insiderinformation hat, die Vermutung dafür begründet, dass diese Insiderinformation auch genutzt wurde (siehe Erwägungsgrund 24 der MAR), empfiehlt es sich zur Vermeidung eines Strafbarkeitsrisikos, keine Geschäfte mit den betroffenen Finanzinstrumenten zu tätigen, solange eine Insiderinformation bekannt ist.
Eine unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen liegt vor, wenn eine Person, die über Insiderinformationen verfügt, diese Informationen gegenüber einer anderen Person offenlegt, es sei denn, die Offenlegung geschieht im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben (Art. 10 Abs. 1 MAR). Schon die notarielle Verschwiegenheitspflicht gebietet es, Insiderinformationen nicht zu anderen Zwecken als zur Erfüllung des notariellen Amtsgeschäfts zu verwenden.
[1] Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. L 173, S. 1; durch die Berichtigung der MAR vom 21. Oktober 2016 (ABl. L 287, S. 320) erfolgten verschiedene sprachliche Änderungen.
[2] Abrufbar unter https://www.bnotk.de/intern/vordrucke.
[3] BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Regelungen aufgrund der Marktmissbrauchsverordnung (MAR), Stand: 25. März 2020, abrufbar unter www.bafin.de/DE/Aufsicht/BoersenMaerkte/Emittentenleitfaden/Modul3/ emittentenleitfaden_node.html.
[4] Siehe im Einzelnen Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 MAR i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 und Anhang I Abschnitt C der Richtline (EU) 2014/65 (MiFD II). Umfasst sind etwa übertragbare Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen, bestimmte Derivatkontrakte (u. a. Derivate auf Wertpapiere, Währungen, Zinssätze, Waren), derivative Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken, finanzielle Differenzgeschäfte (CFDs) und Emissionszertifikate.
[5] Siehe im Einzelnen Art. 2 Abs. 1 MAR.
[6] Geregelter Markt ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 MAR i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 MiFID II ein von einem Marktbetreiber betriebenes und/oder verwaltetes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach seinen nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, die zu einem Vertrag in Bezug auf Finanzinstrumente führt, die gemäß den Regeln und/oder den Systemen des Marktes zum Handel zugelassen wurden, und das eine Zulassung erhalten hat und ordnungsgemäß und gemäß Titel III der MiFID II funktioniert. Zentrales Unterscheidungsmerkmal des geregelten gegenüber einem sonstigen Markt ist damit seine behördliche Zulassung und Überwachung.
[7] MTF ist gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 MAR i. V. m Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 MiFID II ein von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber betriebenes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß Titel II der MiFID II führt. Anders als im geregelten Markt braucht hier nur der Marktbetreiber als Wertpapierfirma – nicht hingegen der Betrieb selbst – eine Zulassung.
[8] Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 MAR i. V. m Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 MiFID II definiert OTFs als multilaterale Systeme, die kein geregelter Markt oder ein multilaterales Handelssystem sind und die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb der Systeme in einer Weise zusammenführen, die zu Verträgen gemäß Titel II der MiFID II führt. Ein solches multilaterales System setzt die Interaktion der Handelsabsichten mehrerer Kunden und damit mindestens drei Marktteilnehmer voraus, sodass viele Over-the-Counter-Geschäfte nunmehr als OTF-Handel einzustufen sind.
[9] Ausführlich zu den unterschiedlichen Handelsplätzen siehe Lehmann in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2021, Band 13 Teil 12, Rn. 145 ff.
[10] Horcher in: Beck’sches Handbuch der AG, 3. Aufl. 2018, § 22 Rn. 35; Scholz NZG 2016, 1286.
[11] Unter https://registers.esma.europa.eu/publication/searchRegister?core=esma_registers_upreg.
[12] BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 10.
[13] BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 11.
[14] Ausführlich dazu BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 11 f.
[15] Vgl. die Aufzählung bei BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 22.
[16] BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 87.
[17] BVerfG NJW 2012, 2639, 2641 Rn. 49; NJW 1987, 887.
[18] BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 88.
[19] Emittentenleitfaden der BaFin, 4. Aufl., Ziffer VII.2.3.2, S. 97; Pfüller in: Fuchs, WpHG, 2. Auflage 2016, § 15b Rn. 27; Sethe in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 15b Rn. 19; Neusüß in: Just/Voß/Ritz/Becker, WpHG, 1. Auflage 2015, § 15b Rn. 7; Serr, CCZ 2014, 269, 273; so auch bereits Rundschreiben der BNotK Nr. 25/2005 vom 17.08.2005.
[20] Siehe Art. 6 Abs. 3 UAbs. 3 der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. Nr. 96, S. 16.
[21] Siehe § 120 Abs. 15 Nr. 12 bis 16 WpHG.
[22] Siehe § 121 WpHG.
[23] Abrufbar unter https://www.bnotk.de/intern/vordrucke.
[24] Abrufbar unter https://www.bnotk.de/intern/vordrucke.
[25] BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 89.
[26] BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 89.
[27] Durchführungsverordnung (EU) 2016/347 der Kommission vom 10. März 2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards im Hinblick auf das genaue Format der Insiderlisten und für die Aktualisierung von Insiderlisten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 65, S. 49
[28] BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 90 f.
[29] BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 92.
[30] BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 92.
[31] BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 92.
[32] Siehe hierzu die Anleitung unter www.bafin.de/DE/DieBaFin/Kontakt/GesicherteKommunika-tion/gesicherte_kommunikation_node.html.
[33] BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 92.
[34] BaFin, Emittentenleitfaden (a.a.O.), S. 92.
[35] Vgl. auch Panaris in: MünchKommStGB, 3. Aufl. 2019, Band 7, § 119 WpHG Rn. 160.
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