Rundschreiben Nr. 7/2008 vom 07.03.2008

Verkauf von Immobilienkrediten (zuletzt Rundschreiben Nr. 36/2007) hier: Vollmacht für Grundpfandrechtsgläubiger zur freihändigen Verwertung

Wir kommen zurück auf unser Rundschreiben Nr. 36/2007 vom 13.12.2007, in dem wir Ihnen unsere erste Einschätzung zu den Diskussionen über den Verkauf von Immobilienkrediten mitgeteilt haben.

Zwischenzeitlich hatte die Bundesnotarkammer Gelegenheit, in verschiedenen Gesprächen an den Überlegungen hierzu mitzuwirken. Nicht zuletzt war sie sachverständig vertreten in der am 23. Januar 2008 vom Finanzausschuss des Deutschen Bundestages durchgeführten öffentlichen Anhörung.

Zur Beilegung der entstandenen Beunruhigung und zur künftigen Vermeidung von ungerechtfertigten Schwierigkeiten für Darlehensnehmer werden im politischen Raum eine Reihe von Lösungen diskutiert. Sie konzentrieren sich im Wesentlichen auf Regelungen zu Immobiliardarlehen in §§ 488 ff. BGB, beziehen aber auch die Erstreckung von Einreden aus dem Sicherungsvertrag einer Sicherungsgrundschuld auf den Zessionar sowie die Einschränkung ihres gutgläubigen einredefreien Erwerbes mit ein. Auch die unberechtigte Vollstreckung aus der Grundschuld sowie aus einem meist zugleich abgegebenen Schuldversprechen ist Gegenstand der Erörterungen. Eine Einigung auf konkrete Vorschläge ist derzeit offen, ebenso wie ihre zeitliche Umsetzung.

Zuletzt hat sich allerdings gezeigt, dass – anders als in Presseberichten verlautbart – weniger eine angedrohte oder eingeleitete Zwangsvollstreckung als vielmehr ein hartes außergerichtliches Vorgehen der Forderungskäufer Darlehensschuldner in die Enge treiben kann. Problematisch kann dabei insbesondere das Verlangen nach einer sog. Verkaufsvollmacht sein. Diese soll dem neuen Grundpfandrechtsgläubiger eine freihändige „Verwertung“ des belasteten Grundbesitzes ermöglichen und dabei nicht nur den Verkauf (einschließlich Erklärung der Auflassung und der Einräumung einer Belastungsvollmacht) umfassen, sondern häufig etwa auch zum Abschluss von Sanierungs-, Verwaltungs- und Mietverträgen oder sonstigen Vereinbarungen im Hinblick auf das Grundstück berechtigen. Die Forderungskäufer dürften damit den Unannehmlichkeiten einer Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung einschließlich der möglichen Einstellung aufgrund einer Vollstreckungsgegenklage entgehen und einen höheren Erlös als bei zwangsweiser Verwertung erzielen wollen. Dabei ist oftmals schon die Tatsache der „Verwertung“ fragwürdig.

Aus unserer Sicht gilt es bei Verkaufsvollmachten vielmehr Folgendes zu beachten:

1. Beurkundungsbedürftigkeit

Zu prüfen ist zunächst die Beurkundungsbedürftigkeit und zwar nicht nur in Bezug auf die Vollmacht selbst, sondern auch auf das Grundgeschäft (etwa im Hinblick auf den Auftrag zur Vollmachtserteilung). Soll hiernach die Grundstücksvollmacht unwiderruflich erteilt werden, entspricht es herrschender Meinung, dass auch das zugrunde liegende Rechtsverhältnis zu beurkunden ist. Der Auftraggeber ist hier aus dem Auftrag bereits rechtlich und tatsächlich so an das Veräußerungsgeschäft gebunden, dass der Schutzzweck von § 311b Abs. 1 BGB eingreift.

Beschränkt sich die Beurkundung in Fall einer unwiderruflichen Erteilung auf die Vollmacht selbst, ist nicht nur die Vollmacht formnichtig (§ 311b Abs. 1 i. V. m. § 125 BGB; dazu BGH DNotZ 1970, 743; BGH DNotZ 1985, 294). Auch jeder hierauf beruhende Vertrag wäre zunächst schwebend unwirksam, weil er vollmachtslos geschlossen würde und bedürfte vielmehr der Genehmigung des Eigentümers.

Inwieweit ein nicht zu beurkundender Folgevertrag (etwa zur Vermietung oder Sanierung) wirksam geschlossen werden könnte, weil die formnichtige Vollmacht möglicherweise für diesen Bereich in eine wirksame formfreie Vollmacht umgedeutet werden könnte (§ 140 BGB), bedarf aus unserer Sicht keiner näheren Betrachtung. Gegen die Umdeutung könnte sprechen, dass die Absicht des Verkaufs für den Grundschuldgläubiger in der Regel im Vordergrund stehen dürfte und eine Umdeutung hier demnach gegenüber dem ursprünglich beabsichtigten Geschäft nicht zu einem Weniger, sondern zu etwas grundlegend Anderem führen würde.

2. Verbot der Verfallabrede

Nach § 1149 BGB kann der Eigentümer eines mit einer Hypothek belasteten Grundstücks dem Gläubiger nicht das Recht einräumen, zum Zwecke der Befriedigung die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück zu verlangen oder die Veräußerung des Grundstückes auf andere Weise als im Wege der Zwangsvollstreckung zu bewirken, solange die Forderung ihm gegenüber nicht fällig geworden ist. Von den von § 1149 BGB verbotenen Abreden werden auch Verkaufsvollmachten erfasst (Staudinger/Wolfsteiner (2002) § 1149 Rn. 13).

Diese Vorschrift gilt – anders als der Wortlaut vermuten lässt (§ 1192 Abs. 1 a.E. BGB) – entsprechend für Grundschulden (statt aller Palandt/Bassenge, BGB, 67. Aufl. 2008, § 1149 Rn. 2). Abgestellt wird bei der Grundschuld sodann jedoch nicht auf die Fälligkeit des dinglichen Rechts, die bei Grundschulden in der Regel abweichend von § 1193 Abs. 1 BGB sofort eintritt (§ 1193 Abs. 2 BGB). Entscheidend ist dort vielmehr die Fälligkeit des gesicherten Hauptanspruches, also der Forderung aus dem gesicherten Darlehensvertrag (Staudinger/Wolfsteiner (2002) § 1149 Rn. 16). Vor Eintritt der Fälligkeit dieser Darlehensforderung ist eine Vollmachtserteilung mithin wegen Verstoßes gegen §§ 1192 Abs. 1, 1149 BGB nichtig.

Nach Eintritt der Fälligkeit der gesicherten Forderung sind Vereinbarungen, die in den Anwendungsbereich des § 1149 BGB fallen, grundsätzlich zulässig. Ob § 1149 BGB einschlägig ist, hängt also davon ab, ob die gesicherte Forderung dem Vollmachtgeber gegenüber fällig gestellt wurde oder nicht. Im Falle eines Immobiliardarlehens setzt dies in der Regel die Kündigung des Darlehens voraus oder zumindest das Auslaufen einer Festzinsperiode ohne Fortsetzungsangebot.

3. Grenzen des § 138 BGB

Selbst dann, wenn § 1149 BGB eingehalten wurde, können sich aus § 138 BGB zu beachtende Grenzen ergeben. Hierbei kommt sowohl eine Sittenwidrigkeit in Bezug auf den betroffenen Vollmachtsgeber als auch eine solche gegenüber Dritten (nämlich anderen dinglich gesicherten Gläubigern) in Betracht. Eine Vollmacht kann deshalb von vornherein nur dann als wirksam angesehen werden, wenn sichergestellt ist, dass die Rechte anderer dinglich gesicherter Gläubiger nicht beeinträchtigt werden und der Gläubiger keinen über seine Forderung hinausgehenden Gewinn erlangt (MünchKomm-Eickmann, BGB, 4. Aufl. 2004, § 1149 Rn. 11).

Problematisch kann außerdem sein, wenn sich der Eigentümer bei Abgabe der Verkaufsvollmacht in einer Zwangslage befindet. Dies dürfte in den vorliegenden Fällen bedingt durch die Fälligkeit der Forderung und eine (zeitweise) mangelnde Leistungsfähigkeit des Darlehensschuldners häufig der Fall sein. Zu beachten ist schließlich, dass ein Erwerb in der Zwangsversteigerung unter Ausschluss der Gewährleistung erfolgt (§ 56 Satz 3 ZVG), ein freihändiger Verkauf jedoch nach Belieben des Bevollmächtigten gestaltet werden kann – gegebenenfalls mit weiteren nachteiligen Folgen für den verpflichteten Eigentümer.

4. Möglicher Verstoß gegen das RBerG

In Betracht kommt ferner ein Verstoß des Grundgeschäfts gegen Art. 1 § 1 RBerG, der sich wiederum auch auf die Vollmacht auswirken könnte. Voraussetzung ist dafür das Vorliegen einer geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten.

Die Geschäftsmäßigkeit erfordert eine selbständige, mit Wiederholungsabsicht ausgeübte Tätigkeit, die nicht nur aus besonderen Gründen als Gefälligkeit erfolgt. Wird die Rechtsbesorgung im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit übernommen, ist dabei von ihrer Geschäftsmäßigkeit auszugehen (vgl. etwa Chemnitz/Johnigk, RBerG, 11. Aufl. 2003, Art. 1 § 1 Rn. 102 ff.).

Zu klären bleibt, ob auch eine „fremde Rechtsangelegenheit“ vorliegt. Aus unserer Sicht ist dies bei einem Verkauf eines Grundstücks durch einen Grundpfandrechtsgläubiger der Fall, weil die freihändige Veräußerung im Grundsatz allein Angelegenheit des Eigentümers ist.

Das wirtschaftliche Interesse des Kreditgebers an der Rechtsbesorgung dürfte hierbei keine andere Beurteilung rechtfertigen (in diese Richtung aber Esser, RNotZ 2005, 69, 96). Denn ein bloß mittelbares Eigeninteresse an der Erledigung der Rechtsangelegenheit beseitigt die Fremdheit ebenso wenig wie der Umstand, dass notwendigerweise auch die Rechtsangelegenheit eines Dritten mitbesorgt wird (Rennen/Caliebe, RBerG, 3. Aufl. 2001, Art. 1 § 1 Rn. 30 f.). Auch dürfte eine Differenzierung danach, ob die freihändige Verwertungshandlung nur den gesicherten Anspruch befriedigt oder bei einem Mehrerlös darüber hinausschießt, unerheblich sein. Sonst hätte es der Bevollmächtigte in der Hand, durch Vereinbarung eines – zum Nachteil des Grundstückseigentümers – entsprechend geringen Kaufpreises sein Handeln erlaubnisfrei zu stellen.

Ob sich nach Inkrafttreten des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG) zum 01.07.2008 etwas an dieser Einschätzung ändert, bedarf jedenfalls gegenwärtig keiner Erörterung. §§ 138, 1149 BGB blieben ohnehin zu beachten.

5. Anzeige nach dem GrEStG

Schließlich dürfte eine derartige Vollmacht nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dem Finanzamt – Grunderwerbsteuerstelle – anzuzeigen sein.

6. Verhalten des Notars

Nach § 4 BeurkG soll der Notar Beurkundungen ablehnen, die mit seinen Amtspflichten unvereinbar sind, etwa weil ein erkennbar nichtiges Rechtsgeschäft zu beurkunden wäre. Werden die Gründe, die eine Ablehnung der Beurkundung nach § 4 BeurkG zur Folge hätten, dem Notar erst nach Beurkundung erkennbar, hat er seine weitere Mitwirkung zu versagen und den weiteren Vollzug abzulehnen (vgl. nur BGH DNotZ 1987, 558).

Bei Rechtsgeschäften, die nicht im eigentlichen Sinne zu vollziehen sind, wie beispielsweise eine Vollmacht, ist der Notar in derartigen Fällen verpflichtet, die Erteilung von Ausfertigungen und Abschriften zu verweigern, weil nur so verhindert werden kann, dass die Urkunde in den Verkehr gebracht wird (etwa Winkler, BeurkG, 15. Aufl. 2003, § 4 Rn. 44). Wird trotzdem eine Ausfertigung durch den Notar erteilt, so ist dem Ausfertigungsvermerk ein besonderer Hinweis auf Zweifel an der Wirksamkeit und deren Gründe in Anlehnung an § 17 Abs. 2 BeurkG beizufügen.

Über weitere Entwicklungen werden wir Sie zu gegebener Zeit informieren.




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