Diskussionsentwürfe eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts und eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts
Zusammenfassung:
Die Diskussionsentwürfe eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts und eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts enthalten umfassende gesetzgeberische Anpassungen im Familienrecht. Da die Diskussionsentwürfe aufeinander aufbauen, werden sie nachstehend gemeinsam behandelt. Unsere Stellungnahme möchten wir auf notarrelevante Aspekte beschränken.
Im Diskussionsentwurf zum Abstammungsrecht (siehe A.) betrifft dies vor allem den Vorschlag einer Elternschaftsvereinbarung, die anderen Zuordnungstatbeständen gegenüber vorrangig sein und rechtssichere Absprachen darüber ermöglichen soll, wer neben der Geburtsmutter zweiter Elternteil wird. Sachgerecht ist, dass deren Abschluss, Änderung, Aufhebung und Widerruf gemäß §§ 1593d Abs. 1 BGB-E, 1593f Abs. 1, Abs. 2 BGB-E der öffentlichen Beurkundung bedarf. Zwei weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen zum Abschluss einer Elternschaftsvereinbarung begegnen unseres Erachtens aber Bedenken.
Der Diskussionsentwurf zum Kindschaftsrecht (siehe B.) regelt unter anderem das Verfahren zur Erklärung unverheirateter Eltern über die elterliche Sorge neu. Die hierfür vorgesehene Widerspruchslösung erscheint uns äußerst komplex und kann in der Praxis zu erheblichen Nachweisschwierigkeiten führen.
Im Einzelnen:
A. Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts (Abstammungsrechtsreformgesetz – AbReG)
I. Elternschaftsvereinbarungen, §§ 1593 ff. BGB-E
Der neue, vorrangige Zuordnungstatbestand der Elternschaftsvereinbarung soll rechtssichere Absprachen darüber ermöglichen, wer neben der Geburtsmutter zweiter Elternteil werden soll.
1. Beurkundungserfordernis
Entsprechende Vereinbarungen (sowie deren Änderung, Aufhebung und Widerruf) bedürfen gemäß §§ 1593d Abs. 1 BGB-E, 1593f Abs. 1, Abs. 2 BGB-E der öffentlichen Beurkundung. Die Aufnahme des Beurkundungserfordernisses ist sachgerecht. Bei Elternschaftsvereinbarungen handelt es sich um komplexe Rechtsgeschäfte für ein für die Zukunft geplantes Geschehen, nämlich die Zeugung eines Kindes.[1] Die gesetzgeberische Entscheidung, insoweit ein Beurkundungserfordernis vorzusehen, sodass vor einer solch weitreichenden Entscheidung die Belehrung durch eine Notarin oder einen Notar sichergestellt ist, ist sinnvoll. In der Praxis werden die Beteiligten im Rahmen entsprechender Vereinbarungen vielfach weitergehende familien- und erbrechtliche Fragen haben, die die umfassende notarielle Beratung erfordern.
2. Weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen
§ 1593g Abs. 1 Satz 1 BGB-E sieht vor, dass Elternschaftsvereinbarungen nur unwirksam sind, wenn sie den Erfordernissen der §§ 1593 bis 1593d BGB-E nicht genügen.
a) Abschluss der Elternschaftsvereinbarung vor Beginn der Schwangerschaft
Die in § 1593 Abs. 1 BGB-E enthaltene Vorgabe, dass Elternschaftsvereinbarungen nur vor Beginn der Schwangerschaft geschlossen werden können, ist hiervon eine Wirksamkeitsvoraussetzung. Diese zeitliche Beschränkung stößt auf Bedenken, denn der genaue Zeitpunkt des Beginns der Schwangerschaft eines Kindes dürfte in streitigen Fällen schwer rechtssicher feststellbar sein. Es erscheint auch nicht erforderlich, die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts an den Zeitpunkt des Schwangerschaftsbeginns zu knüpfen. Denn nach § 1593e BGB-E entfaltet eine Elternschaftsvereinbarung ihre rechtliche Wirkung ohnehin nur dann, wenn ein Kind innerhalb des Zuordnungszeitraums geboren wird, welcher erst ein Jahr nach Abschluss der Vereinbarung beginnen soll (vgl. hierzu nachstehend A. 3. lit. c)). Auf die Aufnahme eines verbindlichen Zeitpunkts des Abschlusses der Vereinbarung kann und sollte in § 1593 Abs. 1 BGB-E daher verzichtet werden.
b) Übersendung beglaubigter Abschriften
Klarstellungsbedarf besteht auch hinsichtlich § 1593d Abs. 2 BGB. § 1593d Abs. 2 BGB sieht vor, dass allen Beteiligten beglaubigte Abschriften der Elternschaftsvereinbarung zu übersenden sind. Anders als die §§ 1593–1593d Abs. 1 BGB-E enthält § 1593d Abs. 2 BGB-E damit keine materielle Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern lediglich eine Verfahrensvorgabe. Entsprechend sollte in § 1593g Abs. 1 klargestellt werden, dass ein Verstoß gegen § 1593d Abs. 2
BGB-E nicht zur Unwirksamkeit der Elternschaftsvereinbarung führt. Dem folgend könnte der Verweis in § 1593g Abs. 1 BGB-E entsprechend auf die §§ 1593–1593d Abs. 1 BGB-E angepasst werden.
3. Regelungen zum Zuordnungszeitraum
Elternschaft kraft Vereinbarung soll gemäß § 1593a Abs. 3 Satz 1 BGB-E – sofern die übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen vorliegen – nur entstehen, wenn ein Kind im Zuordnungszeitraum der Elternschaftsübernahme geboren wird. Der Zuordnungszeitraum wird in § 1593e BGB-E näher geregelt.
a) Bezugspunkt des Zuordnungszeitraums
Fraglich ist zunächst, ob der Zuordnungszeitraum tatsächlich nur an den Abschluss der Elternschaftsübernahme anknüpft, wie der Wortlaut des § 1593a Abs. 3 Satz 1 BGB-E vermuten lässt. Dies ist relevant in Fällen, in denen das Kind mittels privater Samenspende eines Dritten gezeugt werden soll. Die Elternschaft kraft Vereinbarung entsteht dann gemäß § 1593a Abs. 3 Satz 2 BGB-E nur, wenn die gerichtliche Feststellung der Elternschaft dieser Person nach § 1596 Absatz 4 Nummer 1 oder 2 ausgeschlossen ist. Das bedeutet, dass neben der Elternschaftsübernahme zwischen der Geburtsmutter und dem zweiten Elternteil gemäß § 1593a BGB-E in diesen Fällen auch ein Elternschaftsverzicht zwischen der Geburtsmutter und dem gewünschten privaten Samenspender gemäß § 1593b BGB-E geschlossen werden muss.
Da es sich bei der Elternschaftsübernahme und dem Elternschaftsverzicht um zwei gesonderte Elternschaftsvereinbarungen mit unterschiedlichen Beteiligten handelt, ist es durchaus denkbar, dass die beiden Vereinbarungen in der Praxis nicht am selben Tag geschlossen werden. Der Elternschaftsverzicht könnte zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt vereinbart werden. Im letzteren Fall stellt sich die Frage, ob auch der Abschluss des Elternschaftsverzichts mindestens ein Jahr vor der Geburt des Kindes erfolgen muss, damit das Kind den beiden Vereinbarungen entsprechend zugeordnet werden kann. Anders ausgedrückt: Es stellt sich die Frage, ob das Kind auch innerhalb des Zuordnungszeitraums des Elternschaftsverzichts geboren werden muss.
Dafür spricht, dass im Rahmen des § 1593e BGB-E, der den Zuordnungszeitraum regelt, stets vom Oberbegriff „Elternschaftsvereinbarung“ die Rede ist. Wenn es in Fällen, in denen es gemäß § 1593a Abs. 3 Satz 2 BGB-E eines Elternschaftsverzichts bedarf, allein darauf ankommen soll, dass das Kind im Zuordnungszeitraum der Elternschaftsübernahme zur Welt kommt, dann sollte in § 1593e BGB-E der Begriff „Elternschaftsübernahme“ verwendet werden. Andernfalls sollte an geeigneter Stelle, etwa in § 1593a Abs. 3 Satz 2 BGB-E, klargestellt werden, dass das Kind auch im Zuordnungszeitraum des Elternschaftsverzichts geboren werden muss, sofern ein solcher für die Entstehung der Elternschaft notwendig ist.
b) Erste Geburt innerhalb des Zuordnungszeitraums
1593e Abs. 1 BGB-E konkretisiert, dass eine Elternschaftsvereinbarung nur für Kinder gilt, die aus der ersten Geburt innerhalb des Zuordnungszeitraums hervorgehen. In Fällen, in denen im Laufe der Schwangerschaft medizinische Komplikationen auftreten, kann sich die Frage stellen, was genau als „Geburt“ im Sinne dieser Norm anzusehen ist. Wären etwa Tot- bzw. Fehlgeburten erste „Geburt“ im Sinne der Norm, müssten die Beteiligten in dieser Situation neue Elternschaftsvereinbarungen abschließen, sofern sie ihr ursprüngliches Vorhaben weiterverfolgen wollen. Eine Klarstellung hierzu wäre wünschenswert, um die Beteiligten nicht unnötig zu belasten und einer etwaigen Rechtsunsicherheit von vornherein zu begegnen.
c) Beginn des Zuordnungszeitraums
§ 1593e Abs. 2 Satz 1 BGB-E sieht vor, dass der Zuordnungszeitraum ein Jahr nach Abschluss der Elternschaftsvereinbarung beginnt. Nur wenn feststeht, dass die Schwangerschaft nach Abschluss der Vereinbarung begonnen hat, gelten Kinder, die vor Ablauf des Jahres geboren werden, gemäß § 1593e Abs. 2 Satz 2 BGB-E als im Zuordnungszeitraum geboren. Die Regelung soll sicherstellen, dass Elternschaftsvereinbarungen sich nur dann auf die Zuordnung der zweiten Elternstelle auswirken, wenn sie mit Sicherheit noch vor Beginn der Schwangerschaft geschlossen wurden (vgl. S. 141 des Diskussionsentwurfs).
Vor diesem Hintergrund scheint die Jahresfrist, die auch im Zusammenhang mit dem Versterben eines Beteiligten (§ 1593e Abs. 4 Satz 2 BGB-E) sowie der Änderung, Aufhebung und dem Widerruf der Elternschaftsvereinbarung (§ 1593f Abs. 1 Satz 3 BGB-E i. V. m. § 1593f Abs. 2 Satz 3 BGB-E) zum Tragen kommt, allerdings übermäßig lang. In der Praxis wird man den Beteiligten, so sie nicht gewillt sind, monatelang zuzuwarten, vorsorglich empfehlen müssen, dass sich die Geburtsmutter nach der Beurkundung der Vereinbarung(en) einer gynäkologischen Untersuchung unterzieht. Dies, damit im Fall der (Früh-)Geburt eines Kindes vor Ablauf der Jahresfrist „feststünde“, dass die Schwangerschaft nach Abschluss der Vereinbarung begonnen hat (vgl. S. 141 f.). Aus Gründen der Kohärenz und mit Blick auf die durchschnittliche Dauer einer Schwangerschaft regen wir an, auf den in § 1594 Abs. 1 BGB-E sowie § 1596 Abs. 3 BGB-E verwendeten Zeitraum von 300 Tagen abzustellen. Gleiches gilt für die in § 1593e Abs. 4 Satz 2 BGB-E und in § 1593f Abs. 1 Satz 3 BGB-E (i. V. m. § 1593f Abs. 2 Satz 3 BGB-E) geregelten Zeiträume. Konkurrenzlagen im Verhältnis zu anderen abstammungsrechtlichen Zuordnungstatbeständen sind nicht zu befürchten, sofern man gleichzeitig darauf verzichtet, den Zeitpunkt des Abschlusses der Elternschaftsvereinbarung zur Wirksamkeitsvoraussetzung zu erheben (vgl. hierzu vorstehend A. 2. lit. a)). Die Elternschaftsvereinbarung ginge dann stets vor, sofern die übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen vorliegen.
d) Auswirkung der fehlenden Zustimmung der Ausländerbehörde auf den Zuordnungszeitraum
§ 1593g Abs. 1 Satz 2 BGB-E sieht vor, dass eine Elternschaftsvereinbarung bei Vorliegen eines Aufenthaltsrechtsgefälles zwischen der Geburtsmutter und dem zweiten Elternteil erst mit der nach § 85d in Verbindung mit § 85a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes erforderlichen Zustimmung der Ausländerbehörde wirksam wird. Fraglich ist, wie sich dies auf den Beginn des Zuordnungszeitraums auswirkt: Unklar ist, ob dieser bereits ein Jahr nach Abschluss der Elternschaftsvereinbarung(en) oder erst ein Jahr nach Erteilung der Zustimmung durch die Ausländerbehörde beginnt. Insoweit wäre eine Klarstellung wünschenswert.
4. Mitteilung von Elternschaftsvereinbarungen an die Standesämter?
Der Diskussionsentwurf passt die bestehenden notariellen Mitteilungspflichten an das Standesamt gemäß § 56 Abs. 5 PStV zwar sprachlich an („Erklärungen über die Anerkennung der Elternschaft“), sieht aber bislang keine neue Mitteilungspflicht nach der Beurkundung von
Elternschaftsvereinbarungen vor. Eine solche Mitteilungspflicht kann zweckdienlich sein, um die Standesämter über die Rechtsfolgen einschlägiger Vereinbarungen zu informieren und würde sich in die bisherige Systematik einfügen.
II. Erklärung zum Nichtbestehen der Elternschaft, § 1594a BGB-E
Durch die im Diskussionsentwurf vorgesehene Möglichkeit einer Erklärung zum Nichtbestehen der Elternschaft kraft Ehe sollen gerichtliche Anfechtungsverfahren vermieden werden. Voraussetzung ist, dass die Geburtsmutter und der Elternteil kraft Ehe binnen eines Jahres nach der Geburt des Kindes gemeinsam erklären, dass die Elternschaft kraft Ehe nicht bestehen soll und dass das Kind genetisch nicht vom Elternteil kraft Ehe abstammt. Die gemeinsame Erklärung bedarf der öffentlichen Beurkundung (§ 1594a Abs. 3 BGB-E). Die vorgesehene Frist von einem Jahr nach der Geburt des Kindes ist aus Gründen des Übereilungsschutzes zu begrüßen. Auch das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung ist zu befürworten. Damit stehen den Beteiligten neben den Standesämtern auch Notarinnen und Notare als niederschwellige und flächendeckende Ansprechpartner zur Verfügung. Allerdings wurde auch für die Beurkundung dieser Erklärungen keine korrespondierende notarielle Mitteilungspflicht in § 56 Abs. 5 PStV vorgesehen.
B. Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts – Modernisierung von Sorgerecht, Umgangsrecht und Adoptionsrecht (Kindschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – KiMoG)
Der Diskussionsentwurf enthält unter anderem Vorgaben zu Vereinbarungen über die elterliche Sorge und den Umgang und regelt das Verfahren zur Erklärung der elterlichen Sorge unverheirateter Eltern neu.
I. Beurkundungserfordernisse in § 1641 Abs. 3 Satz 1, § 1685 Abs. 3 BGB-E
Das in § 1641 Abs. 3 Satz 1 BGB-E vorgesehene Beurkundungserfordernis für Vereinbarungen über die elterliche Sorge ist zu begrüßen. Auf diesem Weg kann im Rechtsverkehr der Nachweis geführt werden, wer das Kind bei wichtigen Rechtsgeschäften vertreten kann. Auch das in § 1685 Abs. 3 BGB-E vorgesehene Beurkundungserfordernis für den Verzicht auf das gesetzliche Umgangsrecht ist zu befürworten, da es sicherstellt, dass die Beteiligten über die erheblichen und endgültigen Wirkungen der Erklärung notariell belehrt werden.
II. Unwirksamkeit von Gegenleistungen und Vertragsstrafen bei Vereinbarungen zu elterlicher Sorge und Umgang, § 1640 Abs. 1 BGB-E
Für Vereinbarungen über die elterliche Sorge und den Umgang stellt § 1640 Abs. 1 BGB-E klar, dass Gegenleistungen und Vertragsstrafen nicht wirksam vereinbart werden können. Regelungen zur elterlichen Sorge und zum Umgang sind in der Praxis häufig Bestandteil einer Trennungs- bzw. Scheidungsvereinbarung. Diese enthalten daneben typischerweise Regelungen zum Güterstand, Unterhalt, Versorgungsausgleich und/oder zur Vermögensauseinandersetzung sowie erbrechtliche Regelungen. Dass die elterliche Sorge und der Umgang im Rahmen einer solchen Trennungs- bzw. Scheidungsvereinbarung mitgeregelt werden, erscheint sachgerecht. Die Begründung zu § 1640 BGB-E sollte insoweit klarstellen, dass solche für Trennungs- oder Scheidungsvereinbarungen typischen Regelungen regelmäßig keine Gegenleistungen im Sinne des § 1640 Abs. 1 BGB-E darstellen, die zur Unwirksamkeit der Vereinbarung führen. Dies schafft Rechtssicherheit.
Ansonsten könnte die bestehende Rechtsunsicherheit dazu führen, dass sinnvolle Regelungen im Rahmen von Trennungs- oder Scheidungsvereinbarungen nicht getroffen werden, um den Anschein einer Gegenleistung zu vermeiden.
III. Vorgaben für Vereinbarungen zu sorgerechtlichen Befugnissen, § 1642 Abs. 1 BGB
§ 1642 Abs. 1 Satz 1 BGB-E sieht vor, dass Eltern mit einem volljährigen Dritten privatschriftlich vereinbaren können, dass dieser für das Kind in Teilbereichen der elterlichen Sorge entscheiden kann. Pro Kind können jedoch gemäß § 1642 Abs. 1 Satz 3 BGB-E nur zwei Vereinbarungen dieser Art gleichzeitig bestehen.
Die Akzeptanz solcher Vereinbarungen im Rechtsverkehr erscheint uns zweifelhaft. Ihre Echtheit kann nur schwer überprüft werden. Auch kann der Rechtsverkehr nicht nachvollziehen, welche weiteren Vereinbarungen dieser Art die Eltern ggf. geschlossen haben, die der vorgelegten Vereinbarung vorgehen. Die Rechtsscheinregelung in § 1642 Abs. 5 BGB-E dürfte nur für solche Urkunden gelten, die tatsächlich von den Eltern und unter Achtung der zahlenmäßigen Beschränkung in § 1642 Abs. 1 Satz 3 BGB-E ausgestellt wurden. Insofern regen wir an, jedenfalls die zahlenmäßige Beschränkung in § 1642 Abs. 1 Satz 3 BGB-E zu überdenken.
IV. Widerspruchslösung für die gemeinsame Sorge unverheirateter Eltern, § 1628 Abs. 2 Nr. 1, § 1630 BGB-E
Unverheirateten Eltern steht die elterliche Sorge bislang nur dann gemeinsam zu, wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (sogenannte Sorgeerklärungen, § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB). In der Praxis wird dies häufig anlässlich der Beurkundung der Anerkennungserklärung bzw. der Zustimmungserklärung zur Anerkennung vorgenommen. Der Diskussionsentwurf sieht nun vor, dass unverheiratete Eltern künftig automatisch gemeinsam sorgeberechtigt sein sollen, wenn kein Elternteil nach § 1630 Abs. 1 BGB-E binnen 14 Tagen nach Abgabe seiner Erklärung (Anerkennung bzw. Zustimmung) widerspricht. Der Widerspruch soll formlos gegenüber der beurkundenden Stelle oder dem Jugendamt erklärt werden, § 1630 Abs. 1 BGB-E. Die adressierte Stelle soll dem widersprechenden Elternteil eine Bestätigung über den Widerspruch ausstellen und den anderen Elternteil schriftlich über den Widerspruch informieren, § 1630 Abs. 4 BGB-E.
1. Nachweisschwierigkeiten
De lege lata besteht bereits mit Abgabe aller für die Vaterschaftsanerkennung erforderlicher Erklärungen (Anerkennung bzw. Zustimmung) Klarheit für die Beteiligten über die elterliche Sorge. Der Diskussionsentwurf führt hingegen als zusätzlich nachzuweisendes Kriterium ein, dass nach Abschluss der Vaterschaftsanerkennung kein Elternteil der gemeinsamen Sorge widersprochen hat, § 1628 Abs. 2 Nr. 1 BGB-E. Dies kann zu erheblichen Nachweisschwierigkeiten im Rechtsverkehr führen und belastet die Beteiligten unnötig. Aus Sicht der beurkundenden Stelle können Unsicherheiten entstehen, ob ein bestimmtes Verhalten der Beteiligten als Widerspruch zu werten ist, was zu vermeidbaren Rückfragen führt.
2. Geringe Aufwandsersparnis
Ohnehin dürfte die von der Widerspruchslösung erhoffte Aufwandsersparnis äußerst gering sein: Die Sorgeerklärung wird in der Praxis häufig zeitgleich mit der Anerkennung der Elternschaft bzw. der Zustimmung hierzu beurkundet. Eine separate Erklärung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
3. Belehrung über die Rechtsfolgen eines unterbliebenen Widerspruchs nicht sichergestellt
Da § 44 Abs. 1 Satz 1 PStG für die Erklärungen zur Anerkennung der Elternschaft eine zusätzliche Beurkundungsbefugnis der Standesämter vorsieht, diese aber – anders als etwa Notarinnen und Notare nach § 17 Abs. 1 BeurkG – nicht umfassend über die Rechtsfolgen der Erklärung belehren müssen, ist außerdem nicht abschließend sichergestellt, dass die Beteiligten überhaupt hinreichend über die Möglichkeit und ggf. Notwendigkeit eines Widerspruchs informiert sind. In Fällen, in denen die gemeinsame Sorge in Unkenntnis der Rechtslage gegen den Willen eines Elternteils eintritt, dürfte sich die Frage der Anfechtbarkeit der Anerkennungs- bzw. Zustimmungserklärung gemäß § 119 BGB stellen und erhebliche Rechtsunsicherheit hinterlassen.
4. Alternativvorschlag
Will man dennoch an der Widerspruchslösung festhalten, erscheint es empfehlenswert, von den Beteiligten bereits bei der Anerkennungs- bzw. der Zustimmungserklärung zur Anerkennung eine Erklärung über die elterliche Sorge zu verlangen. Nur so dürften sich Fälle vermeiden lassen, in denen die gemeinsame Sorge gegen den Willen eines Beteiligten eintritt, weil dieser die Rechtslage nicht kannte oder ohne eigenes Verschulden an der rechtzeitigen Abgabe des Widerspruchs gehindert war (etwa wegen Krankheit oder weil ein zweiter Termin bei der Urkundsperson oder dem zuständigen Jugendamt nicht rechtzeitig verfügbar war).
[1] „Abweichend vom Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz vom 16. Januar 2024 wird die Beurkundungsbefugnis zunächst nicht auf Standesämter und Jugendämter erstreckt, sodass vor allem Notarinnen und Notare Elternschaftsvereinbarungen beurkunden können. Hintergrund ist, dass die Elternschaftsvereinbarung komplexer ist als eine Anerkennung der Elternschaft und zudem ein erst für die Zukunft geplantes Geschehen gestaltet – die geplante Zeugung eines Kindes – während die Anerkennung der Elternschaft die Übernahme der Verantwortung für vergangenes Tun und damit ein für die Beteiligten leichter zu prüfendes und zu verstehendes Geschehen bedeutet. Die mit dieser neuen Möglichkeit verbundenen Anforderungen an Belehrungen, Aus- und Fortbildung sollen daher zunächst im Bereich des Notariats etabliert werden.“ (S. 86 des Diskussionsentwurfs).
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