Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Rechtsvorschriften
Zusammenfassung:
Der vorliegende Referentenentwurf setzt die Richtlinie (EU) 2024/1226 zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstößen gegen EU-Sanktionen und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2018/1673 (nachfolgend „Richtlinie“) um. Die Harmonisierung des Sanktionsstrafrechts in der EU dient einer effizienten und einheitlichen Durchsetzung von Sanktionen in den Mitgliedstaaten und ist ausdrücklich zu begrüßen.
Notarinnen und Notare spielen eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung von Sanktionen. Sie identifizieren Vertragspartner und wirtschaftlich Berechtigte und überprüfen bspw., ob diese in Sanktionslisten aufgenommen wurden. Bei Listentreffern verhindern sie die Transaktion, indem sie die Beurkundung ablehnen und den potenziellen Verstoß gegen die Sanktion an die Financial Intelligence Unit (FIU) melden. In unserer Stellungnahme konzentrieren wir uns gezielt auf diejenigen Bestimmungen des Gesetzesentwurfs, die diese Rolle der Notarinnen und Notare bei der Sanktionsdurchsetzung betreffen.
Aus Sicht der notariellen Praxis regt die Bundesnotarkammer insoweit lediglich Änderungen im Wortlaut von § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. d), Nr. 4 lit. d) AWG-E an, um dem jüngsten EuGH-Urteil vom 5. September 2024 zum Sanktionenrecht Rechnung zu tragen.
Im Einzelnen:
A. Strafbewehrte Rechtsberatungsdienstleistung
Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) AWG-E ist strafbar, wer gegen eine unmittelbar geltende Vorschrift in einem Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union verstößt, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, indem er einem dort genannten Verbot der „Erbringung einer Rechtsberatung“ zuwiderhandelt. Entsprechend ist nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 lit. d) AWG-E strafbar, wer einer dort genannten Genehmigungspflicht für die Erbringung einer Rechtsberatung zuwiderhandelt.
Wir regen an, den Wortlaut der Strafvorschrift entsprechend dem Erwägungsgrund 12 der Richtlinie sowie vergleichbaren Verbotsnormen des europäischen Sanktionsrechts (bspw. Art. 5n Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 833/2014) anzupassen und klarzustellen, dass unter dem Begriff „Rechtsberatung“ eine Rechtsberatungsdienstleistung zu verstehen ist. Nach Erwägungsgrund 12 der Richtlinie gehören „zu den restriktiven Maßnahmen der Union (…) sektorspezifische wirtschaftliche und finanzielle Maßnahmen für die Erbringung von anderen Dienstleistungen als Finanzdienstleistungen. Zu diesen Dienstleistungen gehören unter anderem Rechtsberatung (…).“[1] Art. 5n Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 verbietet es, „Dienstleistung in den Bereichen (…), Rechtsberatung (…)“ zu erbringen. Auch § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) AWG-E stellt nach seinem Wortlaut[2] sowie nach der insoweit eindeutigen Begründung des Referentenentwurfs[3] auf die Erbringung von Rechtsberatungsdienstleistungen ab. Dies sollte im Wortlaut des § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) AWG-E unmissverständlich zum Ausdruck kommen.
Die genaue Differenzierung zwischen den Begriffen der „Rechtsberatung“ und „Rechtsberatungsdienstleistung“ ist auch vor dem Hintergrund des jüngsten Urteils des EuGH vom 5. September 2024[4] zum Sanktionsrecht erforderlich. Der EuGH hat in seinem Urteil entschieden, dass die notarielle Beurkundung eines Wohnungskaufvertrags nicht unter das Verbot von Rechtsberatungsdienstleistungen nach Art. 5n Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 fällt. Mit Rechtsberatungsdienstleistung sei eine parteigebundene Interessenvertretung gemeint. Davon zu unterscheiden seien solche Tätigkeiten von Behörden oder anderen Einrichtungen des Staates zur Wahrnehmung einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe, für die diese mit bestimmten, den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber verbindlichen Befugnissen ausgestattet sind. Dies treffe auf die notarielle Mitwirkung bei beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäften zu. Es handele sich um im Allgemeininteresse liegende Aufgaben, die der Staat den Notarinnen und Notaren übertragen hat und die der Staat ohne diese Übertragung durch seine Behörden selbst erledigen müsste. Notarinnen und Notare würden folglich nicht im spezifischen (parteigebundenen) Interesse der von den Sanktionen betroffenen Parteien, sondern ausschließlich im Interesse des Gesetzes und der Rechtssicherheit unparteiisch und im Allgemeininteresse handeln. Auch würde ein pauschales Verbot notarieller Beurkundungen dem Zweck der Sanktionen zuwiderlaufen, da damit auch ein faktisches Desinvestitionsverbot verbunden wäre und die von den Sanktionen angestrebte Entkoppelung von Russland verhindert würde. Die notarielle Beurkundung fällt daher im Ergebnis nicht unter die Verbotsnorm.
Dieser im europäischen Sanktionsrecht angelegten Unterscheidung zwischen der von Notarinnen und Notaren erbrachten Rechtsberatung und Belehrung im Rahmen der Urkundsverhandlung (§ 17 BeurkG) sowie der sanktionierten, parteibezogenen Rechtsberatungsdienstleistung sollte der Wortlaut des § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) AWG-E sowie des § 18 Abs. 1 Nr. 4 lit. d) AWG-E hinreichend Rechnung tragen.
B. Verschwiegenheitspflicht
§ 18 Abs. 5a Nr. 2 AWG-E sieht eine Strafbarkeit für Verstöße gegen die Pflicht vor, beruflich erlangte Informationen zur Durchführung von Sanktionsmaßnahmen an die zuständigen Stellen weiterzugeben. Wir begrüßen den korrespondierenden persönlichen Strafausschließungsgrund nach § 18 Abs. 13 AWG-E, wonach Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger wie Notarinnen und Notare nicht unter den Straftatbestand fallen. Damit wird dem Rechtsberatungsprivileg und insbesondere der notariellen Verschwiegenheitspflicht (§ 18 BNotO) hinreichend Rechnung getragen und das Vertrauensverhältnis zwischen Notar und Mandant ausreichend geschützt.
[1] Richtlinie 2024/1226, ABl. EU L vom 29.04.2024, S. 3.
[2] § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. d) AWG-E: „[…] gleichartigen Dienstleistung“.
[3] „Die mittlerweile äußerst vielfältigen Dienstleistungsverbote werden nunmehr in § 18 Absatz 1 Nummer 1 Buchstaben b bis d AWG strafbewehrt.“, S. 16 des Referentenentwurfs.
[4] EuGH, Urteil vom 05.09.2024 - C-109/23 – Jemerak.
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