Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des E-Government-Gesetzes und zur Einführung des Gesetzes für die Nutzung von Daten des öffentlichen Sektors
Für die Gelegenheit, zu dem im Betreff genannten Referentenentwurf Stellung zu nehmen, danken wir Ihnen und nehmen diese gerne wahr. Hierbei beschränken wir uns auf die Auswirkungen des Datennutzungsgesetzes auf die öffentlichen Register der Landesjustizverwaltungen, deren Eintragungen in weiten Teilen auf Registeranmeldungen durch Notarinnen und Notare beruhen.
Insgesamt begrüßen wir das Ziel des Referentenentwurfs, das Angebot offener Daten auszuweiten. Der Gesetzesentwurf sieht Daten als die maßgebliche Ressource für den Fortschritt der Digitalisierung an. Eine fortschreitende Digitalisierung – namentlich im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs – unterstützen wir ausdrücklich. Offene Daten können auch nach unserer Einschätzung einen relevanten Beitrag hierzu leisten.
Bei einigen im Referentenentwurf vorgesehenen Regelungen sehen wir im Detail jedoch noch Änderungsbedarf. Das betrifft namentlich die geplante Anwendbarkeit des Datennutzungsgesetzes auf die Daten des Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts-, Vereins-, Insolvenz-, Unternehmens- und Schiffsregisters sowie des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen (vgl. § 2 Abs. 1, 2 DNG-E). Wir regen an, die Daten dieser Register aus dem sachlichen Anwendungsbereich des DNG auszunehmen; ferner sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass Grundbuchdaten ebenfalls nicht erfasst sind (siehe unten Ziffer 4). Nur so kann eine weitere Zunahme missbräuchlicher Nutzungen der Register der freiwilligen Gerichtsbarkeit vermieden werden (siehe nachfolgend Ziffern 1 und 2), die zum Grenznutzen der Neuregelung erkennbar außer Verhältnis stünde (siehe unten Ziffer 3).
1. Bereits bestehende Missbrauchsproblematik
Bereits seit längerem warnen die Landesjustizverwaltungen und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Zusammenhang mit den Onlinediensten und Bekanntmachungen im Justizportal des Bundes und der Länder vor – teilweise irreführenden – Angeboten, Zahlungsaufforderungen und Rechnungen, die nicht von Justizbehörden stammen (vgl. https://justiz.de/onlinedienste/index.php#hinweis). Auch die Notarinnen und Notare sensibilisieren ihre Mandantinnen und Mandaten durch entsprechende Hinweise und Informationsblätter.
Gleichwohl häufen sich Missbrauchsfälle, vor allem nach Gründung einer GmbH, die ihre Grundlage letztlich in offen verfügbaren Daten haben: Die Gründung einer GmbH wird in das Handelsregister des örtlich zuständigen Amtsgerichts eingetragen. Die Bekanntmachung dieser Eintragung erfolgt – für jedermann kostenfrei zugänglich – im Internet. Immer wieder nutzen Betrüger diese Information, um unerfahrene Gesellschaftsgründerinnen und -gründer zu schädigen.
So fälschen sie Rechnungen öffentlicher Stellen, die sie an die veröffentlichte Anschrift der neugegründeten Gesellschaft versenden. In Rechnung gestellt werden etwa Eintragungskosten des registerführenden Gerichts oder andere vermeintliche Gründungskosten. Meist werden zudem für den Fall der Nichtzahlung negative Konsequenzen – wie das Unterlassen der vollständigen Eintragung in das Handelsregister – angekündigt.
Teilweise werden nach Bekanntmachung einer Gesellschaftsgründung auch Eintragungsofferten verschickt, die gegen nicht unerhebliche, meist im Voraus zu leistende Vergütung unnötige und wirkungslose Eintragungen in gesonderte „Register“ oder Bücher sowie Internetseiten versprechen.
2. Zu befürchtende Verschärfung durch das Datennutzungsgesetz
Bei einer Erstreckung des Anwendungsbereichs des Datennutzungsgesetzes auf die vorgenannten Register der Landesjustizverwaltungen drohte aus unserer Sicht eine erhebliche Verschärfung der Missbrauchsproblematik.
Bisher stehen als Datengrundlage für Missbrauchsszenarien nur die öffentlichen Bekanntmachungen von Veränderungen zur Verfügung. Bereits diese schmale Datengrundlage wird aber – wie die obigen Ausführungen zeigen – leider mit Erfolg missbräuchlich ausgenutzt. Das Datennutzungsgesetz in seiner derzeitigen Entwurfsfassung würde die Datengrundlage bedeutend erweitern und damit Missbrauch Tür und Tor öffnen. Infolge der §§ 7 f. DNG-E müssten die Landesjustizverwaltungen den gesamten Datenbestand aller vorgenannten Register in strukturierter, maschinenlesbarer Form zur Verfügung stellen.
Mit einfachen technischen Mitteln könnten Betrüger so etwa die Namen aller deutschen GmbH-Geschäftsführerinnen und -Geschäftsführer oder aller Vereinsvorstandsmitglieder extrahieren und diese über die ebenfalls verfügbaren Geschäftsanschriften zielgerichtet kontaktieren. Ebenso wäre es zum Beispiel möglich, alle Unternehmen mit einem bestimmten Geschäftsgegenstand (z.B. „An- und Verkauf von Medizinbedarf“) automatisiert zu erfassen und diesen irreführende und missbräuchliche Angebote, Abmahnungen, Rechnungen etc. zuzusenden. Der erforderliche Aufwand für derartige missbräuchliche Geschäftspraktiken würde demnach enorm sinken und voraussichtlich zahlreiche weitere Anbieter anlocken.
Die vorgenannten amtlichen Register könnten ferner Opfer sogenannter geklonter Websites werden. Wenn der gesamte Registerbestand strukturiert verfügbar ist, dürfte es ein Leichtes sein, ein Schein-Register aufzubauen, das dem amtlichen Register zum Verwechseln ähnlich sehen und ihm auch inhaltlich nahekommen könnte und aufgrund des überwiegend richtigen Datenbestands vertrauenserweckend erschiene. Mit einer solchen Website könnten zum Beispiel Kunden, Geschäftspartner oder Kreditgeber getäuscht oder auch von Nutzern eingegebene Daten abgefangen werden.
Zusammengefasst sehen wir erhebliche Gefahren für den Rechts- und Wirtschaftsverkehr und die bisher hohe Verlässlichkeit der von den Justizbehörden geführten Register.
3. Unverhältnismäßigkeit von Risiken und Grenznutzen der Neuregelung
Den beschriebenen Risiken steht unseres Erachtens ein zu geringer Grenznutzen gegenüber.
Zu bedenken ist nämlich, dass die betreffenden Register ohnehin bereits öffentlich zugänglich sind. Im Wege eines Einzelabrufs können Interessierte alle Einträge im Handels-, Vereins-, Genossenschaftsregister usw. einsehen, ohne ein berechtigtes Interesse darlegen zu müssen. Die Daten der Register würden also nicht erst durch das Datennutzungsgesetz offen zugänglich; sie sind es bereits.
Hinzu kommt, dass der jüngst veröffentlichte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz einen generellen Verzicht auf die Erhebung von Gebühren beim Abruf von Daten aus dem Handels-, Partnerschafts-, Genossenschafts- und Vereinsregister vorsieht. Danach können Rechtssuchende jederzeit online und kostenfrei in die genannten Register im Wege des Einzelabrufs Einsicht nehmen.
Das Datennutzungsgesetz führte vor diesem Hintergrund lediglich dazu, dass die Daten über den Einzelabruf hinaus im Gesamtabruf verfügbar würden. Den Grenznutzen dieser Veränderung schätzen wir als gering ein. Zu den beschriebenen Risiken steht er jedenfalls in keinem angemessenen Verhältnis.
4. Änderungsvorschlag
Wir regen daher an, die Register der freiwilligen Gerichtsbarkeit aus dem sachlichen Anwendungsbereich auszunehmen. Damit würde auch dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Register der freiwilligen Gerichtsbarkeit von vornherein aufgrund ihrer materiell-rechtlichen – insbesondere Gutglaubensschutz vermittelnden – Wirkungen im Zivilrechtsverkehr konzeptionell von Verwaltungsregistern unterscheiden. Um Missverständnissen vorzubeugen, sollte ferner ausdrücklich klargestellt werden, dass Grundbuchdaten sachlich nicht erfasst sind.
Dies berücksichtigend könnte § 2 Abs. 3 DNG-E wie folgt ergänzt werden:
„(3) Dieses Gesetz gilt nicht für …
8. die Daten des Grundbuchs, des Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts-, Vereins-, Insolvenz-, Unternehmens- und Schiffsregisters sowie des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen.“
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- Stellungnahme vom 08.01.2021 415 KB