Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe
Wir bedanken uns für die Gelegenheit, zum oben genannten Referentenentwurf Stellung zu nehmen. Diese Gelegenheit nehmen wir gerne wahr.
Wir beschränken uns in unserer Stellungnahme im Wesentlichen auf die aus notarieller Sicht bedeutsamen Aspekte. Dazu zählt insbesondere die Frage der interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaften. Die Bundesnotarkammer spricht sich nachdrücklich für eine stärkere Begrenzung des Kreises der sozietätsfähigen Berufe aus. Weiter sollte mit Blick auf das Anwaltsnotariat der Regelungsgehalt des § 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO erhalten bleiben, wonach sich Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare nur in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwalt soziieren können. Alles andere wäre mit der Stellung der Notarinnen und Notare als öffentliche Amtsträgerinnen und Amtsträger nicht vereinbar.
Im Einzelnen:
I. Zu § 31 Abs. 4 BRAO-E, § 29 Abs. 4 PAO-E, § 86b Abs. 2 Nr. 2 StBerG-E
In § 31 Abs. 4 BRAO-E, § 29 Abs. 4 PAO-E und § 86b Abs. 2 Nr. 2 StBerG-E ist vorgesehen, dass Berufsausübungsgesellschaften zukünftig von der Rechtsanwaltskammer, Patentanwaltskammer bzw. Steuerberaterkammer in das jeweilige Kammerverzeichnis einzutragen sind. Hierbei sind insbesondere auch die Vertretungsverhältnisse anzugeben (vgl. etwa § 31 Abs. 4 Nr. 6 oder 7 BRAO-E). Die Begründung führt u.a. aus, dass die Aufnahme weiterer Details – wie etwa der Gesellschafterinnen und Gesellschafter – zwar ggf. von praktischem Nutzen, aber mit einem hohen Verwaltungsaufwand für die zuständige Kammer verbunden sei (S. 158). Weiter wird ausgeführt, dass auch nach dem Gesetzentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts eine Eintragung der GbR als häufigster Form der Berufsausübungsgesellschaft in das geplante Gesellschaftsregister freiwillig sei (S. 156).
In diesem Zusammenhang regen wir an, für Berufsausübungsgesellschaften in Form der GbR eine verfahrensrechtliche Eintragungsobliegenheit in das geplante Gesellschaftsregister vorzusehen. Insoweit sollte geregelt werden, dass eine Berufsausübungsgesellschaft in Form der GbR nur dann in das entsprechende Kammerverzeichnis eingetragen werden soll, wenn sie zuvor im Gesellschaftsregister eingetragen ist. Diese Regelungstechnik des „mittelbaren Eintragungszwangs“ wendet der Referentenentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts an zahlreichen Stellen an, allen voran bei GbR, die im Grundbuch eingetragene Rechte halten (vgl. § 47 Abs. 2 GBO-E). Diese Regelungstechnik zeichnet sich dadurch aus, dass eine Eintragung der GbR eine verfahrensrechtliche, nicht aber materiellrechtliche Voraussetzung für die Eintragung im entsprechenden Register (hier: im Kammerverzeichnis) ist. Das bedeutet mit Blick auf das Kammerverzeichnis, dass die entsprechende Kammer die Eintragung einer nicht im Gesellschaftsregister eingetragenen GbR ablehnen soll. Nimmt sie entgegen dieser Vorschrift dennoch eine Eintragung in das Verzeichnis vor, ist dies aber für die Rechtswirkung der Eintragung unschädlich.
Da das geplante Gesellschaftsregister Publizität genießen soll (vgl. § 707a Abs. 3 BGB-E i.V.m. § 15 HGB), kann die zuständige Kammer auf die dort vorgenommenen Eintragungen vertrauen und muss keine weiteren Nachprüfungen anstellen. Das würde den Verwaltungsaufwand der Kammern deutlich reduzieren. Gleichzeitig ist mit dem Gesellschaftsregister, das eine öffentliche Beglaubigung der Unterschrift unter der jeweiligen Registeranmeldung vorsieht, sichergestellt, dass die dort enthaltenen Eintragungen einen hohen Wahrheitsgehalt aufweisen. Aufgrund der Publizität des Gesellschaftsregisters darf auch der Rechtsverkehr außerdem auf die Richtigkeit der dort enthaltenen Angaben vertrauen. Die Richtigkeit und Vertrauenswürdigkeit des entsprechenden Kammerverzeichnisses ist für den Rechtsverkehr von hoher Bedeutung, da die entsprechenden Berufsausübungsgesellschaften nach dem Referentenentwurf zukünftig selbst als Prozess- und Verfahrensbevollmächtigte auftreten dürfen. Dann muss aber sichergestellt sein, dass die entsprechend bevollmächtigten Gesellschaften auch tatsächlich existieren und ordnungsgemäß vertreten sind. Dies ist am einfachsten und sichersten über den im Rechtsverkehr bewährten Weg eines mit Publizität versehenen Registers zu erreichen. Da der Gesetzgeber mit dem Gesellschaftsregister ohnehin die Einführung eines solchen Registers plant, sollte hieraus auch für den Bereich der Berufsausübungsgesellschaften entsprechender Nutzen gezogen werden.
Schließlich sind aus dem Gesellschaftsregister auch Informationen zum Gesellschafterinnen- und Gesellschafterkreis ersichtlich, sodass der Rechtsverkehr auch von diesem Vorteil – den auch die Begründung erkennt (S. 158) – profitiert. Der Aufwand für die Berufsausübungsgesellschaften hielte sich in Grenzen und würde durch den Vorteil des einfachen Nachweises von Existenz und Vertretungsberechtigung der Gesellschaft mehr als aufgewogen. Hinzu kommt, dass andere eintragungspflichtige Gesellschaften entsprechende Änderungen bereits jetzt dem entsprechenden Register mitteilen müssen, so etwa die PartmbB, die GmbH, die AG oder die – nach dem Referentenentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts zukünftig auch für Rechtsanwälte zulässige –KG.
Die entsprechende Voreintragungsobliegenheit sollte hierbei aus systematischen Gründen im jeweiligen berufsrechtlichen Regelwerk verortet werden; auch der Referentenentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaft verortet die Voreintragungsobliegenheiten im jeweiligen Fachrecht. Korrekter Standort einer derartigen Regelung wären also § 31 BRAO, § 29 Abs. 4 PAO, § 86b Abs. 2 Nr. 2 StBerG und ferner auch § 38 WPO.
Eine entsprechende Regelung könnte – in Anlehnung an § 47 Abs. 2 GBO-E – lauten: „Eine Berufsausübungsgesellschaft in Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts soll nur eingetragen werden, wenn sie im Gesellschaftsregister eingetragen ist.“
II. Zur Begründung zu § 46a BRAO-E
S. 175 der Entwurfsbegründung enthält folgenden Satz: „Außerhalb der Gesetzesevaluierung ist aus der Rechtsanwaltschaft zudem an das BMJV herangetragen worden, dass die Erlangung einer notariellen Beglaubigung insbesondere während der im Zuge der COVID-19-Pandemie geltenden Beschränkungen im ersten Halbjahr 2020 erschwert war.“ Es wird dringend angeregt, diesen Satz zu streichen. Die Aussage, dass die Erlangung einer notariellen Beglaubigung überhaupt oder auch nur pandemiebedingt erschwert gewesen sei, ist nach unserer Einschätzung unzutreffend. Vielmehr waren es gerade die Notarinnen und Notare, die während der Pandemie weiterhin ohne wesentliche Einschränkungen ihre Geschäftsstellen offengehalten und beglaubigt bzw. beurkundet haben. Sie haben zu dieser Zeit in der Regel sogar zusätzliche Beurkundungsaufgaben übernommen, die üblicherweise vor allem bei den Gemeinden angesiedelt sind (so etwa Sorgeerklärungen, Kirchenaustritte, Vaterschaftsanerkennungen). Vor diesem Hintergrund ist dieser Satz verfehlt, zumal er den in der Sache nicht gerechtfertigten Vorwurf eines Verstoßes gegen § 15 BNotO in sich trägt.
II. Zu §§ 59b ff. BRAO-E, 52b ff. PAG, 49 ff. StBerG-E
Der zweite Abschitt der BRAO, bestehend aus §§ 59b ff. BRAO-E, wird – ebenso wie die entsprechenden Parallelvorschriften für Patentanwältinnen und Patentanwälte (§§ 52b ff. PAG-E) sowie Steuerberaterinnen und Steuerberater (§§ 49 ff. StBerG-E) – durch den Entwurf grundlegend neugestaltet. In diesem Zusammenhang nehmen wir zur Sozietätsfähigkeit der Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare (1.), zu interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaften (2.), zur Frage der externen Kapitalbeteiligung (3.) und zu interprofessionellen Bürogemeinschaften Stellung (4.).
1. Sozietätsfähigkeit der Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare
Im Referentenentwurf ist eine Ausweitung der Sozietätsfähigkeit von Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotaren nicht vorgesehen, vielmehr soll diese auf die bisher in § 9 Abs. 2 BNotO genannten Berufe beschränkt bleiben. In der Begründung zu § 59b BRAO-E (S. 180 f.) wird nochmals ausdrücklich festgestellt, dass sich am Sozietätsrecht der Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare nichts ändern soll.
Diese Richtungsentscheidung des Gesetzgebers ist ausdrücklich zu begrüßen. Anders als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die Organe der Rechtspflege sind (§ 1 BRAO), üben Notarinnen und Notare hoheitliche Funktionen aus und sind externe Funktionsträgerinnen und Funktionsträger des Staates. Mit der Funktion der Notarinnen und Notare als unabhängige Trägerinnen und Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 BNotO) wäre es unvereinbar, wenn eine Soziierung mit Angehörigen aller Freien Berufe möglich wäre. Vielmehr ist zur Wahrung dieser Funktion weiterhin die Beschränkung auf alle rechts- und wirtschaftsberatenden, verkammerten Freien Berufe erforderlich.
Im Einzelnen.
a) Besonderheiten des öffentlichen Amtes der Notarinnen und Notare
Die besondere Funktion der Notarinnen und Notare als Trägerinnen und Träger eines öffentlichen Amtes drückt sich in vielerlei Hinsicht aus. So ist die Notarin bzw. der Notar keine Vertreterin bzw. kein Vertreter einer Partei, sondern zur Unparteilichkeit verpflichtet, § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO. Die besondere Stellung der Notarinnen und Notare kommt auch durch die vielfältigen staatlichen Mitwirkungsaufgaben zum Ausdruck, etwa dadurch, dass die Notarin bzw. der Notar gem. § 18 GrEStG – ebenso wie die dort in einem Zug genannten Gerichte und Behörden – eine grunderwerbsteuerliche Veräußerungsanzeige abgeben muss. Während etwa eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt ein Mandat ablehnen darf, unterliegen Notarinnen und Notare der Urkundengewährungspflicht gemäß § 15 BNotO und müsssen daher im Regelfall ein Beurkundungsersuchen annehmen. Weiter sind Notarinnen und Notare hoheitlich tätig, indem sie Urkunden mit der besonderen Beweiswirkung der §§ 415, 417 ZPO errichten und Vollstreckungstitel gem. § 794 Nr. 5 ZPO beurkunden. Demgegenüber unterliegt die anwaltliche Tätigkeit vor Gericht immer der weiteren Kontrolle durch die Richterschaft und auch durch die Öffentlichkeit. Außergerichtliches anwaltliches Tätigwerden erzeugt zudem – im Gegensatz zu notariellen Urkunden – keine vom Handeln Privater abweichenden unmittelbaren Rechtswirkungen. Notarinnen und Notare haften gem. § 19 BNotO persönlich für Pflichtverletzungen; eine Haftungsbeschränkung können sie im Gegensatz zur Rechtsanwaltschaft nicht vereinbaren. Schließlich unterliegen Notarinnen und Notare besonders strengen Vorgaben zum Auftritt in der Öffentlichkeit; gem. § 29 Abs. 1 BNotO haben sie insbesondere gewerbliches Verhalten zu unterlassen. Die besondere Strenge des notariellen Berufsrechts kommt vor allem auch in § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO zum Ausdruck. Demnach ist der Notarin und dem Notar nicht nur die tatsächliche Abhängigkeit und Parteilichkeit verboten, vielmehr hat die Notarin bzw. der Notar bereits jeden Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit zu vermeiden.
b) Gefährdung der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit der Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare im Falle der Ausweitung der Soziierungsfähigkeit
Es ist daher folgerichtig und zwingend, dass eine Soziierungsmöglichkeit der Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare weiterhin auf die bisher in § 9 Abs. 2 BNotO genannten Berufsgruppen beschränkt bleibt. Diese Berufsgruppen sind solche der Rechtsberatung oder rechtsnahen Wirtschaftsberatung und haben daher einen inhaltlichen Überschneidungsbereich mit den Themengebieten, mit denen sich Notarinnen und Notare beschäftigen, auch wenn die notarielle Tätigkeit aufgrund des besonderen, oben erwähnten Amtscharakters ein völlig anderes Gepräge aufweist. Hinzu kommt, dass Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotaren nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BNotO die Ausübung dieser Berufe auch selbst gestattet ist, weshalb ein Gleichlauf der Soziierungsfähigkeit auch insoweit sinnvoll und folgerichtig ist.
Eine Soziierung der (Anwalts‑)Notarin bzw. des (Anwalts-)Notars mit weiteren Berufsgruppen, die entweder nicht rechts- bzw. rechtsnahe Wirtschaftsberatung betreiben oder aber nicht verkammert und mit strafprozessualen Verschwiegenheitsprivilegien ausgestattet sind, ist demgegenüber nicht angezeigt, erst recht nicht mit allen Freien Berufen, wie es § 59b BRAO für (Nur-)Rechtsanwältinnen und (Nur-)Rechtsanwälte vorsieht. Insoweit würde leicht der Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit entstehen. Könnte sich eine Anwaltsnotarin oder ein Anwaltsnotar etwa mit Ärztinnen, Ärzten, Apothekterinnen und Apothekern soziieren, würde dies – in beiderlei Richtungen – den Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit der Notarin bzw. des Notars mit Blick auf Urkundengeschäfte nahelegen, die mit dem medizinischen Bereich in Zusammenhang stehen, etwa bei einem Unternehmenskauf- und auch bei Übergabeverträgen hinsichtlich Kliniken, Arztpraxen oder Apotheken. Könnte sich eine Anwaltsnotarin oder ein Anwaltsnotar mit einer Architektin oder einem Architekten soziieren, wäre damit der Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit mit Blick auf Bauträgerprojekte zu befürchten, die in engem Sachzusammenhang mit Architektenleistungen stehen.
c) Beschränkung der Sozietätsfähigkeit gemäß § 9 Abs. 2 BNotO unverändert verfassungsrechtlich gerechtfertigt
Die unterschiedliche Ausgestaltung des anwaltlichen und des notariellen Sozietätsrechts ist auch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, und zwar sowohl im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG als auch hinsichtlich Art. 3 Abs. 1 GG.
Zunächst bezieht sich die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sozietätsfähigkeit mit Ärztinnen, Ärzten, Apothekerinnen und Apothekern[1] lediglich auf die rein anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft, sodass bezüglich § 9 Abs. 2 BNotO kein gesetzgeberisches Tätigwerden angezeigt ist.
Sodann ergibt sich die verfassungsmäßige Rechtfertigung der in § 9 Abs. 2 BNotO getroffenen Beschränkung der Sozietätsfähigkeit aus dem Erfordernis der Wahrung der Unabhängigkeit der Notarin bzw. des Notars und der Sicherstellung der notariellen Verschwiegenheit. Besonders verstärkt wird dies durch den hoheitlichen Charakter der notariellen Tätigkeit und die Stellung der Notarin bzw. des Notars als öffentliche Amtsträgerin bzw. öffentlicher Amtsträger, die sich, wie bereits dargestellt, deutlich von derjenigen der Rechtsanwaltschaft unterscheidet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wäre es sogar verfassungsgemäß, Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotaren lediglich die Soziierung mit anderen Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotaren zu gestatten, im Übrigen Sozietäten aber zu untersagen.[2]
Ein Sozietätsverbot stellt nach der Drei-Stufen-Regel des Art. 12 Abs. 1 GG eine bloße Berufsausübungsregelung dar, für deren Rechtfertigung bereits vernünftige Erwägun-gen des Allgemeinwohls ausreichend sind.[3] Die Wahrung der notariellen Unabhängigkeit und Verschwiegenheit ist zumindest eine derartige vernünftige Erwägung des Allgemeinwohls; so haben auch die bisher zu Sozietätsverboten der Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts das entsprechende Verbot im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG für verfassungsgemäß gehalten.[4]
Der Ausschluss weiterer als der in § 9 Abs. 2 BNotO genannten Berufe aus dem Kreise der mit Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotaren sozietätsfähigen Berufe stellt zudem auch gar keine Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG dar, zumindest wäre eine Ungleichbehandlung hier durch den gesetzlichen Zweck der Verhinderung des Anscheins der Abhängigkeit und Parteilichkeit der Anwaltsnotarinnen oder Anwaltsnotare aber gerechtfertigt. Zunächst sind nicht verkammerte Berufe bereits aufgrund der fehlenden Berufsaufsicht nicht zur Soziierung mit Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotaren geeignet; aufgrund fehlender Verkammerung liegt schon keine Vergleichbarkeit der entsprechenden Berufsgruppen vor, sodass bereits der Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG nicht eröffnet ist. Dasselbe gilt für diejenigen verkammerten Berufsgruppen, die nicht in § 9 Abs. 2 BNotO genannt sind; diese sind aufgrund der oben bereits aufgeführten fehlenden Zugehörigkeit zum Bereich der Rechts- bzw. der rechtsnahen Wirtschaftsberatung nicht mit dem Notaramt und den in § 9 Abs. 2 BNotO genannten Berufsgruppen vergleichbar. Selbst wenn man von einer verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung ausginge, wäre diese jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil durch sie – wie bereits aufgeführt – der Anschein der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Notarinnen und Notare vermieden wird. Auch die bisher zur Soziierung der Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung nur aus der Sachnähe bzw. personellen Verquickung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit der jeweils zu beurteilenden anderen Berufsgruppe, namentlich den Steuerberaterinnen und Steuerberatern, den Rechtsbeiständen und den Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfern, gefolgert.[5] Die Notwendigkeit einer Hereinnahme „sachfremder“ Berufsgruppen, selbst wenn sie verkammert sind, lässt sich daraus gerade nicht folgern.
Hinzu kommt die – auch vom BVerfG gebilligte – Erwägung, dass im Falle einer Sozietätsmöglichkeit der Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare mit Angehörigen weiterer Berufsgruppen sich das Berufsbild der Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotare noch weiter von demjenigen der hauptberuflichen Notarinnen und Notare entfernen würde.[6]
Wir regen nach alldem an, die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Beibehaltung des § 9 Abs. 2 BNotO in die Entwurfsbegründung noch einfließen zu lassen. Hierfür kann auf die Rechtsprechung des BVerfG Bezug genommen werden: „[…] bedeutet nicht, daß der Gesetzgeber gehindert wäre, Anwaltsnotaren die Sozietät mit Angehörigen anderer freier Berufe, sogar mit dem des Rechtsanwalts, vollständig zu verbieten.“[7]
d) Beibehaltung des Regelungsgehalts von § 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO und § 56 Abs. 1 Satz 2 StBerG
Große Bedenken bestehen aus unserer Sicht gegen die Streichung von § 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO und § 56 Abs. 1 Satz 2 StBerG. Nach diesen Vorschriften kann sich ein Anwaltsnotar nur in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt soziieren.
Die Begründung geht zwar ausdrücklich davon aus, dass sich bei der Frage der Sozietätsfähigkeit von Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotaren nichts ändern soll (S. 180 f.) und führt aus, dass der Regelungsgehalt von § 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO (bzw. § 56 Abs. 1 Satz 2 StBerG) bereits in § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BNotO enthalten sei. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Die Regelung, wonach sich ein Anwaltsnotar nur in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt soziieren kann, ist in § 9 BNotO gerade nicht aufgeführt. Sie ist gleichwohl zwingend notwendig mit Blick auf das öffentliche Amt, das insoweit nicht soziierungsfähig ist.[8] Die hoheitliche Aufgabe der Beurkundung ist nicht mit Angehörigen nicht-hoheitlicher Berufsgruppen soziierbar. Dies ist auch kein Widerspruch zu § 9 Abs. 1 BNotO, weil diese Norm lediglich eine Soziierung zwischen – ausschließlich Notarfunktionen ausübenden – Nurnotarinnen und Nurnotaren zulässt. Zwar ließe sich diese Rechtsfolge wohl auch aus allgemeinen Grundsätzen des notariellen Berufsrechts und in Zusammenschau mit der Begründung weiterhin ableiten, dennoch ist – auch zur Vermeidung von Missverständnissen in der Praxis – eine ausdrückliche Regelung eindeutig vorzugswürdig.
Da nach den Ausführungen in der Entwurfsbegründung ohnehin keine Änderung der Rechtslage eintreten soll, gehen wir davon aus, dass es sich bei der Streichung von § 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO lediglich um ein Versehen handelt. Wir regen daher an, die Bestimmung des § 59a Abs. 1 Satz 3 BRAO (bzw. des § 56 Abs. 1 Satz 2 StBerG) wieder aufzunehmen. Zuzugeben ist, dass diese Regelung ggf. in § 9 Abs. 2 BNotO dogmatisch besser verortet wäre als in der BRAO. Dringend notwendig ist sie aber in jedem Fall.
2. Interprofessionelle Berufsausübungsgesellschaften
Der Referentenentwurf lässt in § 59c Abs. 1 Nr. 4 BRAO-E nunmehr eine Soziierung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit allen Freien Berufen i.S.d. § 1 Abs. 2 PartGG zu, ebenso für die Patentanwaltschaft in § 52c Abs. 1 Nr. 4 PAG-E und für die Steuerberatung in § 50 Abs. 1 Nr. 3 StBerG-E. Dabei geht der Entwurf davon aus, dass die Sicherstellung der anwaltlichen Berufspflichten, also insbesondere der Verschwiegenheit, der Unabhängigkeit und des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen, innerhalb der Freien Berufe auch auf anderem Wege als durch eine Einschränkung der Sozietätsfähigkeit erreicht werden könne. Die Freien Berufe seien durch das gemeinsame Strukturmerkmal der fachlichen Unabhängigkeit gekennzeichnet, weshalb sich insoweit eine Einschränkung der sozietätsfähigen Berufe verbiete. Hingegen seien sonstige Berufsgruppen, insbesondere gewerbliche Berufe, nicht für eine Soziierung geeignet (S. 184 f.). Der Referentenentwurf möchte die Einhaltung der anwaltlichen Grundpflichten dadurch sicherstellen, dass die nichtanwaltlichen Gesellschafterinnen und Gesellschafter, die Berufsausübungsgesellschaft sowie deren geschäftsführende Organe den anwaltlichen Berufspflichten unterworfen sind (§ 58d Abs. 1, § 59e Abs. 1, § 59j Abs. 5 BRAO-E). Weiter ist auch die Berufsausübungsgesellschaft Mitglied der Rechtsanwaltskammer und damit deren Aufsicht unterstellt (§ 60 Abs. 2 Nr. 2 BRAO-E), gleiches gilt hinsichtlich der Aufsicht auch für die geschäftsführenden Organe (§ 59j Abs. 5 BRAO-E). Durch geeignete gesellschaftsrechtliche Maßnahmen ist nach dem Referentenentwurf sicherzustellen, dass die Berufsausübungsgesellschaft für die Einhaltung der Berufspflichten sorgen kann (§ 59e Abs. 1 Satz 3 BRAO-E), insbesondere sind im Gesellschaftsvertrag Klauseln für den Ausschluss von Gesellschafterinnen und Gesellschafter vorzusehen, die schwerwiegend oder wiederholt gegen Berufspflichten verstoßen (§ 59d Abs. 5 BRAO-E).
Mit diesen Neuregelungen verfolgt der Referentenentwurf das Ziel, die Gesetzeslage an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von 2016[9] anzupassen. Dieses Ziel begrüßen wir ausdrücklich. Jedoch reichen die vom Referentenentwurf vorgesehenen (Schutz-)Maßnahmen nach unserem Dafürhalten weder aus, um die Einhaltung der anwaltlichen Grundpflichten sicherzustellen, noch sind sie konform mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts lässt sich gerade nicht entnehmen, dass eine Ausweitung der Sozietätsfähigkeit auf alle Freien Berufe zwingend ist. Vielmehr ist nicht nur der Tenor, sondern sind auch die Entscheidungsgründe alleine auf Ärztinnen, Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker zugeschnitten (a.). Das Bundesverfassungsgericht leitet auch keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit zur Ausweitung der Sozietätsfähigkeit überhaupt her, sondern fordert nur Konsistenz bei der Einschränkung sozietätsfähiger Berufe ein (b.). Die vom Referentenentwurf gewählte Lösung wird diesen Vorgaben aber gerade nicht gerecht, sondern schießt über das Ziel hinaus (c.). Stattdessen wäre an eine Beschränkung auf verkammerte Freie Berufe zu denken, die ein originäres Zeugnisverweigerungsrecht haben (d.). Schließlich besteht auch kein praktisches Bedürfnis nach einer darüber hinausgehenden Ausweitung (e.).
a) Umfang und Reichweite der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die Rechtskraft des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich auf die Sozietätsfähigkeit von Ärztinnen, Ärzten, Apothekerinnen und Apothekern.[10] Auch aus den Entscheidungsgründen geht nichts anderes hervor. Vielmehr argumentiert das Gericht sehr spezifisch zugeschnitten auf die Besonderheiten des Berufsrechts der Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker. So wird etwa die Verschwiegenheitspflicht der Ärztinnen und Ärzte nach § 14 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns betrachtet und daraus abgeleitet, dass Ärztinnen und Ärzte insoweit auch über Tatsachen, die ihnen über einen anwaltlichen Partner einer entsprechenden Berufsausübungsgemeinschaft bekannt werden, Verschwiegenheit zu bewahren haben.[11] Weiter erörtert das Gericht beispielsweise spezifisch mit Blick auf die Ärzte- und Apothekerschaft die Beschlagnahmeverbote nach § 97 StPO. Diese Beschlagnahmeverbote erfassen nicht jeden freien Beruf, sondern nur ganz spezielle zeugnisverweigerungsberechtigte Berufe, worunter zwar die Ärzte- und Apothekerschaft fällt, andere – auch verkammerte – Berufe aber nicht.[12] Dieselben auf die Ärzte- und Apothekerschaft zugeschnittenen Erwägungen werden hinsichtlich des Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbots gem. § 160a StPO angestellt.[13]
b) Keine Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach Ausweitung sozietätsfähiger Berufe insgesamt
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fordert gerade keine Ausweitung der Sozietätsfähigkeit auf alle Freien Berufe, sondern wendet sich eher dagegen. Die Entscheidungsgründe sprechen in Struktur und Argumentationslinie vielmehr dafür, dem Berufsrecht und der Existenz einer Berufsaufsicht sowie der Einheitlichkeit eventueller Beschränkungen wesentliche Bedeutung zuzumessen. Dem Gesetzgeber wird hierbei ein großer Einschätzungsspielraum eingeräumt, der sich gerade nicht darauf beschränkt, eine Ausweitung auf alle Freien Berufe vorzunehmen. Das alle Freien Berufe prägende Strukturmerkmal der Unabhängigkeit, welches von dem Referentenentwurf als zentrales Argument für die entsprechende Ausweitung gesehen wird (S. 138), wird vom Bundesverfassungsgericht hingegen nur flankierend erwähnt.
Im Einzelnen:
aa) Überragende Bedeutung von Berufsrecht und Berufsaufsicht
Das Bundesverfassungsgericht rückt die Existenz eines spezifischen Berufsrechts und einer Berufsaufsicht über Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker ins Zentrum seiner Entscheidungsbegründung. Den Ausschluss von Ärzte- und Apothekerschaft von einer Soziierungsmöglichkeit mit der Anwaltschaft hält es teilweise bereits für nicht erforderlich zum Erreichen des Ziels der Sicherung der anwaltlichen Grundwerte Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und Prävarikationsverbot. Dies begründet das Gericht ganz zentral damit, dass die Berufsordnungen der Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker selbst die Verschwiegenheit und Unabhängigkeit vorschreiben.[14] Ganz explizit geht das Bundesverfassungsgericht auch auf die Möglichkeit berufsgerichtlicher Ahndung von Berufsrechtsverstößen ein.[15] Das Bundesverfassungsgericht stellt also in besonderem Maße auf berufsrechtlich verankerte Pflichten ab, die gegenüber den Normadressaten auch durch eine entsprechende Berufsaufsicht effektiv durchgesetzt werden können. Nur deshalb ebnet das Bundesverfassungsgericht überhaupt den Weg für eine Öffnung der Sozietätsfähigkeit hin zur Ärzte- und Apothekerschaft.
bb) Einforderung konsistenter, nicht aber ausweitender Regelungen
Weiter fordert das Gericht einheitliche und konsistente Beschränkungsregelungen, es fordert aber gerade nicht zwingend eine Ausweitung der Sozietätsfähigkeit. Dies wird daran deutlich, dass das Gericht das Sozietätsverbot für die Ärzte- und Apothekerschaft deshalb als unangemessen ansieht, weil mit ihm kein größeres Risiko für die anwaltlichen Grundwerte verbunden sei, als es bereits jetzt durch die Öffnung zu den in § 59a BRAO zugelassenen nichtanwaltlichen Berufsgruppen besteht. Mit Blick auf Verschwiegenheit, Unabhängigkeit und Prävarikationsvermeidung stellt das Bundesverfassungsgericht entscheidend darauf ab, dass der Gesetzgeber durch die Zulassung einer Sozietät mit Steuerberaterinnen und Steuerberatern, Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfern sowie Patentanwältinnen und Patentanwälten ein gewisses Risiko für diese anwaltlichen Grundwerte ohnehin in Kauf genommen habe.[16] Dem ist aber gerade nicht zu entnehmen, dass das Gericht die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Ausweitung der sozietätsfähigen Berufe sieht. Es verlangt nur, dass der Gesetzgeber hinsichtlich des Kreises der sozietätsfähigen Berufe eine Entscheidung trifft, die in sich konsistent ist und nicht Berufe ausschließt, die hinsichtlich der Gefährdung der anwaltlichen Grundwerte gegenüber den sonstigen zugelassenen Berufen kein spezifisch erhöhtes Risiko darstellen. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber hätte sich auch dafür entscheiden können, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten die Soziierung mit nichtanwaltlichen Berufsträgern gänzlich zu versagen.[17] Wenn er aber eine Öffnungsentscheidung trifft, darf diese Öffnung nicht willkürlich sein, sondern muss alle Berufe erfassen, die gegenüber den anwaltlichen Grundwerten ein etwa gleiches Gefährdungsniveau aufweisen. Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber mithin einen weiten Ermessensspielraum ein und spricht sich gerade nicht generell für eine Ausweitung der sozietätsfähigen Berufe aus.
cc) Freie Berufe und mittelbarer Einfluss durch anwaltliche Gesellschafterinnen und Gesellschafter nicht als entscheidendes Kriterium
Daneben geht das Bundesverfassungsgericht in der Tat auch darauf ein, dass die Unabhängigkeit gemeinsames Strukturmerkmal der Freien Berufe sei und die Pflicht der Rechtsanwaltschaft zur Einhaltung der anwaltlichen Grundwerte auch zu einem mittelbaren Druck auf die nichtanwaltlichen Gesellschafter führen könne.[18] Diese Gesichtspunkte stehen aber ganz ersichtlich nicht im Zentrum der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, sondern flankieren diese nur. Dies wird etwa daran ersichtlich, dass das Gericht den mittelbaren Druck durch die anwaltlichen Mitgesellschafter erst am Ende seiner Argumentationskette aufführt und mit den Worten „es kommt hinzu“ einleitet.[19] Die Bezugnahme des Bundesverfassungsgerichts auf die Unabhängigkeit als Strukturmerkmal aller Freien Berufe beschränkt sich außerdem auf einen Satz. Sodann geht das Gericht sogleich wieder – und in deutlich mehr als einem Satz – auf die Spezifika der Berufsordnungen ein.[20] Zu beachten ist außerdem, dass das Gericht die beiden vorgenannten Argumente – ganz im Gegensatz zur Bezugnahme auf das Berufsrecht – nur punktuell einführt, und zwar das eine bei der anwaltlichen Verschwiegenheit, das andere bei der anwaltlichen Unabhängigkeit.[21] Die Gemeinsamkeiten der Freien Berufe und der Einfluss durch die anwaltlichen Gesellschafter stellen also nicht den Kern der Argumentationslinie des Gerichts dar, sondern flankieren diese nur. Ein Bedürfnis nach einer Ausweitung der Sozietätsfähigkeit auf alle Freien Berufe ist dem nicht zu entnehmen.
c) Kritik an der Lösung des Referentenentwurfs
Die Lösung des Referentenentwurfs, der eine Ausweitung der Sozietätsfähigkeit auf alle Freien Berufe vorsieht und für die Absicherung der anwaltlichen Grundwerte entscheidend auf rein interne Sicherungsmaßnahmen und den mittelbaren Druck durch die anwaltlichen Mitgesellschafter setzt, ist nach unserem Dafürhalten nicht zielführend. Zum einen zieht sie aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unrichtige Schlüsse (aa.). Weiter ist das vom Referentenentwurf in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückte Kriterium der Freien Berufe alleine zu unbestimmt (bb.) und lässt eine Rechtszersplitterung besorgen (cc.), es vermag außerdem einen Ausschluss sonstiger Berufsgruppen nicht hinreichend zu rechtfertigen (dd.). Die im Entwurf vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Sicherungsmaßnahmen zur Sicherstellung der anwaltlichen Grundwerte sind zudem unzureichend (ee.). Schließlich berücksichtigt die Lösung die entscheidende Bedeutung des spezifischen Berufsrechts und der spezifischen Berufsaufsicht nicht angemessen (ff.). Ferner besteht auch kein praktisches Bedürfnis nach einer derart ausufernden Ausweitung der Sozietätsfähigkeit (gg.).
aa) Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Eine – wie vom Referentenentwurf vorgesehene – reine Absicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit und Verschwiegenheit durch die Begrenzung der Sozietätsfähigkeit auf alle Freien Berufe und durch rein interne Sicherungsmaßnahmen stützt sich zentral und maßgeblich auf eine bloß flankierende Hilfserwägung in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (s. bereits oben III.2.b)bb)). Diese Lösung reicht vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts für eine effektive Sicherstellung und Wahrung der anwaltlichen Grundwerte aber gerade nicht aus, weil es nicht an die vom Gericht in seiner Entscheidung ins Zentrum gerückten Gesichtspunkte Berufsrecht und Berufsaufsicht anknüpft. Dass auf europäischer Ebene teilweise Vereinigungen aller Freien Berufe unter Einschluss der Rechtsanwaltschaft möglich sind, ist auch kein entscheidendes Argument, weil die vom Gesetzgeber gewählte Lösung jedenfalls und insbesondere auch den Anforderungen des Grundgesetzes genügen muss.
bb) Unbestimmtheit des Begriffs der Freien Berufe
Der Begriff der Freien Berufe ist konturlos und unscharf. Dies birgt die Gefahr in sich, dass die Grenzen zwischen Freien Berufen und sonstigen Berufsgruppen zunehmend verwischen.
§ 1 Abs. 2 PartGG beschränkt sich auf eine abstrakte Definition, gefolgt von einer nicht abschließenden Aufzählung. Es handelt sich lediglich um einen Typusbegriff, der als auf Dauer angelegte Tätigkeit beschrieben wird, die der Schaffung sowie Erhaltung der Lebensgrundlage dient und selbstständig ausgeübt wird. Die zu erbringende Dienstleistung muss höherer Art sein und auf besonderen beruflichen Qualifikationen oder auf schöpferischer Begabung beruhen.[22] Die Existenz Freien Berufe ist auch historisch bedingt; eine Abgrenzung gegenüber anderen Berufen ist zumindest in Grenzbereichen nicht möglich, selbst wenn sich teilweise schon eine gewisse richterliche Kasuistik zu § 1 Abs. 2 PartGG herausgebildet hat. So ist etwa die Zugehörigkeit von beratenden Handwerkerinnen und Handwerkern, Fahrlehrerinnen und Fahrlehrern oder beratenden Entwicklungsingenieurinnen und Entwicklungsingenieuren zu den Freien Berufen nicht geklärt.[23] Es ist zu befürchten, dass die nationale und europäische Rechtsprechung den Begriff des Freien Berufs nach und nach weiter auslegt und dies im Ergebnis zu einem Dammbruch führt. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Begriffsbestimmung des PartGG der Zielsetzung folgt, möglichst vielen Berufen den Zugang zur Partnerschaft zu eröffnen.[24] Auch die Rechtsprechung hat diese Tendenz bereits aufgegriffen und sich im Grenzbereich zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit für ein Wahlrecht ausgesprochen.[25] Die geplante Neuregelung dürfte insgesamt zu einer stark erhöhten Streitanfälligkeit hinsichtlich der Frage führen, welche Berufe sozietätsfähig sind.
cc) Besorgnis der Rechtszersplitterung
Die Prüfung, welcher Beruf mit der Rechtanwaltstätigkeit vereinbar und damit sozietätsfähig ist, obliegt der Rechtsanwaltskammer (§ 59f Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 59c Abs. 1 Nr. 4 BRAO-E). Angesichts der großen Zahl von insgesamt 28 Rechtsanwaltskammern in Deutschland ist zu befürchten, dass es insoweit zu einer Rechtszersplitterung kommen wird, indem sich unterschiedliche Entscheidungspraxen herausbilden. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass der Begriff der Freien Berufe – wie vorstehend dargelegt – konturenlos und unbestimmt ist.
Auch das Kriterium der Vereinbarkeit selbst (§ 59c Abs. 1 Nr. 4 BRAO-E) ist nicht hinreichend geklärt. Der Normtext nimmt insoweit auf Unvereinbarkeitsgründe nach § 7 BRAO Bezug. Dieser Verweis hilft jedoch bei der Normauslegung nicht weiter, sondern dürfte eher in die Irre führen. Denn § 7 BRAO enthält überwiegend persönliche Unvereinbarkeitsgründe, etwa eine strafrechtliche Verurteilung (Nr. 2) oder eine gesundheitliche Ungeeignetheit (Nr. 7). Lediglich Nr. 8 bezieht sich auf die Ausübung einer Tätigkeit, die mit dem Anwaltsberuf unvereinbar ist und wiederholt damit lediglich den unbestimmten Rechtsbegriff der Unvereinbarkeit, ist aber für eine Normauslegung nicht weiterführend.
dd) Inkonsistenz der Beschränkung auf Freie Berufe
Schließlich genügt die Begrenzung des Kreises der sozietätsfähigen Gesellschafter auf Freie Berufe gerade nicht den im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gemachten Vorgaben an eine konsistente Beschränkung. Trifft der Gesetzgeber die Grundentscheidung, den Kreis der sozietätsfähigen Berufe weiter auszudehnen und auf alle Freien Berufe zu erstrecken, muss es gute Gründe geben, weshalb diese Ausdehnung nicht auch auf andere, etwa gewerbliche, Berufe erfolgt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsste eine Ausdehnung auf andere Berufe mit einer spezifischen Risikoerhöhung für die anwaltlichen Grundwerte verbunden sein, um den damit verbundenen Eingriff in die Berufsfreiheit rechtfertigen zu können. Die Begründung des Referentenentwurfs stützt sich hierfür alleine auf eine mit einer gewerblichen Tätigkeit verbundene erhöhte Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit (S. 184). Dieses Argument vermag nach unserem Dafürhalten diese Beschränkung der sozietätsfähigen Berufe aber gerade nicht zu tragen. Denn die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft wird nicht durch bestimmte Berufsgruppen besonders gefährdet, die Mitglied der Sozietät werden können. Dies ergibt sich daraus, dass der Grad der Unabhängigkeit nichtanwaltlicher Sozien keinen direkten Einfluss auf den Grad der Unabhängigkeit der anwaltlichen Sozien hat. Ein an sich fachlich völlig unabhängiger Arzt kann, wenn er mit einer entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Übermacht ausgestattet ist, durchaus eine Rechtsanwältin in ihrer Unabhängigkeit faktisch beeinflussen, indem er ihr fachliche Entscheidungen abverlangt, die alleine an wirtschaftlichen Interessen orientiert sind. Umgekehrt könnte auch eine Kauffrau gezwungen sein, einem Rechtsanwalt fachliche Unabhängigkeit zu bewahren, wenn dieser das entsprechende Stimmgewicht in der Gesellschaftsversammlung hat. Der Kreis der betroffenen Berufe alleine ist also kein maßgebliches Kriterium für eine den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügende Einschränkung der Sozietätsfähigkeit. Folgerichtig spricht auch das Bundesverfassungsgericht selbst davon, dass die Gefahren für die Unabhängigkeit einzelner Berufsträger sich aus der Soziierung selbst ergeben und nicht aus den Besonderheiten einer interprofessionellen Kooperation.[26] Maßgeblich könnten insoweit eher die vom Referentenentwurf vorgesehenen internen gesellschaftsrechtlichen Absicherungen und der mittelbare Druck auf die anwaltlichen Gesellschafter sein. Diese Maßnahmen können aber unabhängig vom Kreis der sozietätsfähigen Berufe getroffen werden. Weitet der Gesetzgeber den Kreis der sozietätsfähigen Berufe also auf alle Freien Berufe aus, ist damit zu rechnen, dass auch diese ohnehin schon extrem weitgehende Regelung durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu Fall gebracht wird. Dann wäre eine Kooperation mit sämtlichen gewerblichen Berufen, etwa mit makelnden Berufen, mit Banken und Versicherungen oder auch mit Kaufleuten möglich. Dies hätte gravierende Folgen für die Struktur des Rechtsberatungsmarktes, für den Status des Rechtsanwalts und das rechtsstaatliche Gefüge insgesamt. Es ist also davor zu warnen, die gesetzgeberische Grundentscheidung zur Öffnung des Kreises der sozietätsfähigen Berufe hin zu allen Freien Berufen zu treffen. Aufgrund der Inkonsistenz dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung ist die weitere Öffnung hin zu gewerblichen Berufen damit nur eine Frage der Zeit.
ee) Unzureichender Charakter der gesellschaftsrechtlichen Sicherungsmaßnahmen
Die vom Referentenentwurf vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Sicherungsmaßnahmen in § 59e Abs. 1 Satz 3 BRAO-E (Einhaltung der Berufspflichten durch Berufsausübungsgesellschaft) und § 59d Abs. 5 BRAO-E (Ausschlussklauseln für Gesellschafterinnen und Gesellschafter) genügen nicht, um eine hinreichende Einhaltung der Berufspflichten sicherzustellen.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass keine Mehrheitserfordernisse aufgestellt sind. Lediglich im Rahmen der Firmierung ist geregelt, dass eine Berufsausübungsgesellschaft sich nur dann Rechtsanwaltsgesellschaft nennen darf, wenn Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte eine Stimmrechts- und Geschäftsleitungsmehrheit haben, § 59p Abs. 2 BRAO-E.
Dies ermöglicht es, dass eine Mehrheit von nichtanwaltlichen Gesellschafters die Sanktionierung von Verstößen gegen anwaltliches Berufspflicht verhindern kann. Dasselbe gilt für das Berufsrecht der Patentanwaltschaft sowie der Steuerberaterinnen und Steuerberater.
Im Übrigen regen wir an, den Prüfumfang der Zulassung gem. § 59f Abs. 2 BRAO-E und des Widerrufs nach § 59h Abs. 3 BRAO-E auch auf die Einhaltung der gesellschaftsrechtlichen Sicherungsmaßnahmen zu erstrecken.
ff) Bedeutung des Berufsrechts
Indem der Referentenentwurf nicht darauf abstellt, ob die sozietätsfähigen Berufe einer spezifischen Berufsaufsicht unterworfen sind (vgl. S. 183), berücksichtigt er das vom Bundesverfassungsgericht insoweit maßgeblich herausgestellte Kriterium nicht in hinreichender Weise. Nicht primär der Kreis der Berufe selbst, sondern die Unterworfenheit unter ein Berufsrecht und eine entsprechende berufsgerichtliche Ahndung müssten entscheidendes Abgrenzungskriterium sein. Eine berufsgerichtliche Ahndung von Verstößen einzelner Sozien gegen anwaltliche Grundwerte stellt effektiv sicher, dass diese anwaltlichen Grundwerte eingehalten werden. Die berufsgerichtliche Ahndung ist zum einen dadurch gekennzeichnet, dass sie wesentlich früher eingreift als das allgemeine Strafrecht oder die Gewerbeaufsicht, die insoweit als „ultima ratio“ fungieren. Zum anderen sind die Sanktionsmöglichkeiten einer Berufsaufsicht größer und weitergehender: Härteste Sanktion kann die Entziehung der Berufszulassung sein, welche den entsprechenden Berufsträger unmittelbar in seiner Existenz berührt. Dies stellt sicher, dass der entsprechende Berufsträger die anwaltlichen Grundwerte der Verschwiegenheit, Unabhängigkeit und des Verbots widerstreitender Interessen einhält.
Die vom Referentenentwurf gewählte Lösung genügt diesen Grundsätzen nicht. Zwar ist die Berufsausübungsgesellschaft nunmehr Mitglied der Rechtsanwaltskammer und deren Aufsicht unterworfen. Die nichtanwaltlichen Sozien sind dies jedoch nicht; deren Verstöße können nicht berufsaufsichtlich geahndet werden (mit Ausnahme der in § 59j Abs. 5 BRAO-E vorgesehenen Sanktionen gegen Leitungsorganmitglieder, die aber auch keinen Entzug der Berufserlaubnis beinhalten). Daran ändert auch nichts, dass für die nichtanwaltlichen Sozien die anwaltlichen Berufspflichten auch gelten sollen (vgl. § 59d BRAO-E). Denn ein Verstoß der nichtanwaltlichen Gesellschafterinnen und Gesellschafter gegen diese Berufspflichten ist nicht hinreichend ahndungsfähig, da diese Gesellschafterinnen und Gesellschafter (etwa Journalistinnen, Journalisten, Künstlerinnen oder Künstler) keiner Berufsaufsicht unterworfen sind. Der mittelbare Druck auf die anwaltlichen Sozien oder das allgemeine Strafrecht sind hiergegen nur ein stumpfes Schwert und nur selten effektiv.
gg) Kein praktisches Bedürfnis
Schließlich sieht die Anwaltschaft selbst mehrheitlich kein Bedürfnis für eine über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinausgehende Erweiterung der sozietätsfähigen Berufe. Nach einer Erhebung aus dem Jahr 2017 sprechen sich 55 % der befragten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für eine Ausweitung der Sozietätsfähigkeit nur auf Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker oder auf verkammerte Freiberufe aus.[27] Davon sprechen sich 29 % für eine Ausdehnung der Sozietätsfähigkeit lediglich im Umfang des Entscheidungstenors, also auf die Ärzte- und Apothekerschaft, aus, für eine Erweiterung auf beliebige Berufe plädieren nur 6 %.[28] 56 % aus der Anwaltschaft geben außerdem an, eine erweiterte Sozietätsfähigkeit nicht nutzen zu wollen.[29]
d) Gegenvorschlag
Statt der vom Referentenentwurf gewählten Lösung sprechen wir uns dafür aus, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Sozietätsrechts der Berufsausübungsgesellschaften eine andere Grundentscheidung trifft, die in sich schlüssig ist und die anwaltlichen Grundwerte der Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und des Verbots widerstreitender Interessen effektiv und nachhaltig zu sichern vermag.
Eine nach unserer Ansicht brauchbare Lösung bestünde darin, die Sozietätsfähigkeit auf diejenigen Freien Berufe zu erstrecken,
- deren Berufsrecht den Berufsangehörigen im Falle einer Soziierung mit Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälten die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten auferlegt,
- deren Berufsaufsicht Verstöße gegen diese anwaltlichen Berufspflichten mit berufsaufsichtlichen Maßnahmen ahnden kann, die auch den Entzug der Berufserlaubnis umfassen, und
- die über ein originäres Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO verfügen.
Die vorstehenden Kriterien setzen voraus, dass die Ausübung der entsprechenden Berufe an eine entsprechende Zulassung gebunden ist und außerdem einer Berufsaufsicht unterliegt. Diese Voraussetzungen werden derzeit, soweit ersichtlich, nur von Berufen erfasst, die verkammert sind, insoweit kann man vereinfachend von verkammerten Freien Berufen sprechen, die mit einem originären Zeugnisverweigerungsrecht ausgestattet sind.
aa) Berufsrecht und Berufsaufsicht
Die vorstehend skizzierte Lösung zeichnet sich dadurch aus, dass der Kreis der erfassten Berufe nach abstrakten, aber fassbaren Kriterien eingegrenzt wird. Hierbei kann das jeweilige Berufsrecht selbst entscheiden, ob es die entsprechenden Voraussetzungen für eine Soziierungsfähigkeit mit der Rechtsanwaltschaft schafft oder nicht. Insoweit ist diese Lösung nicht dadurch eingeschränkt, dass die Kompetenz zur berufsrechtlichen Gesetzgebung teilweise bei den Ländern liegt, so etwa im Bereich der Heilberufe. Im Bereich der bundesgesetzgeberischen Kompetenzen, etwa bei den steuerberatenden, wirtschaftsprüfenden und patentanwaltlichen Berufen, könnten die entsprechenden Voraussetzungen direkt mit diesem Gesetz geschaffen werden.
Insbesondere wird diese Lösung den Vorgaben der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gerecht, indem sie eine in sich konsistente, klar fassbare und eindeutig verfassungsrechtlich zu rechtfertigende Einschränkung des Kreises der sozietätsfähigen Berufe schafft. Nur mit einer entsprechenden Berufsaufsicht kann die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten effektiv sichergestellt werden. Eine derartige Lösung ist auch europarechtlich unbedenklich.[30]
Die berufsaufsichtliche Ahndung von Verstößen gegen anwaltliche Berufspflichten setzt voraus, dass das Berufsrecht der nichtanwaltlichen Berufe eine entsprechende Erweiterung um diese Pflichten erfährt und die Aufsichtsbehörde die Kompetenz für die Sanktionierung derartiger Verstöße erhält. Eine derartige Regelung ist kammerrechtlich ohne Weiteres möglich. So ist das Kammerwesen zwar primär durch die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben geprägt. Dies schließt aber nicht aus, dass weitere, auch staatliche, Aufgaben den Kammern durch Gesetz auferlegt werden.[31] Ein Beispiel hierfür ist etwa die Zuständigkeit der Ärztekammern in NRW im Rahmen der Erteilung von Genehmigungen zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 HeilBerG NRW.
bb) Originäres Zeugnisverweigerungsrecht
Weiter sollte sich der Kreis der sozietätsfähigen Berufe auch auf Berufe beschränken, die ein originäres Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO innehaben. Zwar könnte einem nicht mit einem derart originären Zeugnisverweigerungsrecht ausgestatteten Mitgesellschafter ein abgeleitetes Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53a StPO zustehen. Dies ist jedoch strittig;[32] auch das Bundesverfassungsgericht hat sich zu dieser Frage nur vage geäußert.[33] Auch die in der Begründung des Referentenentwurfs (S. 142) getroffene Aussage, § 53a StPO finde insoweit Anwendung, kann hier keine Rechtssicherheit schaffen.
Aber selbst wenn einer Sozia oder einem Sozius ein abgeleitetes Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, schließt dies nicht aus, dass durch Befragung zu nicht dem abgeleiteten Zeugnisverweigerungsrecht unterliegenden Themenfeldern (d.h. zu Themenfeldern außerhalb des anwaltlichen Bereichs) dennoch Informationen erlangt werden, die der Verschwiegenheitspflicht der Berufsgeheimnisträger-Sozien unterliegen. Die Ausweitung der Sozietätsfähigkeit muss daher immer mit einer Ausweitung des originären Zeugnisverweigerungsrechts auf alle Sozien einhergehen.
cc) Gesellschaftsrechtliche Sicherungsmaßnahmen
Die vom Referentenentwurf zusätzlich vorgesehenen Sicherungsmechanismen, insbesondere die Mitgliedschaft der Berufsausübungsgesellschaft in der Rechtsanwaltskammer und die gesellschaftsrechtlichen Vorkehrungen zur Ahndung von Berufsrechtsverstößen, sollten flankierend beibehalten werden.
Die in § 59e Abs. 1 Satz 3 BRAO-E (Einhaltung der Berufspflichten durch Berufsausübungsgesellschaft) und § 59d Abs. 5 BRAO-E (Ausschlussklauseln für Gesellschafterinnen und Gesellschafter) vorgesehenen Vorgaben reichen hierfür jedoch nicht aus (s. bereits oben III.2.c)ee)). Im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Vorkehrungen sollten den nach § 59c Abs. 1 Nr. 1-3 BRAO-E zugelassenen Berufen die nachfolgend näher dargelegten Vorrechte erhalten bleiben, um die Einhaltung des spezifischen Berufsrechts effektiv und wirksam durchsetzen zu können. Eine derartige Lösung widerspricht auch nicht der zu § 59e Abs. 2 Satz 1, § 59f Abs. 1 Satz 1 BRAO und § 52e Abs. 2 Satz 1, § 52f Abs. 2 Satz 1 PAO ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,[34] weil sich die als verfassungswidrig erklärte Regelung auf eine Mehrheitsklausel alleine für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bezog. Der hier vorgestellte Gegenvorschlag bezieht sich hingegen auf entsprechende Vorrechte für alle rechts- und wirtschaftsberatenden verkammerten Freien Berufe. Da das Berufsrecht dieser Berufsgruppen ähnlich ausgestaltet ist, sollte diesen Berufsgruppen die Möglichkeit verbleiben, gegen Berufsrechtsverstöße auch mit Mitteln des Gesellschaftsrechts hinreichend effektiv vorgehen zu können. Falls der hier unter III.2.d)aa) und bb) unterbreitete Vorschlag einer engeren Begrenzung der sozietätsfähigen Berufe nicht aufgegriffen würde, sondern es bei einer Ausweitung auf alle vereinbaren Freien Berufe bliebe, wäre eine entsprechend effektive gesellschaftsrechtliche Absicherung erst recht erforderlich.
Es sollten hierzu – ähnlich der in § 59e Abs. 1 Satz 3 BRAO-E und § 59d Abs. 5 BRAO-E gewählten Regelungstechnik – konkrete Vorgaben für den Gesellschaftsvertrag der Berufsausübungsgesellschaft gemacht werden. Die Zulassung der entsprechenden Berufsausübungsgesellschaft gem. § 59f BRAO-E müsste von der Einhaltung dieser Vorgaben abhängig gemacht und ggf. ein Widerruf nach § 59h Abs. 3 BRAO-E ermöglicht werden. Gleichzeitig wäre die entsprechende gesetzliche Vorgabe für den Gesellschaftsvertrag auch ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB.
Die gesetzgeberischen Vorgaben sollten darin bestehen, den insoweit privilegierten Berufsgruppen Vorrechte hinsichtlich gesellschaftsrechtlicher Kernentscheidungen einzuräumen (so insbesondere Kündigung der Gesellschaft, Kapitalmaßnahmen, Stimmrechtsabgaben zum Zwecke der Umwandlung, Auflösung, Verpflichtung zur Nichterhebung der Auflösungsklage, Unternehmensverträge, Veräußerung der Gesellschaft im Ganzen, Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Gewinnverwendung, Aufnahme von Gesellschafterinnen und Gesellschaftern, Verfügungen über Geschäftsanteile, Ausschluss von Gesellschafterinnen und Gesellschaftern). Die privilegierten Berufsgruppen sollten zum einen diese Kernentscheidungen alleine fassen dürfen, um Berufsrechtsverstößen hinreichend begegnen zu können. Zum anderen sollten sie auch entsprechende Entscheidungen der sonstigen Berufsgruppen verhindern können, um keinem mittelbaren Druck zur Begehung von Berufsrechtsverstößen ausgesetzt zu sein. Dies kann über qualifizierte Mehrheitserfordernisse sichergestellt werden, etwa durch Mehrfachstimmrechte oder stimmrechtslose Anteile. Hilfsweise würde auch ein Zustimmungserfordernis aller privilegierten Berufsangehörigen zu diesen Kernmaßnahmen ausreichen, gepaart mit der Möglichkeit, im Fall von Berufsrechtsverstößen den Ausschluss von Gesellschafterinnen und Gesellschaftern alleine herbeiführen zu können. Schließlich ist die Möglichkeit jedes Angehörigen der privilegierten Berufe sicherzustellen, im Fall von Berufsrechtsverstößen die Berufsausübungsgesellschaft selbst jederzeit verlassen zu können; dies darf auch nicht durch unvorteilhafte Abfindungsregeln mittelbar ausgeschlossen sein, so dürfte sich insoweit eine klare Abfindungsregel anbieten, die den Marktpreis des jeweiligen Anteils hinreichend rechtssicher ermittelt.
3. Externe Kapitalbeteiligung
Zu Recht hält der Referentenentwurf am Verbot externer Kapitalbeteiligungen fest (S. 141, S. 180). Gerade vor diesem Hintergrund ist jedoch die Ausweitung der Sozietätsfähigkeit unverständlich, begünstigt doch die Zulassung von nichtverkammerten Berufen in den Sozietäten die Einflussnahme durch externe Kapitalgeber auf Ebene der Gesellschafter: Angehörige verkammerter Freier Berufe haben ohne Ausnahme eine jahrelange Universitäts- und/oder Praxisausbildung absolviert und bestreiten in der Regel ihren Lebensunterhalt durch Ausübung des insoweit erlernten Berufs. Die Öffnung für Angehörige anderer Berufe – zu denken wäre hier etwa an Journalistinnen und Journalisten oder Künstlerinnen und Künstler[35] ohne spezifische Berufsausbildung – birgt die Gefahr, dass eine derartige (ggf. nur geringfügige) Tätigkeit vermehrt dazu genutzt wird, Gesellschafterinnen und Gesellschafter primär aufgrund des in die Gesellschaft eingebrachten Kapitals und nicht aufgrund der fachlichen Mitarbeit in der Sozietät einzubinden. Dies birgt wiederum das Risiko einer einseitigen Ausrichtung auf kommerzielle Interessen in sich, insbesondere wenn derartige „pseudo-externe“ Kapitalgeberinnen und Kapitalgeber eine Stimmrechtsmehrheit besitzen.
4. Interprofessionelle Bürogemeinschaften
§ 59q BRAO-E ermöglicht die Bildung einer Bürogemeinschaft nicht nur für alle Freien Berufe, sondern dehnt insoweit die Kooperationsmöglichkeiten sogar auf alle „vereinbaren“ Berufe aus. Dies ist unverständlich, ist doch die Bildung einer Bürogemeinschaft aufgrund der gemeinsam genutzten Räumlichkeiten und EDV sowie des gemeinsam angestellten Personals für Verstöße gegen die Verschwiegenheit mindestens ebenso anfällig wie eine Berufsausübungsgesellschaft. Die obigen Ausführungen zu Berufsausübungsgesellschaften gelten daher ebenso für bloße Bürogemeinschaften.
IV. Zu § 59g Abs. 5 Satz 3 BRAO-E
§ 59g Abs. 5 Satz 3 BRAO-E verlangt für die Mitteilung von Änderungen im Handels- oder Partnerschaftsregister eine öffentlich beglaubigte Abschrift der Eintragung im Register. Diese Formulierung, die wohl § 30 WPO entlehnt ist, ist unvollständig, zumindest aber missverständlich. Denn beglaubigte Abschriften existieren lediglich, soweit Registerblätter und Schriftstücke in Papierform vorhanden sind (§ 30 HRV). Die Register werden jedoch seit 2007 elektronisch geführt, weshalb an die Stelle der beglaubigten Abschrift der amtliche Ausdruck getreten ist (§ 30a Abs. 1, Abs. 3 HRV). Wir regen daher an, alternativ auch einen amtlichen Ausdruck zuzulassen. Aus Gründen der Vereinfachung wäre auch anzudenken, einen einfachen Ausdruck (§ 31a Abs. 1, Abs. 2 HRV) oder eine Registerbescheinigung des Notars (§ 21 Abs. 1 BNotO) ausreichen zu lassen.
V. Zu §§ 54, 64d, 69, 69c BNotO-E
§§ 54, 64d, 69, und 69c BNotO-E begegnen keinen Bedenken. Jedoch geht der in der Entwurfsbegründung zu § 54 BNotO-E vorgenommene Verweis auf § 110 Abs. 1 Satz 3 BNotO-E ins Leere, da ein Satz 3 dort nicht existiert.
VI. Zu § 95a BNotO-E
Die in § 95a BNotO-E vorgesehenen Änderungen betreffen die Verjährung von Amtspflichtverletzungen und sollen eine Angleichung an die entsprechenden Regelungen der anderen rechts- und wirtschaftsberatenden verkammerten Berufe bewirken.
Wir begrüßen die grundsätzliche Zielsetzung, hier eine Vereinheitlichung und Konsolidierung herbeizuführen. Allerdings weisen wir auf zwei Gesichtspunkte hin, die nach unserem Dafürhalten der Anpassung bedürfen.
1. Gegenstand der Verjährung und Verjährungsbeginn
Bislang ist Gegenstand der Verjährung in § 95a BNotO die Verfolgung des jeweiligen Dienstvergehens, nicht das Dienstvergehen selbst. Zudem orientiert sich der Beginn der Verjähung am Dienstvergehen, also bei mehreren Amtspflichtverletzungen, die in einem inneren Zusammenhang miteinander stehen, an der Vollendung der letzten zusammenhängenden Amtspflichtverletzung.[36]
Nach der Neuregelung ist die Verjährung nicht mehr als Verfolgungsverjährung ausgestaltet, sondern die Amtspflichtverletzung selbst unterliegt der Verjährung.
Dies ist nach unserem Dafürhalten in zweierlei Hinsicht bedenklich.
Zunächst überzeugt die Bezugnahme auf die einzelne Amtspflichtverletzung nicht. Nach dem Prinzip der Einheit des Dienstvergehens ist Gegenstand der disziplinarischen Würdigung immer das Dienstvergehen, also die Gesamtheit aller einheitlich zusammenhängenden Amtspflichtverletzungen (etwa mehrere Verstöße gegen die Vorschrift des § 17 Abs. 2a BeurkG). Diese einheitliche Würdigung ist nicht möglich, wenn sich die Verjährung auf die einzelne Amtspflichtverletzung als nur einen Bestandteil des Dienstvergehens bezieht. Insoweit regen wir an, die Verjährung ausdrücklich zu regeln und an die Vollendung des Dienstvergehens zu knüpfen. Dies würde auch zu einem Gleichlauf mit § 15 BDG führen. Zudem bestimmt auch § 115 Abs. 1 Satz 2 BRAO-E in Anlehnung an § 78a S. 1 StGB den Verjährungsbeginn ausdrücklich (allerdings mit Anknüpfung an die Beendigung, nicht an die Vollendung). Eine entsprechende Regelung könnte lauten: „Die Verjährung beginnt, sobald das Dienstvergehen vollendet ist.“
Weiter erscheint bedenklich, dass die Verjährung nicht mehr als Verfolgungsverjährung, sondern als Verjährung der Amtspflichtverletzung selbst (bzw. des Dienstvergehens) ausgestaltet ist. Dies ist vor dem Hintergrund der besonderen Stellung der Notarinnen und Notare als externe Funktionsträgerinnen und Funktionsträger des Staates und als unabhängige Trägerinnen und Träger eines öffentlichen Amtes nicht sachgerecht. Im Gegensatz zu den anderen rechts- und wirtschaftsberatenden Freien Berufen sind Notarinnen und Notare hoheitlich tätig. Eine Amtspflichtverletzung bzw. ein Dienstvergehen sollte aufgrund dieser Sonderstellung der Notarinnen und Notare weiterhin nicht selbst der Verjährung unterliegen, sondern nur die Verfolgung des entsprechenden Vergehens sollte verjähren. Derselben Regelungstechnik folgt im Bereich des Beamtenrechts etwa auch § 15 BDG.
2. Verjährung von besonders gravierenden Dienstvergehen
Nach dem bisherigen § 95a Abs. 1 Satz 1 BNotO unterliegen Dienstvergehen, die eine befristete oder dauernde Entfernung aus dem Amt oder eine Entfernung vom bisherigen Amtssitz rechtfertigen, nicht der Verjährung. Diese Regelung sollte – entgegen dem Referentenentwurf – beibehalten werden. Aufgrund des hoheitlichen Charakters der Notartätigkeit und der damit verbundenen besonderen Stellung in der Rechtspflege sollte eine Entfernung aus dem Amt wegen gravierender Verfehlungen immer zulässig sein. Denn diese Maßnahmen dienen nicht primär repressiven Zwecken, sondern sollen die Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege und das Vertrauen der rechtsuchenden Bevölkerung in die korrekte Amtsführung der Notarinnen und Notare sicherstellen.[37]
VII. Zu § 103 BNotO-E
Die Änderungen in § 103 BNotO-E werden ausdrücklich begrüßt.
VIII. Zu § 110 BNotO-E
Wir begrüßen die in § 110 BNotO-E vorgenommene Entkoppelung des notariellen Disziplinarverfahrens vom anwaltsgerichtlichen Verfahren bei Anwaltsnotarinnen und Anwaltsnotaren. Damit wird insbesondere eine eigenständige Verfolgung notarieller Amtspflichtverletzungen ermöglicht, was insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH zum regelmäßig anwaltlichen Schwerpunkt einer Neutralitätspflichtverletzung[38] von Bedeutung ist. Denn nach dem bisherigen § 110 BNotO war die Einleitung eines notariellen Disziplinarverfahrens in den Fällen eines anwaltlichen Schwerpunkts immer ausgeschlossen, obwohl das notarielle Berufsrecht in aller Regel strenger ist. Diese Inkonsistenz wird durch die im Referentenentwurf vorgesehene Änderung zumindest teilweise abgeschafft; der Entwurf ist daher sehr zu begrüßen.
Wir hätten jedoch Änderungsanregungen im Detail:
In § 110 Abs. 1 BNotO-E wird der bisherige „Schwerpunktgrundsatz“ des § 110 BNotO in etwas veränderter Weise fortgesetzt. In § 110 Abs. 1 Satz 2 BNotO-E wird subsidiär auf die Frage abgestellt, ob der Anwaltsnotar hauptsächlich als Notar tätig ist. Die Auslegung dieser Voraussetzung ist nicht eindeutig. So könnte etwa auf die Anzahl der Urkunden gegenüber der Anzahl der anwaltlichen Mandate, auf den erzielten Umsatz oder auf den tatsächlichen zeitlichen Tätigkeitsumfang abgestellt werden. All dies sind keine leicht abgrenzbaren Kriterien. Zumindest sollte genau klargestellt werden, auf welches Kriterium sich diese Regelung bezieht; in der Begründung ist dies bisher sehr unklar gefasst, indem von der Arbeitszeit als „wesentlichster Schwerpunkt“ gesprochen wird (S. 227).
Sodann erscheint die Aufspaltung von Regelungen, die im Zusammenwirken eine parallele oder konsekutive Verfahrensführung ermöglichen, in den Absätzen 2 und 4 künstlich. Außerdem ist unklar, wann genau nach Absatz 2 eine Entfernung aus dem Amt i.S.d. § 110 Abs. 2 BNotO-E „in Betracht kommt“.
Um die vorstehenden Unklarheiten zu beseitigen, würden wir anregen, die Absätze 2 und 4 zusammenzuführen und in einem Absatz einheitlich zu bestimmen, wann eine parallele oder konsekutive Verfahrensführung möglich ist. Hierbei würde es sich anbieten, eine parallele Verfahrensführung immer dann zuzulassen, wenn die Aufsichtsbehörde eine Maßnahme nach § 97 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3 Satz 1 BNotO anstrebt. Hinsichtlich der konsekutiven Verfahrensführung kann die Regelung § 110 Abs. 4 Satz 1 BNotO-E unverändert übernommen werden.
Um Schwierigkeiten, die sich aus dem Schwerpunktgrundsatz des Abs. 1 ergeben, völlig auszuschließen, könnte auch angedacht werden, grundsätzlich eine parallele Verfahrensführung zuzulassen. Dies wäre aufgrund der in § 110 Abs. 3 BNotO-E vorgesehenen Regelung, wonach Gegenstand des Disziplinarverfahrens nur die Verletzung der notariellen Amtspflichten ist, unproblematisch und würde zu einer vollständigen Entkoppelung führen.
IX. Zu § 110a BNotO-E
§ 110a BNotO-E ist grundsätzlich ebenfalls zu begrüßen. In Anknüpfung an die zu § 95a BNotO-E gemachten Ausführungen wäre aber anzudenken, die besonders schweren Verfehlungen des § 97 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BNotO von einer Tilgung vollständig auszuschließen, wie dies in § 110a BNotO bisher der Fall ist.
Ferner läuft der Verweis in § 110a Abs. 3 BNotO-E auf Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 lit. e ins Leere.
[1] BVerfG, NJW 2016, 700.
[2] BVerfG, DNotZ 1989, 627, 632; vgl. auch BVerfG, DNotZ 1998, 754, 767; zustimmend Gaier, ZNotP 2016, 254, 256 ff.
[3] Gaier, ZNotP 2016, 254, 257.
[4] BVerfG, DNotZ 1989, 726, 728 f.; BVerfG, DNotZ 1998, 754, 762.
[5] BVerfG, DNotZ 1989, 627, 629 ff.; BVerfG, DNotZ 1998, 754, 762 ff.
[6] BVerfG, DNotZ 1989, 627, 630; BVerfG, DNotZ 1998, 754, 766 f.
[7] BVerfG, DNotZ 1989, 627, 630; vgl. auch BVerfG, DNotZ 1998, 754, 766 f.
[8] Vgl. hierzu nur Henssler, in: Henssler/Prütting, 5. Aufl. 2019, § 59a BRAO, Rn. 34; BR-Drs. 13/11034, S. 37.
[9] BVerfG, NJW 2016, 700.
[10] BVerfG, NJW 2016, 700, 708, Rn. 95.
[11] BVerfG, NJW 2016, 700, 703, Rn. 65 f.
[12] BVerfG, NJW 2016, 700, 705, Rn. 76.
[13] BVerfG, NJW 2016, 700, 705, Rn. 78 ff.
[14] BVerfG, NJW 2016, 700, 703, Rn. 60 ff., Rn. 84.
[15] BVerfG, NJW 2016, 700, 706, Rn. 84.
[16] BVerfG, NJW 2016, 700, 705, Rn. 79 (zur Verschwiegenheit), Rn. 85 (zur Unabhängigkeit), Rn. 93 (zum Prävarikationsverbot).
[17] Ähnlich etwa auch BVerfG, DNotZ 1989, 627, 630.
[18] BVerfG, NJW 2016, 700, 704, Rn. 70, Rn. 84.
[19] BVerfG, NJW 2016, 700, 704, Rn. 70.
[20] BVerfG, NJW 2016, 700, 704, Rn. 84.
[21] BVerfG, NJW 2016, 700, 704, Rn. 70, Rn. 84.
[22] Schöne, in: BeckOK BGB, Stand 2020, § 1 PartGG, Rn. 11.
[23] Vgl. etwa Salger, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 5. Aufl. 2019, § 39, Rn. 15.
[24] Schäfer, in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 1 PartGG, Rn. 17.
[25] Vgl. etwa OLG Hamm, BeckRS 2018, 35358, Rn. 7.
[26] BVerfG, NJW 2016, 700, 706, Rn. 85.
[27] Kilian, Berufsrechtsbarometer 2017, S. 73 (das hiesige Ergebnis wurde um die Gruppe der indifferenten Antwortgeber statistisch bereinigt).
[28] Kilian, Die Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts, 2018, S. 130.
[29] Kilian, Die Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts, 2018, S. 138.
[30] Vgl. dazu EuGH, NJW 2002, 877.
[31] Kluth, in: Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl. 2011, § 5, Rn. 168 ff.
[32] Vgl. etwa BGH, NJW 2018, 1095, 110, Rn. 29 f.; Bader, in: Karlsruher Kommentar StPO, 8. Aufl. 2019, § 53a StPO, Rn. 4.
[33] BVerfG, NJW 2016, 700, 705, Rn. 75.
[34] BVerfG, NJW 2014, 613.
[35] Diese Berufsgruppen gehören nach § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG ausdrücklich zu den Freien Berufen.
[36] Kindler, in: Frenz/Miermeister, 5. Aufl. 2020, § 95a BNotO, Rn. 8.
[37] Herrmann, in: BeckOK BNotO, 2020, § 95a, Rn. 5.
[38] BGH, NJW-RR 2013, 622; BGH, NJW-RR 2020, 240.
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- Stellungnahme vom 07.12.2020 832 KB