Stellungnahme vom 23.08.2024

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform

Zusammenfassung:

Der vorliegende Referentenentwurf enthält umfassende gesetzgeberische Anpassungen des Genossenschaftsgesetzes und damit zusammenhängender Regelungen. Die Stellungnahme der Bundesnotarkammer beschränkt sich auf einzelne darin enthaltene Regelungen, aus denen sich Auswirkungen auf die notarielle Praxis ergeben.

Die Erstreckung der verpflichtenden notariellen Vorabprüfung und Einreichung auf Anmeldungen zum Genossenschaftsregister begrüßen wir. Durch Notarinnen und Notare als vorgeschaltete Instanz können fehlerhafte Anmeldungen und in der Folge auch Eintragungen vermieden, Eintragungsverfahren beschleunigt und Gerichte in mehrfacher Hinsicht entlastet werden (A.).

Bedenken begegnet hingegen der Vorschlag, für nachträgliche Änderungen des Namens und des Wohnorts eines eingetragenen Vorstandsmitglieds eine bloße Anzeige des Vorstands an das Registergericht genügen zu lassen. Mangels sorgfältiger Identitätskontrolle würde die Publizitätswirkung des Genossenschaftsregisters und damit auch die Rechtsform der Genossenschaft erheblich geschwächt. Es entstünde eine empfindliche Lücke im engmaschigen System zur Prävention von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Sanktionsumgehung im Kapitalgesellschaftsrecht. Die Registergerichte würden entgegen dem gesetzgeberischen Ziel mit organisatorischem, personellem und finanziellem Mehraufwand belastet. Im Übrigen sind digitale Anmeldungen nachträglicher Änderungen zum Genossenschaftsregister schon heute niederschwellig möglich, sodass kein Bedarf für ein Absenken der Schutzstandards besteht (B.).

Im Einzelnen:

A. § 378 Abs. 3 FamFG-E

Gemäß § 378 Abs. 3 Satz 1 FamFG haben Notare bestimmte Anmeldungen in Registersachen vor ihrer Einreichung beim Registergericht auf ihre Eintragungsfähigkeit hin zu prüfen. Anmeldungen zum Genossenschaftsregister waren von dieser Prüfpflicht bislang nicht erfasst.

§ 378 Abs. 3 Satz 1 FamFG‑E erstreckt die notarielle Prüfpflicht auf Anmeldungen zum Genossenschaftsregister, um die Registergerichte zu entlasten und zu einer Beschleunigung der Eintragungsverfahren beizutragen.[1] In der Konsequenz sieht § 378 Abs. 3 Satz 2 FamFG‑E vor, dass Anmeldungen zum Genossenschaftsregister verpflichtend durch eine Notarin bzw. einen Notar einzureichen sind. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Registergerichte strukturierte Datensätze erhalten, die sie direkt weiterverarbeiten können.[2]

Beide Änderungen begrüßen wir. Die mit § 378 Abs. 3 FamFG einhergehende Filter- und Entlastungsfunktion durch Notarinnen und Notare dient der Sicherung der hohen Qualität, Schnelligkeit und Effizienz der registergerichtlichen Eintragungsverfahren und hat in den bislang erfassten Registerverfahren zu einer Entlastung der Registergerichte sowie zu einer Beschleunigung der Eintragungsverfahren geführt.[3] Die Vorschrift stellt nicht nur sicher, dass ausschließlich vollständige und sachgerecht formulierte Anmeldungen an das Registergericht geschickt werden, sondern garantiert darüber hinaus auch eine sachkundige Vorabkontrolle durch die Notarin bzw. den Notar. Gerichte sollen vor untauglichen Antragstellungen bewahrt und dadurch entlastet werden. Gerade mit Blick auf die nicht unerheblichen Prüfpflichten des Registergerichts (vgl. § 11a Abs. 1 und 2 GenG) trägt die notarielle Mitwirkung erheblich zur Entlastung der Registergerichte bei. Dies gilt umso mehr, als Registergerichte von Notarinnen und Notaren die maßgeblichen Daten der Genossenschaft aufbereitet als strukturierte Datensätze erhalten, die sie per Mausklick in ihr eigenes System übernehmen und automatisch weiterverarbeiten können.

Dieses „Vier-Augen-Prinzip“ war schon vor seiner gesetzlichen Normierung für Anmeldungen zum Handels-, Gesellschafts- und Vereinsregister (§ 378 Abs. 3 FamFG) sowie Grundbuchanträge (§ 15 Abs. 3 GBO)[4] gelebte Rechtspraxis[5] und hat sich bestens bewährt. Es stärkt nicht nur die Verlässlichkeit der Eintragungen in den mit Publizitätswirkung versehenen Registern und beschleunigt die jeweiligen Eintragungsverfahren, sondern führt auch zu einer erheblichen Entlastung der Registergerichte. Seitens der registergerichtlichen Praxis wird berichtet, dass die meisten Verzögerungen bei der Eintragung im Genossenschaftsregister auf unvollständigen oder unzureichenden Unterlagen der Anmelderinnen und Anmelder beruhen.[6] Durch die Ausweitung des § 378 Abs. 3 FamFG auf Anmeldungen zum Genossenschaftsregister kann insoweit Abhilfe geschaffen werden.

Die in § 378 Abs. 3 FamFG-E vorgesehene Ausweitung der notariellen Vorprüfung auf Anmeldungen zum Genossenschaftsregister ist daher positiv zu bewerten.

B. § 28 Satz 3 GenG‑E, § 18 Abs. 2 GenRegV‑E

Das Genossenschaftsregister enthält u.a. Angaben zum Namen und Wohnort der Vorstandsmitglieder der Genossenschaft, § 18 Abs. 1 Satz 3 GenRegV. Gemäß § 28 Satz 1 GenG ist jede Änderung des Vorstands anzumelden, wobei bislang nicht explizit geregelt ist, ob hierunter auch nachträgliche Änderungen des Namens sowie des Wohnorts der Vorstandsmitglieder fallen; nach wohl einhelliger Ansicht ist dies mit Blick auf die Bedeutung der Registerpublizität und der Registerklarheit jedenfalls für die Namensänderung der Fall.[7]

Gemäß § 28 Satz 3 GenG‑E, § 18 Abs. 2 GenRegV‑E sollen sowohl Änderungen des Namens als auch des Wohnorts eines eingetragenen Vorstandsmitglieds künftig nicht mehr förmlich mittels öffentlich beglaubigter Erklärung zum Genossenschaftsregister angemeldet werden. Stattdessen soll die bloße Anzeige durch ein Vorstandsmitglied genügen, die direkt durch das Vorstandsmitglied an das Registergericht erfolgen soll.

Mangels sorgfältiger Identitätskontrolle würde die Rolle des Genossenschaftsregisters als verlässliches Register mit Publizitätswirkung und damit auch die Rechtsform der Genossenschaft erheblich geschwächt (I.). Im engmaschigen Schutz- und Kontrollsystem der Kapitalgesellschaften würden Schutzlücken entstehen, die für kriminelle Zwecke, insb. für Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Sanktionsumgehung ausgenutzt werden können (II.). Die Registergerichte würden entgegen dem gesetzgeberischen Ziel mit organisatorischem, personellem und finanziellem Mehraufwand belastet (III.). Im Übrigen besteht aufgrund der notariellen Online-Verfahren im Genossenschaftsrecht kein Bedarf für ein Abweichen vom bisherigen Schutzniveau (IV.).

Jedenfalls mit Blick auf Namensänderungen sollte daher nicht von dem Grundsatz der öffentlich beglaubigten Anmeldung abgewichen werden.

I. Entwertung der Publizitätswirkung des Genossenschaftsregisters

Dem Genossenschaftsregister kommt grundsätzlich Publizitätswirkung zu, § 29 GenG. Auch an unrichtige Eintragungen muss sich die Genossenschaften nach § 29 Abs. 3 GenG unter den dort genannten Umständen binden lassen. Der Rechts- und Wirtschaftsverkehr kann sich beim Kontakt mit Genossenschaften auf die Eintragungen im Register verlassen. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet die gründliche Eingangskontrolle, die Notarinnen und Notare im Rahmen der öffentlichen Beglaubigung der Anmeldung leisten. Dem trägt auch der Gesetzesentwurf Rechnung, indem er Eintragungen im Genossenschaftsregister durch die Erweiterung der Prüfpflicht des § 378 Abs. 3 FamFG stärkt.

Nachträgliche Namens- und Wohnortsänderungen auch ohne eine entsprechende Eingangskontrolle zu ermöglichen, würde das Vertrauen in den Rechtsverkehr in die Eintragungen im Genossenschaftsregister hingegen empfindlich schwächen. Denn anders als bei der ersten Eintragung der Vorstandsmitglieder würde bei der nachträglichen Änderung keine Identitätsprüfung durch Notarinnen und Notare erfolgen. Unbefugte könnten Daten der Vorstandsmitglieder nachträglich abändern, sodass die Verlässlichkeit der entsprechenden Eintragungen erheblich geschmälert wäre.

Anders als in der Begründung des Referentenentwurfs ausgeführt,[8] kann eine ausreichende Sicherheit der nachträglichen Anzeigen nicht dadurch gewährleistet werden, dass die Anzeige zum Registergericht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen ist bzw. über einen sog. sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a ZPO eingereicht wird. Die qualifizierte elektronische Signatur stellt für sich genommen kein Identifizierungsmittel dar. Eine Identifizierung findet beim Auslösen der qeS nicht statt. Daher ist gerade nicht sichergestellt, dass eine vertretungsberechtigte Person die Anzeige vornimmt. So können etwa die Mittel, die für das Auslösen der qeS benötigt werden, entwendet oder an Unbefugte weitergegeben werden. Selbiges gilt für die zur Übermittlung von Anzeigen über einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a ZPO.

Bei der Überprüfung, ob eine bestimmte Person als Vorstandsmitglied berechtigt ist, die Genossenschaft zu vertreten, könnte sich der Rechtsverkehr folglich nicht mehr auf die im Register enthaltenen Angaben von Vor- und Nachnamen sowie Wohnort der Vorstandsmitglieder verlassen. Jedenfalls der Verlust von Vor- und Nachnamen als verlässliche Identifikationsmerkmale dürfte die Funktion des Genossenschaftsregisters erheblich beeinträchtigen. Wer künftig Geschäfte mit einer Genossenschaft tätigen möchte, müsste sich – wie in anderen Rechtskreisen üblich – auf andere Weise, etwa durch Einholung von zeit- und kostenintensiven Gutachten oder Bescheinigungen, Gewissheit über die vertretungsberechtigten Personen verschaffen. Die Rechtsform der Genossenschaft würde hierdurch geschwächt, was dem erklärten Ziel des Referentenentwurfs zuwiderliefe.

II. Erhebliche Missbrauchsgefahr

Aus Sicht der Genossenschaften droht insoweit ein erhebliches Missbrauchspotential, weil ohne eine notarielle Identitätsprüfung Änderungen an „ihrem“ Eintrag im Genossenschaftsregister erfolgen können. Betrüger können dies nutzen, um sich Verfügungsgewalt über das Vermögen der Genossenschaft zu verschaffen (sog. „corporate hijacking“).

Aus Sicht der Allgemeinheit wird im Recht der Kapitalgesellschaften eine empfindliche Lücke im engmaschigen System zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Sanktionsumgehung geschaffen. Wenn zentrale Angaben der Vorstandsmitglieder der Genossenschaft nachträglich ohne notarielle Kontrolle geändert werden können, tun sich Geldwäscher leicht, Identitäten zu fälschen und Strukturen zu verschleiern. Nicht umsonst geht die ganz herrschende Literaturansicht bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§ 39 Abs. 1 GmbHG) und Aktiengesellschaften (§ 81 AktG) davon aus, dass auch nachträgliche Namens- und Wohnortsänderungen förmlich zum Register angemeldet werden müssen.

III. Erhebliche Mehrbelastung für die Registergerichte

Der Referentenentwurf sieht vor, dass im Falle nachträglicher Änderungen des Namens oder des Wohnorts eines Vorstandsmitglieds eine formlose Anzeige eines vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieds unter Vorlage eines entsprechenden Nachweises direkt an das Registergericht erfolgt. Hierdurch werden auf Seiten der Registergerichte erhebliche organisatorische, personelle und finanzielle Aufwände verursacht, die zu einer Belastung der Justizverwaltungen sowie der Registerverfahren führen würden.

Im Rahmen von förmlichen Anmeldungen kommunizieren die Registergerichte direkt mit den Notarinnen und Notaren, die die Anmeldungen an das Genossenschaftsregister übermitteln. Bei Rückfragen müssen die Registergerichte sich daher nicht an die Anmeldenden selbst wenden, sondern können auf die Notarinnen und Notare zugehen, die als zentrale Ansprechpartner die Kommunikation mit den Anmeldenden übernehmen. Auf diesen Weg übernehmen die Notarinnen und Notare für die Registergerichte das Handling der Anmeldungen, die Erfassung der Daten, die Identifizierung der Beteiligten und die Überprüfung der jeweiligen Vertretungsbefugnis. Wenn die Registergerichte für nachträgliche Änderungen des Namens und des Wohnorts von Vorstandsmitgliedern einen eigenen Publikumsverkehr eröffnen müssen, müssen sie diese Aufgaben mit eigenen organisatorischen, personellen sowie finanziellen Kapazitäten stemmen, wodurch erheblicher Aufwand entstehen dürfte. Denn seitens der registergerichtlichen Praxis wird berichtet, dass bei der Eintragung im Genossenschaftsregister die von den Anmeldenden beigebrachten Unterlagen häufig unvollständig oder unzureichend sind.

IV. Digitale Anmeldung nachträglicher Änderungen bereits möglich

Schließlich besteht auch aus Sicht der Vorstandsmitglieder kein Bedarf, von den hohen Schutzstandards des Genossenschaftsregisters abzuweichen. Anmeldungen zum Genossenschaftsregister können bereits jetzt bequem und einfach online beglaubigt werden, § 157 Satz 2 GenG. Das Ziel des Gesetzesentwurfs, den Vorstandsmitglieder eine niedrigschwellige Möglichkeit einzuräumen, nachträgliche Änderungen dem Registergericht digital anzeigen zu können, wird dadurch aktuell bereits erreicht, ohne dass hierdurch die Rechtsform der Genossenschaft aufgrund unzuverlässiger Register entwertet wird.

 

[1] S. 53 des Referentenentwurfs.

[2] S. 53 des Referentenentwurfs.

[3] Vgl. BT Drs. 18/10607, S. 109.

[4] Gesetz zur Neuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des elektronischen Urkundenarchivs, BGBl. I 2017, 1396.

[5] Vgl. BeckOK FamFG/Otto, 51. Ed. 1.8.2024, FamFG § 378 Rn. 26.

[6] S. 53 des Referentenentwurfs.

[7] Vgl. Beuthien, Genossenschaftsgesetz, 16. Aufl. 2018, § 28 Rn. 2.

[8] S. 40 des Referentenentwurfs.




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