Stellungnahme vom 16.04.2020

Regierungsentwurf eines Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes

Wir möchten hiermit zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz - WEMoG) Stellung nehmen.

Wir begrüßen das Reformvorhaben ausdrücklich. Der vorgelegte Regierungsentwurf ist insgesamt sehr gut durchdacht und auch rechtstechnisch gut gelungen. Er führt zu mehr Klarheit und mehr Rechtssicherheit im Bereich des Wohnungseigentumsgesetzes. Insbesondere die Schaffung einer Ein-Personen-Gemeinschaft sowie die Stärkung der Stellung des Verwalters wird in der Praxis an vielen Stellen zu erheblichen Vereinfachungen im rechtlichen und tatsächlichen Umgang mit Wohnungseigentümergemeinschaften beitragen. Wir haben uns im Vorfeld zum Referentenentwurf gegenüber dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) bereits umfassend geäußert. Eine Abschrift dieser Stellungnahme finden Sie anbei.

Nach unserer Einschätzung begegnen bestimmte Regelungen jedoch noch erheblichen Bedenken. Zu nennen sind insoweit vor allem die weitreichenden Regelungen zur Sondereigentumsfähigkeit von Grundstücksflächen (I.). Weiterhin erscheint uns das im Regierungsentwurf nunmehr vorgesehene Gebührenprivileg für Grundbucheintragungen noch erweiterbar und ausbaufähig (II.). Zusätzlich möchten wir anregen, die im Regierungsentwurf vorgesehene Stärkung der Stellung des Verwalters durch das Erfordernis eines Sachkundenachweises zu flankieren (III.) und die Einführung eines Verwalterregisters zu prüfen (IV.).

I. Sondereigentumsfähigkeit von Grundstücksflächen

Nach geltender Rechtslage wird bei der rechtlichen Ausgestaltung von Wohnungseigentum mit folgenden Arten von Eigentums- bzw. Nutzungspositionen gearbeitet:

Dies sind

  • das Gemeinschaftseigentum (z. B. an tragenden Gebäudeteilen),
  • das Sondereigentum (an Räumen einer bestimmten Wohnung oder an bestimmten Stellplätzen) sowie
  • Sondernutzungsrechte (z. B. an einer Terrasse oder einem PKW-Stellplatz durch einen Wohnungseigentümer in einem Bereich, der eigentlich Teil des Gemeinschaftseigentums ist). 

Bislang kann Sondereigentum nur an in sich abgeschlossenen Räumen sowie (aufgrund gesetzlicher Fiktion der Abgeschlossenheit des Raumes bzw. des Raumes selbst) an Garagenstellplätzen begründet werden, nicht jedoch an Außenstellplätzen und sonstigen außerhalb des Gebäudes liegenden Grundstücksflächen (letztere nachfolgend kurz „Freiflächen“ genannt). In der Gestaltungspraxis wird gegenwärtig bei Außenstellplätzen und Freiflächen (z. B. Terrassen) mit Sondernutzungsrechten gearbeitet, die nur bestimmte Nutzungsarten zulassen. Ziel ist eine klare Abgrenzung der verschiedenen Nutzungssphären.

Der Entwurf sieht vor, dass Sondereigentum nunmehr auch an allen Freiflächen begründet werden kann. Sondereigentumsfähig werden dadurch nicht nur Außenstellplätze, sondern auch alle sonstigen Freiflächen. Während dies bei Außenstellplätzen aufgrund ihrer regelmäßig ausschließlichen Nutzung durch den/die Berechtigten und der Vergleichbarkeit mit Garagenstellplätzen noch begrüßt wird, stößt die geplante Ausweitung der Sondereigentumsfähigkeit auf alle sonstigen Freiflächen auf erhebliche Bedenken.

Der beabsichtigte Paradigmenwechsel würde aus unserer Sicht ohne hinreichenden Grund vermeidbare rechtliche Unsicherheiten zur Folge haben, die Bürgerinnen und Bürger sowie Gerichte belasten würden.

Im Einzelnen:

Aus wirtschaftlicher Sicht steht ein Sondernutzungsrecht dem Sondereigentum nahe. Sondernutzungsrechte sind zwar nicht abschließend gesetzlich kodifiziert; sie sind aber durch Rechtsprechung und rechtswissenschaftliche Literatur hinreichend präzise definiert. Durch ihre absolute Ausschluss- und Zuweisungsfunktion unterfallen bestehende Sondernutzungsrechte ebenso wie das Sondereigentum der Eigentumsgarantie des Art. 14 Absatz 1 Satz 1 GG.

Der Gesetzesentwurf bringt ein fein austariertes System ins Wanken, indem eine neue und bisher unbekannte Form des Flächeneigentums geschaffen wird. Zwar besteht auch bezüglich Sondernutzungsrechten in der Praxis durchaus Streitpotential. Dies dürfte jedoch vor allem daran liegen, dass sie sich in aller Regel auf den Außenbereich und nicht die „eigenen vier Wände“ beziehen und damit generell streitanfälliger sind. Selbst die rechtliche Ausgestaltung aller denkbaren Flächen als Sondereigentum würde an diesem Befund nichts ändern.

Der Vereinfachungseffekt, den gerade das Sondereigentum an Freiflächen nach der Intention des Regierungsentwurfes mit sich bringen soll, wird nach unserer Einschätzung mit Blick auf die Praxis in der Mehrzahl der Fälle nicht erreicht werden. Dies liegt vor allem darin begründet, dass die nach dem Gesetz bestehende umfassende Gebrauchs- und Nutzungsbefugnis eines Sondereigentümers bezüglich Freiflächen vielfach an den Bedürfnissen der Praxis vorbeigehen wird. Bezüglich derartiger Freiflächen soll dem „Berechtigten“ wegen konfligierender (Nutzungs-)Interessen anderer (Sonder-)Eigentümer eine Nutzung in vielen Fällen nur zu bestimmten Zwecken (z. B. als Terrasse oder als Ziergarten, nicht jedoch z. B. als Lagerfläche) gestattet sein. Während sich die Regelung derartiger konfligierender Nutzungsinteressen mittels Sondernutzungsrechten in der Praxis bewährt hat, müssten auch und gerade bei Einräumung von Sondereigentum an Freiflächen folglich weiterhin klare Nutzungsbeschränkungen vereinbart werden. Die Konflikt- und Gestaltungslage bliebe danach bestenfalls unverändert.

Die Idee des Sondereigentums (auch) an Freiflächen könnte allenfalls noch bei sehr kleinen Wohnungseigentümergemeinschaften (etwa bei nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilten Doppelhaushälften) umsetzbar und praktisch beherrschbar sein, vor allem bei größeren Wohnungseigentümergemeinschaften erscheint dies hingegen mehr als fraglich. Unklar ist insbesondere auch, ob sich nach dem Regierungsentwurf der Nutzungsumfang des Flächensondereigentums nach den Regeln des BGB bestimmen soll oder ob es anderen Regeln folgt; etwa denen des Raumeigentums.

Wie § 5 Abs. 1 Satz 2 WEG-E zeigt, soll der betreffende Eigentümer der betreffenden Wohnungs- oder Teileigentumseinheit – gegebenenfalls flankiert durch entsprechende Vorsorge in der Gemeinschaftsordnung – auch berechtigt sein, auf der in seinem Sondereigentum stehenden Grundstücksfläche ein Gebäude zu errichten. Der Regierungsentwurf sieht insoweit ausdrücklich vor, dass das Eigentum am Gebäude entsprechend § 94 Abs. 1 BGB dem Sondereigentümer zusteht. Entgegen der bisherigen Rechtslage stünde dieses Gebäude mithin – anders als das „Hauptgebäude“ – vollständig im Alleineigentum des betreffenden Sondereigentümers; dies auch im Hinblick auf für den Bestand notwendige Gebäudeteile (wie etwa das Dach oder auch tragende Wände).

Gerade die Verwaltung und Kostentragung würde durch das Nebeneinander der verschiedenen Zuordnungsbereiche – insbesondere bei Mehrhausanlagen – mit erheblichen Komplikationen belastet.

Es scheint nach dem Gesetzesentwurf auch nicht darauf anzukommen, ob die betreffende Fläche oberirdisch oder unterirdisch gelegen ist, ob diese bis in den Erdboden hineinreicht oder ob sie – vergleichbar dem Raumeigentum – nur die Erdoberfläche als solche umfasst. Bis zu welcher Tiefe dann z. B. das Flächensondereigentum reicht und ab wann wieder das Gemeinschaftseigentum beginnt, erscheint unklar. Praktisch virulent würde diese Frage insbesondere, wenn im Erdreich Versorgungsleitungen verlegt sind oder werden sollen. Es stellte sich insoweit dann die Frage, wer diesbezüglich für die Bewilligung von Versorgungsdienstbarkeiten u. ä. zuständig wäre und wo derartige beschränkt dingliche Rechte gegebenenfalls im Grundbuch einzutragen wären.

Erhebliche Probleme können sich weiterhin vor allem im Hinblick auf die mögliche spätere Aufhebung des Wohnungseigentums am belasteten Grundstück ergeben. Die gesonderte Belastung der zukünftig gegebenenfalls im Sondereigentum stehenden Außenfläche mit einer Dienstbarkeit sollte nach der zu Teileigentumseinheiten entwickelten Rechtsprechung jedenfalls dann zulässig sein, wenn deren Ausübungsbereich auf die betreffende Fläche begrenzt ist. Sollte zu einem späteren Zeitpunkt die Aufhebung des Wohnungseigentums am belasteten Grundstück erforderlich werden, steht zu befürchten, dass diese durch die vom Sondereigentümer bestellten beschränkt-dinglichen Rechte zumindest erheblich erschwert, wenn nicht sogar gänzlich unmöglich gemacht würde. Es bedürfte zur Aufhebung des Wohnungseigentums nämlich der Zustimmung des Berechtigten des beschränkt-dinglichen Rechts (also des Grundstücksnachbarn) sowie gegebenenfalls auch der Zustimmung dessen eingetragener Grundpfandrechtsgläubiger. Beide, der Grundstücksnachbar wie auch dessen Grundpfandrechtsgläubiger, werden diese Zustimmung regelmäßig allenfalls bei einer Erstreckung der Belastung auf die übrigen Miteigentumsanteile erteilen. Während nach bisheriger Rechtslage das später gegebenenfalls störende beschränkt-dingliche Recht regelmäßig am Gemeinschaftseigentum bestellt wurde und damit die Sondereigentümer auch bei dessen Bestellung in ihrer Gesamtheit eingebunden waren, könnte eine derartige Belastung nunmehr von einem einzelnen Sondereigentümer mit den identischen rechtlichen Folgen und möglichen Komplikationen für alle Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft vorgenommen werden.

Die Grundbuchämter würden nach dem Regierungsentwurf zudem mit erheblichem Prüfungsaufwand belastet. Sie sollen künftig nach § 3 Abs. 2 WEG-E bei Begründung des Flächensondereigentums prüfen, ob bestimmte Räume wirtschaftlich betrachtet noch als Hauptsache anzusehen sind oder ob sie nicht im Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung der Freiflächen als weniger bedeutsam anzusehen sind. Dies werden die Grundbuchämter kaum zu leisten im Stande sein. Hier könnte es dazu kommen, dass umfangreiche Wertgutachten vorzulegen sind, welche die Eigentümer finanziell zusätzlich belasten würden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Regierungsentwurf mit seinem weitreichenden Ansatz des Sondereigentums (auch) an allen Freiflächen eine Vielzahl von neuen Rechtsproblemen heraufbeschwört, welche ggf. dann gerichtlich zu klären wären. Im Ergebnis regen wir daher an, die Regelungen zur Sondereigentumsfähigkeit von Grundstücksflächen zu streichen, soweit es nicht lediglich um die oben genannten Außenstellplätze geht.

II. Gebührenprivileg für Grundbucheintragungen

Der Gesetzesentwurf sieht nunmehr vor, dass im Fall der Löschung einer Veräußerungsbeschränkung nach § 12 WEG die Summe der zu erhebenden Gebühren auf höchstens 100,00 € gedeckelt werden soll.

Die Gesetzesbegründung führt dazu zutreffend aus, dass der Vollzug von Beschlüssen zur Aufhebung von Veräußerungsbeschränkungen in der Praxis häufig daran scheitert, dass die dadurch entstehenden Grundbuchkosten prohibitiv hoch seien. Dies ist besonders bei großen Wohnanlagen zutreffend; hier muss derzeit die ändernde Eintragung in jedem Grundbuchblatt gesondert bezahlt werden, ohne dass die Gebühr gedeckelt wäre.

Aus unserer Sicht sollte eine entsprechende Gebührenprivilegierung auch für die Eintragung anderer Beschlüsse erwogen werden, die aufgrund einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer gefasst werden. Der Regierungsentwurf will berechtigterweise die Grundbuchtransparenz dadurch steigern, dass nicht nur Vereinbarungen sowie deren Aufhebung und Abänderung zu ihrer Wirksamkeit gegenüber Sonderrechtsnachfolgern der Eintragung im Grundbuch bedürfen, vielmehr soll dies auch für bislang nicht eintragungsbedürftige Beschlüsse gelten, die aufgrund einer Vereinbarung gefasst werden. Vor allem bei großen Wohnanlagen mit einer Vielzahl von Sondereigentumseinheiten steht zu befürchten, dass die Eintragung derartiger Beschlüsse auch zukünftig an zu hohen Grundbuchkosten scheitern wird. Eine Deckelung der Grundbuchkosten erscheint daher auch insoweit angezeigt.

III. Sachkundenachweis des Verwalters

Die Stellung des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft wird vom Regierungsentwurf zu Recht gestärkt. Sie steht auch im Einklang mit dem Gedanken der Rechtsfähigkeit der Ein-Personen-Gesellschaft. Die Stärkung des Verwalters sollte jedoch durch Schutzmaßnahmen zugunsten der einzelnen Wohnungseigentümer flankiert werden.

Der Verwalter hat künftig umfassende gesetzliche Vertretungsbefugnisse. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht des Verwalters ist Dritten gegenüber unwirksam.

Diese umfassende Vertretungsmacht löst die Problematik, die nach bisheriger Rechtslage vor allem im Hinblick auf den Nachweis der Vertretungsmacht des Verwalters besteht, wenn die Vertretungsmacht nicht auf dem Gesetz, sondern auf entsprechenden Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft beruht und ist insoweit zu begrüßen.

Die Verleihung umfassender Befugnisse erscheint jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn auch eine entsprechende Qualifikation des Verwalters sichergestellt ist. Eine solche Qualifikation würde dem Schutz der Wohnungseigentümer dienen. Vor diesem Hintergrund wird angeregt, noch einmal zu prüfen, ob und inwiefern Regelungen geschaffen werden können, die eine angemessene Qualifikation des Verwalters gewährleisten (z. B. Berufszulassung nur mit Sachkundenachweis, nachzuweisende Weiterbildungspflicht, ggf. strafbewehrte Erklärung, dass keine einschlägigen Vorstrafen bestehen, vergleichbar mit der Erklärung des GmbH-Geschäftsführers nach § 39 Abs. 3 GmbHG).

IV. Einführung eines Verwalterregisters

Auch der vorliegende Regierungsentwurf verzichtet in Bezug auf den Nachweis der Verwaltereigenschaft bedauerlicherweise auf eine Vereinfachung der Rechtslage und damit zugleich auf eine Steigerung der Rechtssicherheit. Soweit die Verwaltereigenschaft – etwa im Rahmen der Zustimmung im Falle einer Veräußerungsbeschränkung nach § 12 Absatz 1 WEG – durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden muss, wird daher auch weiterhin die Vorlage einer Niederschrift über den Bestellungsbeschluss erforderlich, bei der die Unterschriften der in § 24 Absatz 6 WEG bezeichneten Personen öffentlich beglaubigt sind.

Es wird angeregt, insoweit zu prüfen, ob und inwiefern stattdessen ein Register mit öffentlichem Glauben geschaffen werden kann, aus dem sich die Verwaltereigenschaft und der Umfang der konkreten Vertretungsmacht ergeben. Der fehleranfällige und aufwändige Nachweis durch Vorlage der Niederschrift wäre dann entbehrlich.




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