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Die Ideologie hinter B-Ready: Wie die Weltbank Rechtsordnungen des Common Law bevorzugt

Der erstmals im Oktober 2024 für 50 Länder veröffentlichte B-Ready-Bericht misst die Attraktivität des Unternehmensumfelds in verschiedenen Wirtschaftsordnungen. Er ist als neuer Flagship-Bericht der Weltbank und damit als Nachfolger des Doing-Business-Berichts konzipiert, der wegen Manipulation und Unregelmäßigkeiten bei der Datenerhebung eingestellt wurde. In der diesjährigen Edition soll der Bericht bereits 108 Wirtschaftsordnungen abdecken, 2026 dann alle 180 teilnehmenden Länder. Auf der Grundlage der Erfahrungen mit Doing Business ist zu erwarten, dass auch B-Ready entsprechend seiner Zielsetzung gesetzgeberische Reformen weltweit inspirieren wird. Dies gilt gerade für Staaten, die auf eine Kreditvergabe durch die Weltbank angewiesen sind.

Der B-Ready-Bericht verfolgt dabei scheinbar einen systemneutralen Ansatz. Eine genauere Analyse der Methodologie zeigt jedoch, dass die Weltbank in ihrer Bewertung der verschiedenen Wirtschaftssysteme Rechtsordnungen des Common Law gegenüber kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen bevorzugt.

Kontinentaleuropäisches Recht und vorsorgende Rechtspflege

In Europa und Lateinamerika, aber auch in weiten Teilen Afrikas und Asiens, dominiert die kontinentaleuropäische Rechtstradition. Diese zeichnet sich unter anderem durch ein starkes System der vorsorgenden Rechtspflege aus: Unternehmensgründungen und Grundstückstransaktionen unterliegen typischerweise einer öffentlichen Präventivkontrolle, die die Verlässlichkeit der Handelsregister und Grundbücher gewährleistet. Notarinnen und Notare identifizieren nicht nur die Beteiligten, sondern sie stellen auch sicher, dass Verträge rechtmäßig und rechtssicher abgefasst und öffentliche Interessen hinreichend berücksichtigt werden. Aufgrund dieser öffentlichen Präventivkontrolle können sich Unternehmen im Wirtschaftsleben ohne Weiteres auf die in den Registern verlautbarten Informationen verlassen. Außerdem werden durch die starke Kontrolle ex ante Rechtsstreitigkeiten ex post vermieden.

Common Law, Markt und Ex-Post-Kontrolle

Die Rechtsordnungen des Common Law, zu denen insbesondere England, die USA, weite Teile Kanadas und Australien zählen, verzichten regelmäßig auf eine öffentliche Präventivkontrolle. Öffentliche Register existieren in diesen Fällen entweder gar nicht, oder sie geben ungeprüft die Informationen wieder, die Parteien den registerführenden Stellen aufgrund einer Selbstauskunft mitteilen. Dementsprechend vertraut auch der Rechtsverkehr nicht in die Registerinformationen. Da aber überall ein Bedürfnis nach Verlässlichkeit besteht, fordert in Rechtsordnungen des Common Law der Markt die entsprechenden Nachweise in anderer Form ein. Die Existenz einer Gesellschaft muss beispielsweise über ihren gesamten Lebenszyklus über ein immer wieder neu zu beantragendes certificate of good standing nachgewiesen werden. Vertretungs- und Beteiligungsverhältnisse ergeben sich regelmäßig nur aus einer rechtlichen due diligence und juristischen Gutachten (legal opinions). Selbst bei einfachen Grundstückstransaktionen müssen Versicherungen (title insurances) abgeschlossen und meist Anwälte auf beiden Seiten eingeschaltet werden. Auch bedarf es aufwändiger Untersuchungen zu Eigentumsrechten an Grundstücken (title searches). Die fehlende Kontrolle ex ante führt schließlich dazu, dass die Gerichtskosten ex post höher sind.

B-Readys Fokus auf Transparenz oder wie Verlässlichkeit vernachlässigt wird

Obwohl es für die Marktteilnehmer somit einen entscheidenden Unterschied macht, ob die bereitgestellten Informationen verlässlich sind oder nicht, bewertet B-Ready den regulatorischen Rahmen allein unter dem Parameter der Transparenz, also der bloßen Verfügbarkeit von Informationen. Ob diese Informationen auch verlässlich sind, spielt auf der Grundlage seiner Methodologie keine Rolle. Da also B-Ready den Mehraufwand einer öffentlichen Präventivkontrolle nicht positiv honoriert, wird ein Anreiz für Staaten geschaffen, ihre Ressourcen lieber für andere Bereiche einzusetzen, die ihre Bewertung durch die Weltbank verbessern.

B-Readys selektive Kostenerfassung oder wie Kosten nach der Gründung ausgeblendet werden

Man könnte meinen, dass sich eine starke öffentliche Präventivkontrolle zumindest unter dem Parameter der Effizienz im B-Ready-Bericht positiv bemerkbar macht. Immerhin werden die Kosten für Markttransaktionen vermieden, die fehlende verlässliche Registerinformationen kompensieren, und Gerichtskosten stark reduziert. B-Ready greift diese Kosten allerdings nur zum Teil auf. So werden beispielsweise Notar- und Registrierungskosten explizit abgefragt, Versicherungskosten (title insurance) hingegen nicht, sodass diese in den für die Datenerfassung verwendeten Fragebögen unter „andere“ eingegeben werden müssten und womöglich vergessen werden.

Noch gravierender ist allerdings, dass B-Ready generell nur die Kosten im Zusammenhang mit der Unternehmensgründung abfragt. Kosten, die erst nach der Gründung anfallen, weil Geschäftsführer und Vorstände immer wieder die Existenz des Unternehmens und ihre Vertretungsberechtigung und Gesellschafter ihre Gesellschafterstellung nachweisen müssen, werden nicht erfasst. Somit fallen certificates of good standing sowie legal opinions und due diligence jenseits der Gründung unter den Tisch. Dies gilt im Übrigen auch für andere Kosten, die für den Common-Law-Rechtskreis typisch sind, wie beispielsweise fortlaufende Registrierungskosten (incorporation taxes). Auch Gerichtskosten, die bei einer starken öffentlichen Präventivkontrolle geringer sind, werden von B-Ready ausgeblendet.

B-Readys Effizienzorientierung oder wie gesellschaftliche Interessen vernachlässigt werden

Anders als sein Vorgängerbericht will B-Ready öffentliche Interessen abbilden. Ziel ist nicht mehr Deregulierung, sondern gute Regulierung. Nach wie vor werden die Parameter „Kosten“ und „Zeit“, die in die Kategorie „Effizienz“ fallen, allerdings um ein Vielfaches stärker gewichtet als andere Indikatoren. Zudem bleibt immer noch völlig unberücksichtigt, dass die öffentliche Präventivkontrolle auch gesellschaftliche Interessen durchzusetzen hilft und eine breite Beteiligung von Stakeholdern gewährleistet. Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung, Sanktionsdurchsetzung, Umweltschutz und Gendergerechtigkeit gelingen besser, wenn entscheidende Weichenstellungen schon bei Vertragsschluss und nicht erst dann berücksichtigt werden, wenn der Schaden bereits eingetreten ist.

Die Hoffnung auf Systemneutralität bis 2026

Erfreulicherweise soll die Methodologie noch bis zum Ende der Pilotphase im Jahr 2026 verbessert werden. Es bleibt zu hoffen, dass bis dahin auch der Gedanke der Systemneutralität konsequent verwirklicht wird. Letztendlich würde eine faire Bewertung der unterschiedlichen Rechtstraditionen auch die Legitimität des B-Ready-Berichts und damit seinen Einfluss weltweit stärken.

 

Dr. Philip Maximilian Bender, Referent der Bundesnotarkammer, Büro Brüssel

Über den Autor

Dr. Philip Maximilian Bender, LL.M. (Yale), Maître en droit (Paris II), ist Notarassessor im Bezirk der Landesnotarkammer Bayern und derzeit als Referent im Brüsseler Büro der Bundesnotarkammer tätig.

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