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Auf einen Kaffee mit Prof. Dr. Jens Bormann, LL.M. (Harvard)

Prof. Dr. Jens Bormann ist Notar in Ratingen, seit 2015 Präsident der Bundesnotarkammer und lehrt seit 2017 als Honorarprofessor an der Leibniz Universität Hannover. Darüber hinaus bekleidet er seit 2022 das Amt des Vizepräsidenten der Internationalen Union des Notariats (UINL) für Europa und ist Vorsitzender der UINL-Arbeitsgruppe „Internationale Organisationen“. In dieser Ausgabe der BNotK international beantwortet Prof. Dr. Bormann Fragen im Zusammenhang mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Präsident der Bundesnotarkammer und UINL-Vizepräsident für Europa.

Herr Prof. Dr. Bormann, Sie engagieren sich bereits seit Ihrer Zeit als Notarassessor für den Berufsstand. Von 2006 bis 2011 waren Sie Hauptgeschäftsführer der Bundesnotarkammer in Berlin, seit 2015 sind Sie Präsident der Bundesnotarkammer, im Jahr 2022 kam nun auch die Vizepräsidentschaft für Europa der Internationalen Union des Notariats (UINL) hinzu. Woher kommt Ihr Engagement und warum ist die berufsständische Arbeit so wichtig?

Mein Engagement – das ich im Übrigen mit vielen meiner Notarkolleginnen und -kollegen teile – kommt sicherlich aus der Überzeugung, dass die berufsständische Arbeit neben der klassischen Erfüllung des hoheitlichen Auftrags als Notar oder Notarin vor Ort für den Fortbestand des Berufsstandes und dessen stetige Weiterentwicklung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger unerlässlich ist.

Immer wieder höre ich Kolleginnen und Kollegen sagen: „Der Notarberuf ist für mich der schönste juristische Beruf, den es gibt.“ Persönlich kann ich mich dieser Aussage voll und ganz anschließen. Bei der berufsständischen Arbeit geht es aber natürlich um mehr als das.

Notarinnen und Notare sind Kernbestandteil einer effektiven vorsorgenden Rechtspflege. Als öffentliche Amtsträger leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung von Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit. Sie sind Gatekeeper für verlässliche öffentliche Register und im Bereich der Finanzkriminalität starke Partner des Staates. Durch die von ihnen geleistete Legalitätskontrolle sowie ihre Verpflichtung zu Neutralität und Verschwiegenheit ermöglichen sie ausgewogene und zielgerichtete Vereinbarungen, tragen so zur Befriedung bei und verringern das Aufkommen streitiger Verfahren vor Gericht. Ihre flächendeckende Verteilung im gesamten Bundesgebiet und das sozialkompatibel ausgestaltete Gebührensystem stellen einen effektiven Zugang unserer Bürgerinnen und Bürger zu Recht und Justiz sicher.

Weil wir also eine entscheidende Rolle in unserem Rechtssystem einnehmen, finde ich es wichtig, dass wir uns dafür einsetzen, die bewährten Prinzipien dieses Systems zu wahren und durch unsere berufsständische Arbeit auf eine objektive Darstellung und Wahrnehmung unserer öffentlichen Tätigkeit sowie der damit verbundenen Vorteile für Bürgerinnen und Bürger bzw. Unternehmen hinwirken. Dieser Teil der Arbeit bezieht sich also auf den Status quo. Gleichzeitig dürfen wir aber natürlich nicht im „Hier und Jetzt“ verharren, sondern müssen auch den Blick in die Zukunft wagen und uns fragen, wie wir unsere öffentlichen Leistungen weiterentwickeln und verbessern können. Auch hierfür ist eine fundierte berufsständische Arbeit essentiell.

Sie sprechen die Zukunft des Berufsstandes an. Gibt es Entwicklungen, die aktuell oder zukünftig besondere Herausforderungen mit sich bringen?

Ich denke, dass jede Fortentwicklung auch mit speziellen Herausforderungen einhergeht. Ein wesentlicher Umbruch, der bereits in vollem Gange ist und noch weiter andauern wird, ist die Digitalisierung, die in den letzten Jahren nahezu all unsere Lebensbereiche erobert hat.

Die Digitalisierung unseres Berufsstandes ist deshalb ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt. Einige mögen meinen, dass wir als Notarinnen und Notare eher in Traditionen verhaftet sind, anstatt proaktiv neue Wege zu beschreiten. Das ist aber keineswegs der Fall. In den vergangenen Jahren haben wir stark in technische Innovationen und rechtssichere digitale Lösungen investiert. Die Digitalisierungsprojekte der Bundesnotarkammer sind vielseitig: Vom elektronischen Urkundenarchiv über die notariellen Online-Verfahren bis hin zu Zukunftsprojekten wie dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz – wir arbeiten stets daran, uns den Herausforderungen der Digitalisierung nicht nur anzupassen, sondern sie auch aktiv voranzutreiben.

Gleichzeitig ist es uns aber ein Anliegen, die bewährten Prinzipien der analogen Rechtswelt, die zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit dienen, auch in die digitale Welt zu übertragen.

Unser Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann hat im vergangenen Jahr im Rahmen einer Festrede festgestellt, dass Notare nicht nur „Hüter der Form“, sondern auch „Mitgaranten der bürgerlichen Freiheit“ sind. Diese Einschätzung teile ich. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Freiheit und Form untrennbar miteinander verbunden sind und die Form als Mittel gegen Willkür Rechtssicherheit und Rechtsfrieden schafft. Dies sind entscheidende Werte, auf die wir im digitalen Kontext nicht weniger angewiesen sind als in der analogen Welt. Es ist also unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass Form und Freiheit auch im Rahmen der Digitalisierung fortbestehen. Der Aspekt der digitalen Souveränität spielt hier meines Erachtens eine entscheidende Rolle.

Als Präsident der Bundesnotarkammer und Vizepräsident der UINL für Europa haben Sie den direkten Vergleich. Wie unterscheidet sich die berufsständische Arbeit auf internationaler Ebene von der nationalen Arbeit?

Anders als man vielleicht annehmen könnte, sind die Unterschiede im Ergebnis gar nicht so groß. Aber natürlich gibt es welche: Ein wesentlicher Unterschied ist beispielsweise die Arbeit in einem Dachverband im Vergleich zu der Arbeit als einzelne Notarkammer.

Auf nationaler Ebene vertritt die Bundesnotarkammer die Interessen der deutschen Notarinnen und Notare gegenüber dem nationalen, dem europäischen Gesetzgeber oder internationalen Institutionen wie der Weltbank oder der OECD. Im internationalen Kontext setzt sich diese Arbeit natürlich fort. Zusätzlich zu nationalen Aspekten geht es aber vor allem auch um gemeinsame Interessen des „europäischen Notariats“ oder sogar des „Weltnotariats“, die im Idealfall mit einer Stimme sprechen. Besonders spannend an der internationalen Arbeit ist, dass wir teilweise sogar die Gelegenheit haben, mit internationalen Organisationen zu kooperieren. So haben wir etwa mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) bereits zwei Guides veröffentlicht: einen zur verantwortungsvollen Verwaltung von Eigentum und vorsorgenden Rechtspflege und einen zur Stärkung von Gleichberechtigung in der notariellen Praxis.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass der Entscheidungsprozess bei 91 Mitgliedsnotariaten, wie sie beispielsweise die UINL hat, naturgemäß ein anderer ist und auch die Themenschwerpunkte sich unterscheiden. So sind etwa deutsche Gesetzgebungsverfahren, die wir auf nationaler Ebene eng begleiten, vielleicht im internationalen Kontext weniger relevant. Auch die tatsächliche Ausgestaltung des Notarberufs kann von Land zu Land ebenso stark variieren wie aktuelle Themen und Herausforderungen.

Am Ende überwiegen aber stets die Gemeinsamkeiten, wie beispielsweise das Bestreben, auf die vielen Vorzüge der vorsorgenden Rechtspflege durch Notarinnen und Notare aufmerksam zu machen. Aus diesem Grund plane ich auch als UINL-Vizepräsident für Europa die Veröffentlichung eines praktischen Handbuchs zu diesem Thema, um die hierfür entscheidenden Aspekte allgemein und dennoch präzise in mehreren Sprachen zu veranschaulichen. Meine Hoffnung ist es, dass dieses Handbuch eine Hilfestellung für Notariate in Europa und auch weltweit im Rahmen ihrer Gespräche mit Gesetzgebern, staatlichen Institutionen und internationalen Organisationen sein kann.

Die internationale Arbeit ist sehr abwechslungsreich und reicht von Gesprächen mit der Weltbank bis hin zur Teilnahme an Kongressen und Veranstaltungen in fernen Ländern. Was macht Ihnen an dieser Tätigkeit besonders Spaß?  

Hier ist die Auswahl natürlich groß. Ganz besonders schätze ich aber den Austausch mit meinen internationalen Kolleginnen und Kollegen. Auf Ebene der UINL kommen wir regelmäßig zusammen, um aktuelle Themen und Projekte zu diskutieren und mehr über die Erfahrungen zu bestimmten Aspekten in anderen Ländern zu erfahren. Die internationale Arbeit ermöglich es mir, immer wieder über den Tellerrand hinauszuschauen und in direkten Kontakt mit Notarinnen und Notaren aus aller Welt zu kommen. Das ist zum einen persönlich sehr bereichernd. Zum anderen hilft es aber auch für die notarielle Arbeit vor Ort. Viele Themen, wie beispielsweise Digitalisierung, sind nicht spezifisch für Deutschland, sondern bewegen die Gemüter überall auf der Welt. Sich zu den jeweiligen Herausforderungen, Lösungsansätzen und Erfahrungen austauschen zu können, ist ein Privileg, das ich nicht missen möchte.

Prof. Dr. Jens Bormann
Prof. Dr. Jens Bormann und Larissa Oebel |Foto: UINL
Prof. Dr. Jens Bormann | Foto: Marc Müller, München
Lionel Galliez, Prof. Dr. Jens Bormann, Dr. Cristina N. Armella | Foto: Marc Müller, München
Larissa Oebel, Geschäftsführerin international, Bundesnotarkammer Büro Brüssel

Über die Autorin

Das Interview wurde geführt von Larissa Oebel, Notarassessorin im Bezirk der Rheinischen Notarkammer und Geschäftsführerin International der Bundesnotarkammer in Brüssel.

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