Vom 6. bis 9. Juni 2024 wird in Europa wieder gewählt. Eine gute Gelegenheit, um sich mit Friedrich Rößler, wissenschaftlicher Mitarbeiter von MdEP Ralf Seekatz, über die Arbeit im Europäischen Parlament, die vergangene Legislaturperiode und die anstehenden Wahlen zu unterhalten.
Herr Rößler, Sie sind von Hause aus Jurist. Was hat Sie dazu bewogen, die spannende Welt der europäischen Politik als Mitarbeiter eines Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu betreten?
Um ehrlich zu sein, war das eher Zufall und nicht Teil eines Karriereplans. Während des Studiums hatte ich kein sonderlich ausgeprägtes Interesse am Europarecht und in diesem Gebiet für das erste Staatsexamen, wie viele andere Juristen, eher „auf Lücke“ gelernt. Es ergab sich dann im Referendariat die Möglichkeit, während der Wahlstation für drei Monate ins Europäische Parlament nach Brüssel zu gehen. Nach diesem Einblick in die europäische Politik war ich einfach begeistert und habe mich nach dem Abschluss meines zweiten juristischen Examens um einen Job als parlamentarischer Mitarbeiter beworben.
Sie arbeiten für den Europaabgeordneten Ralf Seekatz. Können Sie uns einen Einblick in Ihre Tätigkeit geben? Gibt es bei Ihnen überhaupt einen gewöhnlichen Arbeitsalltag?
Ich bin als wissenschaftlicher Referent für die Ausschussarbeit zuständig. Im Gegensatz zu anderen Parlamenten verhandeln die Abgeordneten für ihre Fraktionen die laufenden Gesetzgebungsvorschläge und müssen sich sehr intensiv mit deren Inhalt beschäftigen. Für uns waren die wichtigsten Dossiers in dieser Legislaturperiode die Geldwäscheverordnung und die Kleinanlegerstrategie. Zu diesen Berichten verhandeln wir dann mit anderen Fraktionen und später mit dem Rat. In diesem Zusammenhang führt man Gespräche mit der Kommission, den ständigen Vertretungen oder Interessenvertretern. Die Kunst ist es, alle Anliegen aus verschieden Sektoren und Ländern zu berücksichtigen und einen ausgewogenen Kompromiss zu finden. Man lernt bei der täglichen Arbeit unglaublich viele interessante Leute kennen und jeden Tag etwas Neues. Es wird also nie langweilig.
Sie arbeiten an den verschiedensten Gesetzgebungsvorhaben der Europäischen Union. Lässt sich der Ablauf einer Gesetzesinitiative im Europäischen Parlament kurz zusammenfassen?
Nachdem die Europäische Kommission einen legislativen Gesetzgebungsvorschlag veröffentlich hat, wird der Vorschlag dem zuständigen Ausschuss im Europäischen Parlament zugewiesen. Jede Fraktion ernennt dann einen zuständigen Berichterstatter, der stellvertretend für die gesamte Fraktion verhandelt. Nach der Abstimmung im Ausschuss und im Plenum finden dann Trilogverhandlungen mit dem Rat statt. Im Anschluss muss das Verhandlungsergebnis noch im Plenum bestätigt werden.
Wenn Sie die aktuelle Legislaturperiode Revue passieren lassen, was sind unvergessliche Momente oder Erfolge, die Ihnen in besonderer Erinnerung bleiben werden?
Aus meiner Sicht waren die Verhandlungen zur Geldwäscheverordnung prägend für diese Legislaturperiode. Da wir in den letzten zwei Jahren nahezu rund um die Uhr an diesem umfangreichen Gesetzespaket verhandelt haben, war es eine wahnsinnige Erlösung, als wir die Verhandlungen endlich abgeschlossen hatten. Die Verhandlungen waren dabei alles andere als einfach. Aber am Ende haben wir nahezu alle für uns wichtigen Punkte durchsetzen können und ein ambitioniertes europäisches Rahmenwerk geschaffen, ohne dabei Maß und Mitte zu verlieren.
Die Europawahlen stehen nun kurz bevor. Wird die Europäische Union danach noch dieselbe sein?
Derzeitige Prognosen gehen ja davon aus, dass Parteien am rechten Rand zulegen werden. In dieser Legislaturperiode gab es meist eine Mehrheit aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen, die uns das Leben sehr schwer gemacht hat. Die Abgeordneten der AfD und der übrigen ID Fraktion haben die Mitarbeit bisher völlig verweigert. Falls sich diese völlige Inaktivität fortsetzt, wird sich wenig ändern. Schlimmstenfalls gibt es nach den Europawahlen ein politisches Patt. Weniger Gesetzgebung auf europäischer Ebene muss aber auch nicht immer schlecht sein. Das europäische Projekt sehe ich jedenfalls nicht gefährdet.
Über den Interviewpartner
Friedrich Rößler ist wissenschaftlicher Referent des Mitglieds des Europäischen Parlaments Ralf Seekatz.
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