Im Sommer ist es wieder soweit: Die Europäische Union wählt ein neues Parlament für die nächsten fünf Jahre. Daher wird zurzeit auf Hochtouren an einigen der noch laufenden Gesetzesinitiativen gearbeitet, um diese noch vor Ende der Legislaturperiode abzuschließen. Dies gebietet Anlass, einen Blick auf die aus notarieller Perspektive wichtigsten europäischen Gesetzesvorhaben zu werfen.
EU-Geldwäschepaket
Das EU-Geldwäschepaket umfasst insgesamt vier Unionsrechtsakte, jedoch sind hiervon nur drei relevant für die notarielle Praxis: Die neue Geldwäscheverordnung (AMLR), die sechste Geldwäscherichtlinie (AMLD) und die neue Verordnung zur Errichtung einer Behörde zur Geldwäschebekämpfung (AMLA-Verordnung). Nach den politischen Einigungen im Dezember 2023 und Januar 2024 liegt mittlerweile ein finaler Kompromisstext vor, welcher noch formal von Parlament und Rat angenommen werden muss.
Mit der AMLR tritt eine Vollharmonisierung ein, sodass der Kreis der Verpflichteten, Regelungen zur Risikobewertung, der Umfang der anzuwendenden Sorgfaltspflichten sowie Bestimmungen zum nunmehr wirtschaftlichen Eigentum (vormals „wirtschaftlich Berechtigter“) einheitlich geregelt werden. Hinsichtlich der Identifizierung der Beteiligten und des wirtschaftlichen Eigentümers entsprechen die Regelungen der geltenden Rechtslage. Gleichwohl bringt die AMLR eine Anpassung der Berechnungsmethode für das wirtschaftliche Eigentum mit sich: Für die Berechnung, ob Beteiligungen die weiterhin geltende 25 %-Schwelle überschreiten, werden die Beteiligungen innerhalb eines Beteiligungsstrangs künftig multipliziert, wodurch Beteiligungen auf jeder Stufe berücksichtigt und bei mehreren Strängen anschließend addiert werden.
Neu ist zudem, dass vor Begründung einer Geschäftsbeziehung oder Durchführung einer Transaktion eine Pflicht zur Erhebung der Mittelherkunft und -verwendung besteht. Eine Verifizierung ist nicht erforderlich. Bei einem niedrigen Geldwäscherisiko kann von der Erhebung abgesehen werden.
Die AMLD trifft Regelungen zur Organisation des institutionellen Systems für die Geldwäschebekämpfung. Diese umfassen beispielsweise die Ausgestaltung und Verknüpfung nationaler Transparenzregister.
Mit der AMLA-Verordnung wird die neue EU-weite Geldwäschebehörde („AMLA“), die ihren Sitz in Frankfurt haben wird, errichtet. Die AMLA wird in Bezug auf den Nichtfinanzsektor weder eine direkte Aufsicht noch Durchgriffsrechte gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden haben. Eine notarielle Relevanz ergibt sich gleichwohl daraus, dass die AMLA Standards, Leitlinien und Empfehlungen erlassen kann, sowohl gegenüber Aufsichtsbehörden als auch gegenüber Verpflichteten, zu denen Notarinnen und Notare zählen.
Digitalisierungsrichtlinie 2.0
Im Jahr 2019 wurde die erste Digitalisierungsrichtlinie verabschiedet, die die Einführung der notariellen Online-Verfahren brachte. Im vergangenen Jahr unternahm die Kommission den nächsten Schritt in Richtung Digitalisierung des Gesellschaftsrechts, indem sie ihren Vorschlag für eine Richtlinie zur Ausweitung und Optimierung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im Europäischen Gesellschaftsrecht, die sog. Digitalisierungsrichtlinie 2.0, veröffentlichte. Am 13. März 2024 verkündete das Europäische Parlament, dass eine Einigung erzielt worden sei.
Der Vorschlag macht eine öffentliche Präventivkontrolle im Gesellschaftsrecht durch Behörden, Gerichte und/oder Notare verpflichtend. Um verlässliche Registerdaten auf dem Gebiet der Europäischen Union sicherzustellen, wird zudem ein Mindestprüfkatalog im Rahmen der Präventivkontrolle statuiert. Über die EU-Gesellschaftsbescheinigung, die u. a. unmittelbar elektronisch über das BRIS abrufbar sein soll, wird eine grenzüberschreitende Verwendung dieser vorab geprüften Registerdaten sichergestellt. Zudem sieht der Vorschlag die Einführung einer rechtsgeschäftlichen, digitalen EU-Vollmacht vor. Diese soll als Nachweis über die Vertretungsmacht für grenzüberschreitende Maßnahmen im Rahmen der Richtlinie dienen.
Revision der eIDAS-Verordnung
Bereits im Jahr 2014 hatte der Europäische Gesetzgeber eine Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen geschaffen, welche in dieser Legislaturperiode überarbeitet wurde. Die finale Einigung wurde zwischenzeitlich von Parlament und Rat angenommen, sodass nur noch die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union aussteht. Mit der Revision der eIDAS-Verordnung wird unionsweit eine digitale Brieftasche, ein sog. EU-Wallet, eingeführt. Damit können Bürgerinnen und Bürger sich EU-weit elektronisch ausweisen und auch qualifiziert elektronisch signieren. Der elektronische Identitätsnachweis kann auch im Rahmen der notariellen Online-Verfahren zur Identifizierung genutzt werden. Zudem ist es möglich, bestimmte persönliche Attribute im EU-Wallet zu speichern, wie Führerscheine, Diplome oder Bankkonten. Auch die vorgenannte EU-Gesellschaftsbescheinigung und die digitale EU-Vollmacht sollen mit dem EU-Wallet kompatibel sein.
e-Justice-Verordnung
Am 13. Dezember 2023 wurde die Verordnung (EU) Nr. 2023/2844 über die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Zivil-, Handels- und Strafsachen erlassen. Gelten wird die Verordnung jedoch erst ab dem 1. Mai 2025. Sie regelt die elektronische Kommunikation zwischen Behörden einerseits und zwischen Behörden und Bürger bzw. Unternehmen andererseits. Für erstere ist die elektronische Kommunikation im Hinblick auf die erfassten Rechtsakte grds. zwingend, für letztere fakultativ. Erfolgen soll die elektronische Kommunikation mittels des dezentralen IT-Systems „e-CODEX“, was mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission entwickelt wurde. Darüber erfolgt auch die Verknüpfung der nationalen Systeme.
Die Anwendbarkeit der Verordnung auf notarielle Tätigkeiten ist begrenzt. Zwar gelten Notarinnen und Notare grundsätzlich als Behörden im Sinne der e-Justice-Verordnung. Jedoch beschränkt sich der Anwendungsbereich u. a. auf Erteilung von Bescheinigungen über den Inhalt öffentlicher Urkunden zum Zwecke der Vollstreckung im Ausland oder zum Nachweis ihrer Beweiswirkungen im Ausland im Rahmen von europäischen Verordnungen, wie z. B. der EG-UntVO, EU-ErbVO und EU-GüVO, sowie von Kommunikation mit Gerichten im Rahmen der EU-ErbVO.
Ausblick
Hinsichtlich der vorgenannten Gesetzesinitiativen wird, sofern sie nicht bereits abgeschlossen sind, mit einer Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode gerechnet. Darüber hinaus gibt es weitere Gesetzesinitiativen mit notarieller Relevanz, die allerdings vor den Wahlen des neuen Parlaments voraussichtlich nicht mehr abgeschlossen werden können. Dies dürfte beispielsweise für den Vorschlag für eine Elternschafts-Verordnung oder das Erwachsenenschutzpaket gelten. Mit ersterem sollen einheitliche Regelungen zur Zuständigkeit, dem anzuwendenden Recht, der Anerkennung von Entscheidungen sowie der Annahme öffentlicher Urkunden in Elternschaftssachen geschaffen werden. Zudem soll ein Elternschaftszertifikat zum Nachweis der Elternschaft eingeführt werden. Das Erwachsenenschutzpaket sieht zwei Maßnahmen vor: Einen Ratsbeschluss, durch den alle Mitgliedstaaten Vertragspartei des Haager Erwachsenenschutz-Übereinkommens werden sollen oder bleiben und eine flankierende Verordnung.
Im Gegensatz zum Bundestag kennt das Europäische Parlament keine sachliche Diskontinuität. Daher werden noch nicht abgeschlossene Dossiers in der neuen Legislaturperiode von dem neugewählten Parlament fortgeführt. Daher kann auch künftig mit Neuerungen aus Brüssel für den notariellen Berufsstand gerechnet werden.